Читать книгу Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon? - Wiglaf Droste - Страница 5
ОглавлениеAngedacht
»Wir hatten das so angedacht«, sagt der junge Mann, und es fällt ihm dabei gar nichts auf oder ein. Im Gegenteil; er hält das für völlig normal und für eine selbstverständliche Redensart: »Wir hatten das so angedacht.« Wer aber behauptet, er habe »etwas angedacht«, teilt auf diese Weise mit, dass er sich nicht das Geringste gedacht hat, sondern wahllos alles an sich gerakt hat, was an Ideenfetzen gerade so herumschwirrte und das er nun mit großer Geste in den Ventilator wirft: »Wir hatten das so angedacht.«
Wer etwas »angedacht« hat, betreibt Brainstorming ohne Brain. Er unterzieht sich eben nicht der schönen Mühe eines Gedankens, sondern kratzt bloß eklektizistisch zusammen, was er zufällig aufgeschnappt hat und das diffus durch seine Birne wabert. Diesen Wirrsing schiebt er als Schwarzen Peter jemand anderem zu – »wir hatten das so angedacht und jetzt bist du dran« –, der die Sache aufdröseln und ihr Gehalt und Struktur geben soll. Wer »angedacht« hat, ist ein Denkfaulpelz oder ein raffinierter Schlaumeierdummkopf, der andere für sich arbeiten lässt und anschließend aber eine geistige Urheberschaft für sich reklamiert, für die ihm jegliche Voraussetzung fehlt. »Angedacht« kommt von Andenken, und die gibt es im Andenkenladen, auch Souvenir-Shop genannt. Genau da gehört das Vakuum ja auch hin, das sich als »angedacht« aufplustert und bläht.
Wenn einer sich mit der Drohung »Wir hatten das so angedacht« nähert, ist auch simple Dreistigkeit mit im Boot; wer sich arglos oder aus Unachtsamkeit mit »Angedachtem« ankobern und anheuern lässt, darf anschließend entfremdete Denkarbeit leisten für substanzfreie Windmacher, die nichts wissen außer dem Einen: wie man andere für sich arbeiten lässt und wie man »ein Projekt anschiebt«, das man zuvor »angedacht« hat.
Wenn man die Angeberstanze »Ich habe ein Projekt« ins Deutsche übersetzt, heißt sie: Ich will nicht arbeiten, aber gern darüber reden und vor allem andere dazu überreden, die eventuell anfallende Arbeit dann möglichst unbezahlt zu erledigen zugunsten dessen, der »das Projekt angedacht und angeschoben« hat. Wenn mehrere solcher Windeier und Blasebalge zusammenkommen, entsteht die größtmögliche denkbare Gedankenferne. Sie heißt Marketingabteilung.