Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Verrat in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 15
7. Kapitel
ОглавлениеAls es dunkel wurde, begann ein neues Fest in der Stadt. Wieder waren alle Gasthäuser voll bis auf den letzten Platz. Matthias hatte seiner Frau versprochen, sich mit ihr gemeinsam die Gaukler anzusehen. Marie lachte sich über die Späße der lustigen Gestalten halb tot, während Matthias sich mehr darauf konzentrierte, mögliche Gauner im Blick zu behalten.
Im Schatten der Vogtei kauerte zur selben Zeit ein junger Mann. Seit mehreren Tagen lauerte er hier und versuchte, einen Weg hineinzufinden. Und er hatte ihn gefunden.
Der Beobachter war sich sicher, dass hinter einem der Fenster im oberen Stock das Zimmer der Person war, an der er Rache für den Tod seiner Gefährten nehmen wollte.
Er hatte die Runden der Wachen genau im Kopf. Als die Wachmänner ihn passiert hatten, schlich er sich geräuschlos an die Vogtei. Dort war ein Spalier mit wildem Wein, das genau bis an das Fenster reichte, zu dem er wollte. Dazu wurde das Spalier von außen durch einen hohen Baum verdeckt, der allerdings zu weit weg von der Mauer war, um ihn zum Hinaufsteigen benutzen zu können.
Er sah sich noch einmal um, dann kletterte er vorsichtig höher. Als er unter dem Fenster angekommen war, wusste er, dass er sich nicht getäuscht hatte, es stand offen. Vorsichtig schob er sich höher.
Als er durch die Öffnung sah, nickte er. Auf dem Bett lag tatsächlich die Person, zu der er wollte: Elsa Steiner!
Sie schnarchte wie ein betrunkener Landstreicher. Bei jedem Atemzug hob sich ihre Brust, blieb einen Moment still, dann senkte sich der Brustkorb wieder. Dazu gab sie ein merkwürdiges Pfeifen von sich. Der junge Mann verharrte reglos und betrachtete die Frau des Vogtes. Sie trug ein langes, wollenes Nachthemd, das ihr bis über die Taille hochgerutscht war. Die Bettdecke war auf den Boden gefallen. Er verzog das Gesicht.
›Kein schöner Anblick‹, dachte er sich.
Elsa Steiner drehte sich zur Seite, das Schnarchen hörte auf. Leise stieg er in den Raum, stellte sich an das Fußteil des Bettes, wartete geduldig. Dann drehte die Frau sich wieder auf den Rücken, das Schnarchen begann von vorne. Das war die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Schnell sprang er auf das Bett, kniete sich über die Frau, die Beine links und rechts neben sie, presste die linke Hand auf ihren Mund. Mit der rechten hielt er ihr sein Messer an den Hals.
Elsa erwachte und riss die Augen auf. Was war das? Wer wagte es, sie des Nachts in ihrem eigenen Bett zu überfallen? Wollte ihr Mann sich etwa mit Gewalt nehmen, was ihm seiner Meinung nach zustand? Aber das würde sie niemals zulassen.
Doch dann erkannte sie, wer da über ihr kniete. Entsetzen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie fürchtete sich beinahe zu Tode, wollte schreien, aber der junge Mann hielt ihr weiter den Mund zu.
»Keinen Ton!«, herrschte er sie an. »Sonst ramme ich Euer Gnaden das Messer durch den Hals in Euren verdammten Kopf, verstanden? Und glaubt mir, es wird mir Vergnügen bereiten, Euch abzustechen!«
Elsa nickte leicht und der Mann nahm die Hand von ihrem Mund.
»Du …«, presste sie hervor.
»Ja, ich. Damit habt Ihr wohl nicht gerechnet.«
Elsa Steiner überlegte. Sie war klug genug zu wissen, dass eine Einschüchterung sinnlos war.
»Was willst du?«
Er lachte freudlos auf.
»Das Geld, das Ihr mir und meinen toten Freunden schuldet. Ansonsten … ich glaube, Euer Ehemann wird bestimmt sehr verwundert aus Seiner Gnaden Anzug schauen, wenn er Euch hier mit durchgeschnittener Kehle findet!«
In Elsas Kopf rasten die Gedanken. Sie hatte eine Erwiderung auf der Zunge, schluckte sie aber hinunter.
»Hast du einen Namen?«, fragte sie sanft.
»Meist nannte man mich Bursche, aber getauft bin ich auf den Namen Thomas.«
Sie entspannte sich.
»Nun, Thomas, du sollst dein Geld bekommen.«
»Nicht nur meines!«
»Auch das deiner Freunde. Denn du hast es dir verdient. Sie waren zu dumm, oder?«
Er wurde unsicher. Was meinte sie?
Elsa spürte, dass sie die Situation langsam wieder in den Griff bekam. Sie redete weiter.
»Ihr hättet nichts weiter tun müssen als beim Schreiber auszusagen, dass ihr die Hexe gesehen habt. Dafür hatte ich euch bezahlt. Den Rest solltet ihr bekommen, wenn sie brennt. Aber was haben deine dummen Freunde gemacht? Sie haben sich betrunken und dann mit dem Henker angelegt.«
Thomas nickte. Ja, das war dumm gewesen.
»Sag, Thomas, möchtest du nicht mit mehr Gold, als du je gesehen hast, als freier und reicher Mann Rothenburg verlassen?«
Er zögerte, spürte, wie sie ihn einlullte.
»Du kannst dir damit alle Mädchen kaufen, die du möchtest. Oder auch junge Burschen.«
An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass sie richtig vermutet hatte. Es war ihr sofort aufgefallen. Die engelsgleichen Züge, die weichen Augen, sein Gehabe. Er drückte ihr das Messer stärker unters Kinn.
»Ich bin kein verdammter Sodomit!«
»Nein, das bist du nicht, natürlich nicht.«
So, wie die anderen drei mit ihm umgegangen waren, hatte sie erkannt, dass er des Öfteren hatte stillhalten müssen. Und darauf baute sie jetzt.
»Ich habe einen Vorschlag.«
Er nickte.
»Raus damit, du Hure.«
Sie lächelte.
»Die Hexe lebt immer noch. Bisher ist es noch niemandem gelungen, sie zu töten. Auch ein gedungener Mörder hatte leider keinen Erfolg. Aber du, du könntest ihn haben, wenn du das tust, was ich sage.«
»Und was ist für mich drin?«
»Gold! Ein Pferd! Freies Geleit! Was du möchtest.«
Er überlegte.
»Und was muss ich tun?«
Die Vogtin legte ihm ihren Plan auseinander. Thomas hörte aufmerksam zu. Die Sache gefiel ihm. Er konnte reich werden.
»Vergiss nicht: Sie müssen alle sterben! Die Hexe und dieser verdammte Henker! Ich will, dass sie tot sind! Verstehst du? Und ich will auch diesen verdammten Sodomiten, der nur kleine Jungs in den Arsch fickt, tot sehen! Dieser verkrüppelte Hurensohn von einem Schreiber! Wenn du das tust, wirst du reicher sein, als du es dir je erträumt hast.«
Elsa wusste, damit traf sie einen wunden Punkt in ihm. Wie sie das sah, war Thomas oft genug auf diese Weise genommen worden. Und da er sich an denen, die ihm das angetan hatten, nicht mehr rächen konnte, würde Popolius die ganze angestaute Wut zu spüren bekommen. Nach einer Weile nickte er.
»Eine Sache noch: Ich will ein Gut!«
»Du wirst es bekommen. Wenn du den ersten Teil deiner Aufgabe erfüllt hast, werde ich dir zeigen, wo die Urkunde dafür ist. Es wird dir niemand mehr nehmen können.«
Er stieg von ihr herunter, wandte sich zum Gehen, hob aber zuvor noch einmal sein Messer.
»Wenn Ihr mich betrügt, dann werde ich es Euch zwischen Eure Beine stoßen, bis es zum Hals wieder hinauskommt!«
Dann ging er rückwärts zum Fenster, sah kurz hinaus und verschwand.
Elsa sah ihm nach, grinste teuflisch.
»Mein Junge, ich glaube, du weißt gar nicht, mit dem du dich eingelassen hast.«