Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Verrat in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 16

8. Kapitel

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Nachdem die Vorstellung zu Ende war, gingen Marie und Matthias zum ›Goldenen Schwan‹. Marie wollte sehen, ob Magdalena Hilfe gebrauchen konnte. In der Tat waren ein paar zusätzliche Hände dringend nötig. Der Schweiß stand Magdalena auf der Stirn.

Matthias fand einen freien Platz und setzte sich, während Marie, ohne groß zu fragen, hinter den Tresen ging und half. Matthias war stolz auf seine Frau. Und er freute sich auf zu Hause.

Es war Marie auf hundert Meter anzusehen, dass auch sie an nichts anderes denken konnte als die kommende Nacht. Wann immer sie konnte, warf sie Matthias quer durch die Schänke ein strahlendes Lächeln zu, und sobald sie sich unbeobachtet glaubte, betrachtete sie seine Hände, seine Lippen und leckte sich die eigenen.

Sie verstand langsam, warum Helga in der Nacht heimlich zu Karl schlich.

»Naaaa? Wie war deine Hochzeitsnacht?«

Marie hatte nicht bemerkt, dass Magdalena sich genähert hatte, und stieß vor Schreck den Krug Bier um, den sie gerade füllte.

Sie wurde hochrot.

»Oh, das tut mir leid, das wollte ich nicht!«

Magdalena grinste.

»Für das verschüttete Bier musst du mir jetzt alles erzählen ... so, wie du dreinschaust, kann es nicht schlecht gelaufen sein!«

»Schlecht?«

Marie stieß einen tiefen, zittrigen Seufzer aus.

»Magdalena, du hast mir nicht erzählt, dass er so wundervoll ist. Er hat mit dem Mund ... da unten ...«

Sie wurde rot und kicherte.

»Ja, das kann er wirklich gut, nicht wahr?«, lachte Magdalena mit ihr, die zu gut wusste, wie Matthias einer Frau Lust bereiten konnte, hatte sie doch sehr lange dieses Vergnügen gehabt.

Wieder ein Seufzen.

»Ich hatte noch nie solche Gefühle ... das war wie Explodieren und Schmelzen zugleich!«

Die Wirtin des ›Goldenen Schwans‹ konnte ihre Neugierde nicht bezähmen.

»Und? Hat er dich zur Frau gemacht?«

Marie nickte eifrig.

»Ja, hat er. Ich hatte ja schon Angst, weil er so ... so riesig ist ... aber es hat gar nicht weh getan ... er ist wahnsinnig sanft ...«

Mit traumverlorenem Lächeln sah sie zu Matthias hinüber, dessen Blicke unermüdlich durch den Raum wanderten, immer auf der Suche nach möglichem Ärger. Zufrieden musterte Magdalena ihren Schützling.

»Kindchen ... du bist ja verliebt, kann das sein?«

Marie senkte leicht den Kopf, sodass ihr blondes Haar das schöne Gesicht verdeckte.

»Ja, das kann sein ... ich hätte es nie gedacht, aber es ging ganz schnell.«

Magdalena strich ihr über die Wange.

»Ich habe dir doch gesagt, der Matthias ist ein Braver.«

»Er ist mehr als nur das!«

Wieder wanderte der Blick Maries zu ihrem Mann und Magdalena wurde es ganz warm ums Herz. Dass es so schnell so gut zwischen den beiden funktionieren würde, hatte selbst sie nicht geglaubt.

»Wir sprechen später noch einmal. Jetzt muss ich mal was tun!«, zwinkerte die Wirtin Marie zu und griff sechs Bierkrüge auf einmal. Den Letzten stellte sie schließlich vor Matthias hin und setzte sich breit grinsend zu ihm an den Tisch.

»Na, mein Großer? Wie ist es dir ergangen?«

Matthias wurde leicht verlegen. Obwohl Magdalena seine intimsten Geheimnisse kannte, war er es doch nicht gewöhnt, darüber zu reden. Aber an seinem Lächeln, wenn er Marie ansah, erkannte Magdalena, was er fühlte.

»Nun komm, mein Großer. Oder hast du kein Vertrauen mehr zu mir?«

Er drehte den Bierkrug in seinen Händen und seufzte.

»Sie war noch Jungfrau …«

Magdalena lachte.

»Hast du das bezweifelt?«

Er schüttelte den Kopf.

»Nein. Aber so, wie sie mich verwöhnt hat … mit ihrem Mund ...«

Magdalena grinste. Wie jeder Mann, den sie kannte, mochte Matthias dieses Gefühl.

Es wurde zwar immer wieder gepredigt, dass dies eine Sünde wäre, aber das kümmerte sie selber schon lange nicht mehr. Und zum Glück Marie auch nicht.

»Du denkst, sie hat schon mal mit jemandem?«

Er nickte.

»Stört dich das?«

»Nein! Um Gottes willen. Selbst wenn sie keine Jungfrau mehr gewesen wäre, hätte es mich nicht gestört.«

»Aber ihr habt doch die Jungfrauenprobe machen lassen. Und sie wurde bestätigt. Wieso hast du denn dann gezweifelt?«

Matthias lächelte.

»Auch eine Braut Christi sagt nicht immer die Wahrheit, wenn es darum geht, ein Menschenleben zu retten. Sagte Meister Malachias jedenfalls. Und doch, ich habe es geglaubt, ich gebe es zu. Marie war dafür viel zu rein. Aber, nun ja, als sie bei mir ... mit dem Mund ... unerfahren war sie jedenfalls nicht. Und ich glaube, das ist auch gut so. Aber der erste Mann, das war definitiv ich.«

Magdalena sah ihm in die Augen.

»Aber du warst sanft, oder?«

Er nickte.

»Ich habe deinen Rat befolgt.«

»Sie war mehr als bereit, sagte sie.«

Wieder wurde er rot. Er begriff, dass Marie und Magdalena wohl keine Geheimnisse voreinander hatten. Sie hatten es alle nicht ausgesprochen, aber er ahnte, dass Marie darüber Bescheid wusste, dass Magdalena des Öfteren sein Bett gewärmt hatte.

»Ja. Und ich habe mich erinnert, was du mal gesagt hast. Dass ich die Frau beim ersten Stich ablenken soll.«

Magdalena lächelte. Er hatte es sich gemerkt.

»Ohrläppchen?«

Er nickte.

»Matthias … bist du glücklich?«

»Ja. Das bin ich.«

Wieder sah sie, wie er einen langen, sehnsuchtsvollen Blick zu seiner Frau warf und Marie diesen Blick erwiderte. Magdalena lachte schallend.

»Matthias Wolf! Der Henker von Rothenburg ist bis über beide Ohren verliebt«, entfuhr es ihr, bevor sie nachdenken konnte.

So rot hatte sie Matthias noch nie gesehen. Sie wurde wieder ernst.

»Matthias, liebst du sie?«

Er nickte.

»Mehr als mein eigenes Leben.«

Sie stand auf.

»Kommt bitte nachher nach hinten, ich muss mit euch beiden reden.«

Damit ließ sie ihn alleine.

Als sich der Gastraum langsam leerte, der Vogt hatte nach den Ereignissen der letzten Nacht eine Sperrstunde verhängt, und sich die Mädchen mit den letzten Freiern zurückgezogen hatten, folgen Marie und Matthias ihr in einen Raum neben der Küche. Magdalena sah von einem zum anderen. Dann seufzte sie.

»Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Also sage ich es euch direkt: Ich werde sterben!«

Marie keuchte erschrocken, Matthias wurde leichenblass.

»Was soll das? Treib keine Scherze mit uns!«

Magdalena schüttelte den Kopf.

»Das ist leider die Wahrheit. Während der Zeit, als ich noch in Nürnberg war und wir uns vor den Häschern der Inquisition verstecken mussten, habe ich mit meiner Mutter in einer Gerberei gearbeitet. Eines Morgens hustete sie Blut, hatte Fieber. Nach einer Weile ging es ihr besser, aber die Anfälle kamen wieder, wurden häufiger und heftiger. Sie hat sich am Schluss fast die Lunge aus dem Leib gehustet.«

Marie weinte.

»Aber … da muss es doch Heilung geben …«

»Kindchen, wenn es die gäbe, ich hätte sie gefunden, glaube mir. Ich habe alles Mögliche an Kräutern gesucht, habe Kompressen gemacht, gemischt, gemörsert, geräuchert. Aber nichts von alledem, was ich probierte, hat geholfen. Am Ende musste ich meine Mutter zurücklassen. Sie war zu schwach, um zu fliehen, als die Inquisition kam. Aber ich glaube nicht, dass sie den Scheiterhaufen noch erlebt hat. Sie muss vorher gestorben sein.«

»Wenn du nicht einmal genau weißt, ob sie daran gestorben ist, wie kommst du dann darauf, dass es so schlimm ist?«, warf Matthias ein. Sie sah ihm mit einem tieftraurigen Blick in die Augen.

»Matthias, meine Mutter war nicht die erste Gerberin, die diese Krankheit bekommen hat. Wie viele von den Gerbern kennst du, die wirklich alt geworden sind? Und es hat bereits angefangen.«

Matthias und Marie sahen sich betroffen an. Damit hatten sie nicht gerechnet. Marie rang ihre Hände.

»Aber … was willst du machen?«

Magdalena sah sie an.

»Zunächst einmal möchte ich, dass du hier öfter arbeitest. Ich brauche deine Hilfe. Und, für den Fall der Fälle, werde ich euch zeigen, wo mein Hausbuch liegt. Darin werdet ihr alles finden, was ihr wissen sollt und wissen müsst.«

Sie lachte jetzt.

»Aber bis dahin ist es noch etwas hin. Lasst uns das Leben genießen, solange es geht!«

Sie holte drei Krüge Wein und gemeinsam tranken sie, redeten über alles Mögliche. Nach und nach verblasste der Schatten des Todes, der über ihnen schwebte. Insgeheim jedoch Marie hatte einen Entschluss gefasst, über den sie mit Matthias reden wollte. Aber erst wollte sie etwas anderes. Ihr Schoß pochte. Sie brauchte jetzt etwas, um dieses Pochen zu befriedigen. Und das war in seinen Hosen.

Sie verabschiedeten sich. Marie eilte noch einmal zu Magdalena.

»Sag mir … bitte …«

Magdalena grinste. Sie wusste, was Marie wollte. In all ihrer Schönheit war sie doch in Liebesdingen unerfahren.

»Versuch ihn zu reiten«, gab sie ihr mit auf den Weg.

Marie lächelte sie dankbar an und zerrte ihren Mann förmlich nach Hause.

Vor den Stadtmauern unterhielt ein Feuerschlucker die Rothenburger mit seinen Künsten, entlockte ihnen Schreie der Begeisterung, aber Marie sah kaum hin. In ihrem Kopf spukten Bilder von der vergangenen Nacht und dem Mittag, Bilder von Matthias´ nacktem Körper. Sie musste ihn jetzt haben, da war kein Platz mehr für irgendetwas anderes.

Sie ließ sich kaum die Zeit, die Tür des Henkershauses hinter ihnen zu schließen, und noch bevor Matthias sein Erstaunen bekunden konnte, hing sie ihm am Hals, küsste ihn leidenschaftlich.

Als sie sich trennen musste, um Luft zu bekommen, wisperte sie ihm zu: »Du wolltest wissen, wie du mir die Belohnung vergelten kannst …«

Als sie voneinander abließen, rang Marie nach Atem, doch zufrieden kuschelte sie sich an ihn und streichelte seine Brust.

»Ich wusste nicht, wie schön das sein kann. Ich glaube, ich will nie mehr damit aufhören.«

Er hatte einen Arm um sie gelegt und wieder einmal fühlte Marie sich angenehm behütet. Von der Stadt drangen gedämpfte Geräusche von Trommeln zu ihnen hinunter. Um andere Instrumente hören zu können, waren sie zu weit weg. Die Menschen feierten immer noch. Marie erinnerte sich plötzlich daran, dass Matthias morgen einen harten Tag haben würde. Sie hatte ein wenig Angst davor.

»Soll ich dich morgen zum Richtplatz begleiten?«, fragte sie leise. In ihrer Stimme klang eine leise Furcht.

Er sah sie ernst an, hatte verdrängt, dass vorhin im ›Goldenen Schwan‹ der Hauptmann der Wache vorbeigekommen war und ihm gesagt hatte, dass er am nächsten Tag einiges zu tun hätte. Er hatte Marie davon erzählt und schüttelte den Kopf.

»Marie, ich liebe dich. Aber ich habe Angst, dass du den Mann, der dort morgen seine Arbeit tut, verachten wirst. Ich weiß, du hast mir schon dabei zugesehen. Aber jetzt … ich möchte nicht, dass du den Mann siehst, der Hände abschlägt, Ohren und Zungen herausreißt und was ich noch für schreckliche Dinge tun muss.«

Sie nickte und atmete auf. Sie verstand ihn, er hatte Recht. Auch sie hatte Angst, dass diese Bilder dann zwischen ihnen stehen würden.

»Aber du gibst ihnen vorher etwas, oder?«, frage sie schüchtern.

»Ja, Marie. Solange der Vogt nichts anderes befiehlt, mache ich es ihnen so leicht, wie es mir möglich ist.«

Sie kuschelte sich wieder an ihn.

»Und auch dafür liebe ich dich.«

Er überlegte kurz.

»Wenn du möchtest …, ach nein, das ist keine gute Idee«, verwarf er den Gedanken, den er gehabt hatte, wieder.

»Was denn? Sag schon, sonst werde ich böse!«

Er lachte. Aber sie knuffte ihn heftig.

»Los, du grober Klotz. Sag schon!«

»Na gut. Wenn du magst, dann zeige ich dir, wie man verschiedene Tränke bereitet, Salben und Tinkturen. Dann habe ich mehr Zeit … um … um dir …«

Er grinste wieder. Marie verstand.

»Du meinst, um mir den Verstand rauszuvögeln?«

Jetzt wurde er rot. Manchmal verwirrte seine Frau ihn. Erst gestern hatte er sie entjungfert und heute warf sie mit Wörtern um sich, die er meistens nur in Männerrunden im Gasthaus hörte. Dann lachte er.

»Ja, irgendwann gelingt es mir vielleicht sogar.«

Marie musste darüber so sehr lachen, dass sie auf den Rücken fiel. Doch dann wurde sie plötzlich ernst, setzte sich abrupt auf. Siedend heiß war ihr etwas eingefallen.

»Magdalena! Wir müssen ihr helfen! Du weißt doch so viel über Heilung, kennst du denn nicht irgendetwas, was ihr helfen könnte?«

Matthias schüttelte bedauernd den Kopf.

»Ich kann Wunden heilen, auch wenn sie brandig werden, ich kann ausgekugelte Gelenke und Brüche richten, ich weiß auch, was Fieber lindert und Unpässlichkeiten, aber ich habe keine Ahnung von richtigen Krankheiten. Ich bin kein Medicus.«

Maries Gesichtsausdruck wurde trotzig.

»Ich setze mich nicht einfach daneben und schaue zu, wie sie stirbt! Es muss irgendetwas geben! Was ist mit dem Chirurgen, der hat doch studiert.«

Matthias schmunzelte über ihre Beharrlichkeit.

»Und entsprechend sind auch seine Preise. Die er noch einmal anheben würde, wenn jemand zu ihm käme, der seinem guten Ruf schaden könnte.«

Seine Frau versank in kurzes Grübeln, dachte an den Bauern, von dem sie die Hühner bekommen hatte.

»Kannst du ihm nicht auch irgendwie einen Gefallen tun? Füchse wird er wohl eher keine zu erlegen haben ... aber braucht er nicht ab und zu was, um daran zu üben? Kein Chirurg kann alles, jeder muss doch üben! An Leichen kommst du doch einfach heran!«

Matthias war schockiert. Dafür, dass sie bis vor ein paar Wochen als Magd im vornehmsten Haus am Ort gearbeitet hatte, war Marie überraschend kompromisslos veranlagt. Sie sah ihn wieder mir ihren schönen blauen Augen an. Und er wusste, er hatte, mal wieder, verloren. Sie gurrte jetzt wieder.

»Oder möchtest du wieder eine Belohnung?«

Er lachte.

»Ich habe die größte Belohnung, die man sich nur wünschen kann. Dich als meine Frau zu haben.«

Marie wusste keine Antwort darauf. Sie kuschelte sich einfach an ihren Mann und schlief ein.

Der Henker von Rothenburg: Verrat in Rothenburg

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