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Aller Anfang ist schwer - Von Walter Forstmann
ОглавлениеIm August 1914 zog ich mit U 12 in den Krieg. Unsere Stimmung war schlecht. Dieses ewige aussichtslose Kringeln um Helgoland herum! Halt, nicht übertreiben — einmal durfte ich die Nase ins Skagerrak stecken, und ich dehnte diesen Ausflug auf eigene Faust bis auf die Höhe von Stavanger aus. Im Allgemeinen aber hielt man sich für den bestimmt erwarteten Angriff der Engländer in den heimischen Gewässern klar. Doch auf dem Wasser sah es ganz anders aus, als wir es uns im Frieden hatten träumen lassen. Man dachte sich große, entscheidende Seeschlachten und sah sich selbst als U-Boot-Kommandant zwischen den feindlichen Geschwadern mit Torpedos wirken, dass es nur so krachte. Aber alles wurde ja anders, denn die „Fleet“ wagte sich nur einmal im Nebel in die Nähe von Helgoland.
So hatte ich bis Anfang November vom Feind eigentlich noch nichts gesehen. Allerlei Dampfer waren mir wohl vor den Bug gekommen, doch die ließ ich laufen. Wir wussten ja noch nichts vom englischen Aushungerungsplan. Endlich bekam ich aber Befehl, U 12 an die feindliche Küste zu führen. Wir konnten uns nur ganz unvollkommene Vorstellungen von der feindlichen Gegenwirkung, der Minengefahr und der Bewachung des Englischen Kanals machen. Ausgerechnet auf dieser langersehnten Fahrt herrschte ein derartiger Weststurm und Seegang, dass ein Vorstoß in den Kanal aussichtslos war. Deshalb suchte ich mir unterwegs ein Ersatzunternehmen und beschloss, in die „Downs“ vorzustoßen, die vor Westwinden geschützt liegen. Wenige Seemeilen östlich Dover bei Kap South Foreland biegt die englische Küste nach Norden um. Die „Downs“ nennt man die schmale Fahrrinne, die zwischen der Küste von Kent und dem flachen Goodwin-Sand nach der Themse fuhrt. Allerdings war hier mit starken Strömungen zu rechnen.
Tatsächlich wurde trotz des draußen herrschenden Orkans so dicht unter Land der Seegang viel ruhiger. Mehrere Dampfer und Segler sah ich durch das Sehrohr vor Anker liegen, aber von einem Kriegsschiff war nichts zu sehen. „In 10 Minuten sind wir querab von Deal, Herr Kapitänleutnant! Wir müssen dann kehrtmachen. Da oben wird es zu flach“ meldete Steuermann Rath. Der gute Mann schwitzte förmlich vor Eifer an seiner Karte. Er hatte es auch wirklich nicht leicht bei meinen vielen Ausweichmanövern in dem sehr schwierigen Fahrwasser. An Backbord vier Strich voraus sehe ich dicht am Wasser die kleine Stadt mit ihren weißen Häusern, ein paar Schornsteinen und Kirchtürmen. Ja, bald ist der Reinfall fertig, und wir können wie die begossenen Pudel wieder abziehen! Noch einmal sehe ich scharf die See ab: Dampfer, Segler, Segler, Dampfer, wohin ich auch das Sehrohr drehe. Dicht vor Deal liegt ein grünes Wrackschiff. Doch halt! — Was kommt jetzt von diesem frei? Ein flaches Fahrzeug! Rahen tragen seine Masten. Das Ist kein Dampfer! Den Kahn will ich mir doch genauer ansehen. „Steuermann, wir müssen noch eine Seemeile weiter. Geht’s?“ frage ich hastig. „Dann ist’s aber auch allerhöchste Zeit, sich zu verdrücken, Herr Kapitänleutnant. Sonst kommen wir bestimmt auf Dreck.“ — Wir kurbeln also weiter. Zweifellos ist es ein Kriegsfahrzeug, das ich nun nicht mehr aus dem Sehrohr lasse. Es bewegt sich nicht, liegt unter Land vor Anker oder nur gestoppt. — Donnerwetter! — Ein Torpedoboot oder ein kleiner Kreuzer scheint es zu sein!
Beschleunigt wird ein Bugrohr klargemacht. Die Entfernung ist allerdings verdammt groß, aber heute gilt’s. Auf etwa 1800 Meter heran. „Los“ brülle ich und schon gibt es einen kleinen Ruck, — mein erster Kriegstorpedo zieht von dannen. „Wahnsinnig weit!“ Schimpfe ich vor mich hin und verfolge in höchster Spannung die Bahn des Torpedos. Einmal durchbricht er hochaufspritzend die Wasseroberfläche, aber tadellos gerade steuert er seinen weiten Weg zum Engländer. Da — ein scharfer Knall im Boot — und drüben unterhalb der Brücke steigt eine weiß-schwarze Sprengwolke in die Höhe. Treffer!
Ja, Dusel gehört nun mal zum Geschäft. Wunschlos glücklich sind wir alle! Jetzt ist der Bann gebrochen, unser erster Treffer geschafft! — „Wir müssen kehrtmachen, Herr Kapitänleutnant!“ mahnt Rath. „Steuerbord 20 auf Südkurs gehen!“ — Aber das getroffene Schiff mag ich noch nicht aus dem Sehrohr lassen. Ich bin zu gespannt, wie jetzt die Geschichte weitergeht. Es ist 12 Uhr mittags. Wir mögen ihnen tüchtig die Suppe versalzen haben. Eine lebhafte Bewegung entsteht auf den Dampfern, Boote werden zu Wasser gelassen und pullen zu unserem Opfer. Auch von Land eilt man mit allerhand Fahrzeugen zu Hilfe. „Auf 20 Meter gehen!“ Keinesfalls darf die Richtung bemerkt werden, in der wir uns entfernen. Aber allzu lange halte ich es da unten nicht aus. Ich will doch melden können, ob der Gegner gesunken ist. „Auf 10 Meter gehen!“
Die Tiefenrudergänger waren wohl vom Jagdfieber etwas durchgedreht, jedenfalls kam U 12 zu hoch heraus und wurde von einem Zerstörer gesehen. Der kam nicht schlecht angebraust! Plötzlich ein dumpfer, eigenartiger Ton, von oben herkommend, und dann ein knarrendes Kratzen und Scharren, und tief wurden wir heruntergedrückt. Scharf horchten wir auf, doch nichts erfolgte weiter. Ein schwerer Gegenstand musste auf uns geworfen oder über das Boot geschleppt worden sein. Wie mir die Leute vom Vorschiff später meldeten, hatten sie ein Schlieren von Ketten über Oberdeck deutlich gehört. Na, es war noch einmal gut gegangen, aber beschleunigt verließen wir den Platz und blieben auf großer Tiefe, bis es dunkel geworden war. Am nächsten Mittag machte U 12 als erstes deutsches Unterseeboot in Zeebrügge fest. Auf der Mole hatten sich ein paar Kameraden zum Empfang eingefunden. „Sind Sie einen Torpedo losgeworden?“ rief mir gleich ein Neugieriger zu. „Geschossen und getroffen habe ich wohl, aber wen und was, kann ich euch wirklich nicht verraten!“ — „Mensch, da haben Sie ja das englische Torpedokanonenboot ‚Niger’ versenkt! Heute Nacht hat es die englische Admiralität in alle Welt gefunkt!“
Alles beglückwünschte uns. Bald brachte mich ein Kraftwagen nach Brügge, wo ich mich beim Führer des Marinekorps melden musste. Nach meiner Berichterstattung überreichte mir Exzellenz v. Schroeder mit wohlwollenden Worten in allerhöchstem Auftrag das Eiserne Kreuz. Ich muss gestehen, ich war stolz und bewegt. Einige Zeit später erhielten 12 Mann meiner Besatzung, der Bootsnummer entsprechend, die gleiche Auszeichnung.