Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Verrat in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 11
2. Kapitel
ОглавлениеMarie und Matthias hatten sich erneut der Leidenschaft hingegeben, von der sie übermannt worden waren, nachdem sie sich ihre gegenseitige Liebe gestanden hatten. Matthias war immer noch benommen, aber Marie entdeckte sehr rasch, welche Lust dieser Mann, der sie vor dem beinahe sicheren Tod gerettet hatte, ihr bereiten konnte, und wollte mehr davon. Gerade wollte sie Matthias erneut zwischen die Schenkel nehmen, als jemand mit solcher Gewalt an die Tür hämmerte, dass sie schier aus den Angeln zu springen drohte. Das junge Paar fuhr so heftig auseinander, dass Matthias beinahe aus dem Bett fiel. Es dauerte einen Moment, bis sie beide realisierten, dass sie nichts Verbotenes taten.
Matthias bedeutete seiner Frau, im Schlafraum zu bleiben, und schlang rasch ein Laken um seine Hüfte, bevor er zur Eingangstür ging.
»Warum störst du mich?«
Marie hörte seine barsche Stimme. Vor wenigen Wochen hätte sie bei diesem Klang noch Todesangst ausgestanden. Sie spitzte ihre Ohren.
»Meister Matthias! Kommt schnell! Ein Toter. Ihr müsst euch beeilen.«
»Wartet hier. Ich bin gleich da.«
Als Matthias ins Schlafzimmer zurückkam, war Marie schon fast wieder angezogen, obwohl ihre Sachen noch nicht ganz getrocknet waren. Es war jetzt keine Zeit, noch etwas Neues zu suchen und sie wollte auf gar keinen Fall allein im Henkershaus auf ihn warten, vor allem bei dem Gewitter und all den Fremden in der Stadt.
Ihr Mann erhob keine Einwände und so stapften sie wenige Momente später durch das noch immer wütende Unwetter nach Rothenburg hinauf. Regenwasser schoss den Weg hinab, hatte ihn fast in einen Bach verwandelt.
Marie war fast blind unter der Kapuze des Wollmantels, den Matthias ihr gegeben hatte und sie hielt sich krampfhaft an seiner Hand fest, um nicht verloren zu gehen. Trotzdem merkte sie, dass die Stadtwache sie in die Straße führte, die an der Stadtmauer entlang lief.
Sie wusste, sie waren im ehemaligen Judenviertel, in dem auch die Johanniterscheune lag. Hier gab es viele leerstehende Gebäude. Man erzählte sich, dass sich dort auch gelegentlich zwielichtige Gestalten trafen, unter anderem auch die Lutheraner, die immer zahlreicher das Land bevölkerten.
Es hieß, dass die Juden einen Fluch über den Stadtteil gelegt hatten, als sie vertrieben worden waren. Alle Bemühungen des Vogtes, das Viertel zu besiedeln, waren fehlgeschlagen. Es hatten am Anfang einige versucht, Kapital aus den leerstehenden Häusern zu schlagen. Aber alle waren gescheitert, hatten ihr gesamtes Vermögen verloren. Einige hatten sich in den leeren Häusern das Leben genommen.
Obwohl der Pfarrer bereits einige Prozessionen durch diese Gassen geführt und alle Gebäude mit reichlich geweihtem Wasser bespritzt hatte, waren die Menschen nicht bereit, dort ihr Domizil zu wählen. Nachdem sich dann bei der letzten Prozession einer der Händler nach dem Verlust seines Geldes vor der Prozession mit einem Seil um den Hals aus dem Fenster gestürzt hatte und genau vor Pater Remigius gebaumelt war, mieden die meisten Menschen das Viertel, als sei dort die Pest ausgebrochen.
Man war überzeugt, der Fluch sei echt und man fand niemanden mehr, der bereit war, sich dort anzusiedeln außer einigen Bettlern, die unerlaubterweise in den alten Gemäuern nächtigten.
Auch Marie fühlte sich alles andere als behaglich hier und sie ließ ihren Mann nicht los. Wenigstens war es so nah an der Mauer nicht mehr so windig wie vor der Stadt, sie kamen gut voran.
Schon von weitem sah Marie den Fackelschein der Wachen, die vor dem Fundort der Leiche auf den Scharfrichter warteten. Zu ihrer Überraschung wartete dort auch eine ziemlich verstört aussehende Helga - und Jakob von Scharfenstein. Ihn hätte Marie in Helgas Gesellschaft nicht erwartet, und auch Matthias witterte sofort faules Spiel.
»Was tun die beiden hier?«, wollte er wissen. »Haben sie den Toten auf dem Gewissen?«
Helga schrie entsetzt auf.
»NEIN, oh, nein, Meister Matthias ... wir ... haben ... uns hier in der Werkstatt ... heimlich getroffen. Und dabei habe ich die Leiche entdeckt.«
»Genau so war es!«, pflichtete Jakob ihr rasch bei. Ein Vergewaltigungsvorwurf war auch für ein Mitglied der Oberschicht kein Zuckerschlecken.
Überrascht sah Marie von einem zum anderen - Helga sollte sich mit Jakob getroffen haben? Wo sie so heiß verliebt in den Knecht des Vogtes war? Das glaubte sie nicht.
Auch die Wachen wirkten verwirrt, aber ohne eine Anschuldigung Helgas war eine Anklage wegen Vergewaltigung nicht zu halten, besonders, da der Anblick der Leiche das Kreischen der jungen Frau durchaus erklärte.
»Na gut ...«, knurrte der Hauptmann der Wache. »Dann schert euch weg und seht zu, dass ich euch heute Nacht nicht mehr unter die Augen bekomme, sonst bringe ich euch eigenhändig bei euren Eltern vorbei!«
Wie geprügelte Hunde liefen die beiden in verschiedene Richtungen davon. Marie jedoch entging nicht, dass Jakob ihr über die Schulter einen langen Blick zuwarf, den sie nicht deuten konnte, bevor er in der Dunkelheit verschwand.
Der Hauptmann hob seine Fackel.
»Gehen wir hinein ... ich kenne den Mann nicht, er scheint kein Rothenburger zu sein.«
Zwei Minuten später fragte Marie sich, wie der Soldat das mit Sicherheit sagen konnte. Der Mann war nicht erst kürzlich gestorben, Augen, Nase, Lippen und Ohren waren bereits den Ratten zum Opfer gefallen. Theoretisch hätte es der Vogt sein können und sie hätte ihn nicht erkannt.
Dass der Geruch Helga und Jakob nicht gleich beim Betreten der Werkstatt aufgefallen war, war der Blonden ebenfalls unbegreiflich. Sie wandte sich ab und presste sich die Hand vor Mund und Nase, unterdrückte ein Würgen.
Matthias ging neben dem Toten in die Hocke und durchsuchte seine Habseligkeiten. Er fand nichts, was auf eine Identität hinweisen konnte, jedoch eine Geldkatze mit einigen Münzen.
»Er wurde nicht ausgeraubt«, stellte der Hauptmann stirnrunzelnd fest.
»Vielleicht ist er einfach so gestorben.«
»Welche natürliche Todesart lässt derart viel Blut fließen?«, wollte Matthias wissen und hob den Körper halb an, sodass die große Blutlache, die schon getrocknet und braun geworden war, sichtbar wurde.
»Holt den Chirurgen! Er soll herausfinden, wie dieser Mann gestorben ist!«, befahl er mit fester Stimme und der neue junge Wachmann lief sofort los. Seit seiner ersten Begegnung mit dem Henker hatte er einen Heidenrespekt vor ihm.
In diesem Moment fielen Maries Blicke auf den Arm der Leiche, der in einem merkwürdigen Winkel zum Körper abstand und sie keuchte.
»Matthias … sein Arm! Das ist der Kerl, der uns angegriffen hat!«
Matthias sah seine Frau an, folgte ihrem Blick auf den Arm. Tatsächlich, der Arm war gebrochen. Er tastete ihn ab, fand die Bruchstelle.
»Was in Gottes Namen …?«, flüsterte er.
Er richtete sich auf.
»Hauptmann, das ist ernster, als wir angenommen haben. Dieser Kerl dort«, er zeigte auf die Leiche, »hat vor einigen Tagen versucht, meine Frau zu ermorden. Als ich ihn gestellt habe, hat er mich verletzt, sodass ich beinahe nicht überlebt habe. Wir müssen unbedingt herausfinden, wer dieser Kerl ist, wo er herkam und was er hier wollte. Und warum zum Teufel er meine Frau töten wollte«, fügte er leise hinzu.
Marie hatte sich abgewandt. Sie zitterte wieder. Ihr Verstand weigerte sich, es zu akzeptieren. Matthias sah, dass seine Frau kurz vor einem Zusammenbruch stand und legte die Arme um sie.
»Du musst dich nicht fürchten. Nicht vor dem da. Der kann dir nichts mehr tun.«
»Ja, der nicht. Aber wer steckt dahinter?«
Matthias überlegte.
Sie hatte Recht. Der Überfall war nicht das Werk des Mannes, der dort am Boden lag, er war nur ein Handlanger gewesen. Ein Fremder hätte sich nicht nachts außerhalb der Stadt aufgehalten und rein zufällig versucht, Marie zu töten. Außerdem hatte der Tote den Henker gekannt. Da musste jemand anderes noch seine Finger im Spiel haben.
Seine Gedanken wurden durch die Ankunft des Chirurgen abgelenkt. Nikolaus von Brümme stürmte in die Werkstatt, laut fluchend, wie es seine Art war, wenn man ihn des Nachts aus dem Bett holte. Vor allem, wenn eine Hure bei ihm war.
»Was gibt es denn so Dringendes? Ich hatte gerade einen wichtigen Eingriff.«
Der Wachmann, der den Arzt geholt hatte, kniff ein Auge zusammen und deutete mit den Händen an, dass er den Chirurgen wohl gerade beim Liebesakt erwischt hatte.
Marie wurde leicht rot, aber innerlich musste sie grinsen, waren sie und Matthias doch ebenfalls bei dieser Tätigkeit unterbrochen worden. Matthias zeigte nur stumm auf die Leiche.
»Ach, Meister Matthias, was ist denn daran eilig? Der läuft nicht mehr weg.«
Matthias klärte ihn kurz über die Umstände auf. Nikolaus von Brümme grunzte, dann machte er sich an die Untersuchung.
Wenige Augenblicke später stutzte er, öffnete das Hemd des Toten und grunzte erneut.
»Na sowas. Da haben wir es ja. Meister Matthias! Kommt einmal.«
Matthias beugte sich neben den Chirurgen. Der deutete auf eine Stelle im Brustkorb.
»Da. Ein sauberer, glatter Stich. Genau zwischen den Rippen ins Herz gestochen. Schnell und fast schmerzlos.«
Er richtete sich wieder auf.
»Bevor der Mann gewusst hat, dass er erstochen wird, war er schon tot.«
»Wer kann so etwas getan haben?«
Der Chirurg zuckte mit den Schultern.
»Das weiß ich nicht. Das kann jeder, der eine gewisse Ahnung von Anatomie, etwas Kraft und ein gutes Messer hat sowie über etwas Geschicklichkeit verfügt. Und wie ich das sehe, war der Mann außerstande, sich zu verteidigen.«
Matthias nickte. Also quasi halb Rothenburg kam in Frage.
»Wie lange ist er schon tot?«
»So einige Tage würde ich sagen. Und wenn Ihr mich jetzt entschuldigt, mein Eingriff wartet.«
Sprach´s und verschwand. Matthias erhob sich ebenfalls.
»Schafft den Leichnam weg, Hauptmann. Jetzt können wir nichts mehr tun. Ich berede das später mit dem Schreiber.«
Er nahm seine Frau an die Hand und ging mit ihr nach Hause. Der Regen hatte nachgelassen.
Als sie daheim ankamen, sah Marie ihn verschmitzt an.
»Ein Eingriff??«
Matthias grinste.
»So nennt er es immer, wenn er eine der Huren bei sich hat. Und scheinbar hat er jede Nacht einen solchen Eingriff.«
Sie trat auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
»Ich glaube, ich hätte auch gerne noch einen Eingriff.«
Sie tastete über das Vorderteil seiner Hose, erschrocken über ihre Zügellosigkeit, die sie sich nie hätte träumen lassen. Noch vor wenigen Wochen wäre sie alleine bei dem Gedanken an das, was sie jetzt wollte, vor Scham im Boden versunken.
»Wenn das chirurgische Gerät denn noch für einen Weiteren zu gebrauchen ist«, kicherte sie.
Mit einem zustimmenden Brummen bückte Matthias sich, hob seine Frau einfach hoch und warf sie sich über die Schulter, um sie ins Schlafzimmer zu schleppen.
Es dauerte nicht lange, bis ihr ausgelassenes Lachen von genüsslichem Seufzen abgelöst wurde.