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Suvastrand Fidschi 1954

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Weitab in der Sichel des Strandes war eine Gestalt erkennbar, ein Mann, der mit dem Rücken gegen den Stamm einer Palme lehnte. Still lehnte er dort und blickte hinaus aufs Meer, und verharrte still wie zuvor, nachdem er sich gesetzt hatte, die Arme um die Knie verschränkt. Beim Näherkommen dämpfte ich die Schritte. Er sah erst zu mir auf, als mein Schatten über ihn fiel. Nur seine hochgezogenen Brauen verrieten die Spur von Unwillen. Wir begrüßten uns und dann schwiegen wir. Er kam meiner Vorstellung von Jesus nah – ein Dreißigjähriger von schlankem Wuchs mit Haar, das bis zur Schulter reichte, die Stirn gewölbt und hoch, der Blick der Augen stetig und sinnlich der Mund. Wie er da nachsinnend saß, wölbten sich sanft die Lippen. Er war barfuß, zerschlissen die Jeans und rissig an den Knien, dem Khakihemd, das ihm offen über der Brust hing, fehlten die Ärmel.

»Es wird Wind aufkommen und in der Nacht ein Sturm«, hörte ich ihn sagen.

Da sah auch ich hinaus aufs Meer, das glatt war wie ein Spiegel, wolkenlos erstreckte sich der Himmel am Horizont, und schwach wie ein stehendes Gewässer floß das Meer über den Sand. Nicht ein Hauch bewegte die Palmblätter. Es war schwül schon am Morgen, jetzt war es schwüler, und die Sonne stach.

»Joseph Conrad«, sagte ich.

Er wiegte versonnen den Kopf und befragte die Bemerkung nicht.

»Oft gibt es solche Prophezeiungen in Conrads Erzählungen – ein erfahrener Seemann«, fuhr ich fort.

Dem stimmte er zu und wieder behauptete er, es würde stürmen in der Nacht. Ich wähnte, daß auch er ein erfahrener Seemann war.

»Das ist lange her, zehn Jahre.«

»Und seitdem nur noch ein Leben auf Suva?«

»Die Inseln sind mein Leben«, sagte er.

Mir wollte nicht in den Sinn, wie einer sich früh schon so entscheiden konnte.

»Mit zwanzig bestimmte der Krieg mein Leben«, sagte ich ihm.

»Das kommt vom Hingehen«, erwiderte er. »Ich ging nicht hin und werde es nie tun. Krieg ist Sünde, und was haben mir die Koreaner angetan, daß ich sie morde.«

»Dort ist kein Krieg mehr«, erklärte ich ihm. »Der Waffenstillstand liegt schon ein Jahr zurück.«

»Also ist Frieden.«

Ich nickte. Da blickte er wieder zum Meer hinaus, das ruhig war noch immer, ein weites stilles Wasser unter der Sonne.

»Und doch wird es stürmen heut Nacht.«

Ich begriff, was er mir sagen wollte und warum er lebte, wie er lebte.

Die Zeit berühren

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