Читать книгу Der Henker von Rothenburg: Verrat in Rothenburg - Werner Diefenthal - Страница 18

10. Kapitel

Оглавление

An einer anderen Ecke der Stadt verbrachte Popolius wieder einmal eine schlaflose Nacht. Er wusste nicht mehr, wann er das letzte Mal wirklich erholsam geruht hatte.

Er stand am Fenster und starrte hinaus, wo Betrunkene durch die Kopfsteinpflastergassen stolperten und mehr als einer einfach dort liegen blieb, wo er hinfiel und einschlief. Ob er sich auch volllaufen lassen sollte? Vielleicht würde er dann endlich einmal Ruhe finden! Wirre Albträume störten seinen Schlaf jede Nacht, Angstträume, in denen es an der Tür klopfte.

Wenn er öffnete, stand auf der anderen Seite entweder der zwielichtige Kerl, dem er das Messer in den Leib gestoßen hatte, blutend und halb verwest, um anklagend auf ihn zu zeigen, oder aber Matthias, der ebenfalls mit dem Finger auf ihn zeigte und ihn des versuchten Mordes an seiner Frau bezichtigte.

Popolius wusste nicht, welche Version des Traumes er bevorzugte. Aus beiden schreckte er stets schweißgebadet und mit heftig schlagendem Herzen hoch.

Seit der Markteröffnung hatte der Schreiber überhaupt kein Auge mehr zugetan. Er hatte die Gesellschaft von Elsa Steiner zwar gemieden, aber auch ihm war klar, dass sie vor Wut kochte, nachdem sie gesehen hatte, wie herzlich Matthias und Marie einander zugetan waren.

Und dann die Sache mit dem Sitzpranger! Für Popolius war der Ausgang dieser Bestrafung eine persönliche Katastrophe gewesen. Das Getratsche war augenblicklich wieder losgegangen. Matthias hatte noch nie auf den Sitzpranger bestanden und in der Stadt hatte sich sofort die Geschichte, Marie habe ihn dahingehend beeinflusst, wie ein Lauffeuer verbreitet. Sie hätte den Henker verhext, hieß es nun. Ganz besonders abenteuerliche Geschichten behaupteten gar, es sei ihr um das ungeborene Kind der Kaufmannstochter gegangen, das sie für ihre Zauberrituale haben wollte. Kinder der Sünde waren dafür angeblich besonders geeignet.

Und solche Geschichten zur Marktzeit, während Dutzende von Fremden in der Stadt waren! Ein einziger Kaufmann, der auf der nächsten Burg darüber tratschte, dass in Rothenburg eine Hexe ihr Unwesen triebe, und die Inquisition stand praktisch schon vor den Stadttoren.

Popolius wurde übel. Für einen Moment war er geneigt, hinaus zu den Gauklern zu gehen und sie zu fragen, ob sie nicht einen Narren gebrauchen konnten und dann einfach auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.

Dann aber gab er sich einen Ruck. Warum sollte er büßen? Es war viel einfacher - Marie musste tatsächlich sterben. Dann waren alle seine Probleme gelöst.

Es musste doch möglich sein, in den Wirren des Marktes einen Verbrecher zu finden, der sein Handwerk beherrschte! Popolius nahm seinen Mantel und verließ im Schutz der Dunkelheit das Haus. Das Augenpaar, das zu einem blonden Mann gehörte, bemerkte er nicht.

Thomas folgte Popolius lautlos durch die Nacht. Wo wollte der Krüppel hin, fragte er sich. In der Nähe des ›Goldenen Schwans‹ hielt Popolius inne und sah sich um. Langsam näherte er sich dem Hintereingang. Ein weiterer vorsichtiger Blick, dann öffnete er die Tür. Im Inneren kam ihm eine der Dirnen entgegen und sah ihn an.

»Oh! Ihr hier? Wartet!«

Kurz darauf später erschien die knabenhafte Frau, die Popolius immer zu Diensten war.

»Mit Euch habe ich nicht gerechnet«, sagte Regine mit leiser Stimme. »Wollt Ihr, dass ich mit Euch gehe?«

Er nickte nur und klaubte einen kleinen Beutel mit Geldstücken aus dem Mantel, warf ihn der jungen Frau zu. Diese steckte ihn ein, hakte sich bei Popolius unter und ging mit ihm gemeinsam zu seinem Haus.

Thomas sah die beiden aus der Tür kommen.

»Nanu, ich dachte, der gute Popolius fickt nur kleine Jungs«, murmelte er. Doch er folgte ihnen.

Am Haus des Schreibers angekommen kletterte er auf ein Hausdach. Lautlos wie eine Katze bewegte er sich, verursachte kein Geräusch. Von dieser Position konnte er das Schlafzimmer sehen.

Und dann verstand er. Die Dirne, die der Schreiber mitgenommen hatte, spielte einen Jungen. Sie war so mager, dass es tatsächlich rein optisch keinen großen Unterschied machte. Er beobachtete, wie der Schreiber sich mit ihr vergnügte. Lange brauchte er nicht. Schon nach ein paar Minuten zog er sich wieder an, die Frau erhob sich, richtete die Hosen und verschwand.

Thomas hatte genug gesehen. Ihn schauderte bei dem Gedanken, dass er es vielleicht mit diesem hässlichen, kleinen Kerl treiben müsste, aber zur Not würde er es tun.

Doch nur, um sein Ziel zu erreichen. Und auch nur, wenn es keine andere Möglichkeit gab. Zu oft hatte er in der Vergangenheit seinen Kumpanen auch in dieser Hinsicht dienen müssen.

»Nur dieses eine Mal, wenn es sein muss.«

Danach würden nur noch junge, hübsche Mädchen sein Bett wärmen. Doch wenn er es geschickt anstellte, könnte er ihn töten, bevor es zum Äußersten kam. Eine Idee keimte in ihm auf und er nickte zufrieden, dann kletterte er vom Dach und verschwand lautlos in der Nacht.

Der Henker von Rothenburg: Verrat in Rothenburg

Подняться наверх