Читать книгу Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon? - Wiglaf Droste - Страница 7
ОглавлениеAbsolut affirmativ
»Absolut!«, erklärt mein Gegenüber im Brustton der Überzeugung, mit einer felsen- und feuerfesten Stimme, in der für keinen Unter- oder Zwischenton Platz ist, für keinen noch so leisen Zweifel. Jede Silbe wird einzeln und dezidiert gesprochen: »Ab-so-lut!«, da hört man das Ausrufungszeichen mit, da bleibt keine Frage offen.
Die uneingeschränkte Zustimmung beherrscht die Kommunikation. Die Formel »Absolut« kann rhetorisch variiert werden; dann wird sie ersetzt durch »Definitiv!«, durch »Perfekt!« oder durch das beispringende »Auf jeden Fall!«. Manchmal wird sogar alles zum Einsatz gebracht: »Absolut perfekt. Auf jeden Fall. Definitiv!« Der Affirmant reißt sich vor Begeisterung schier die Beine aus, und der Adressat bricht unter Beipflichtungsbeschuss zusammen. Wieviel Bestätigung kann ein Mensch vertragen, ohne dass sie in ihm den Eindruck erweckte, eventuell auch sarkastisch gemeint zu sein, ironisch oder spöttisch?
Offenbar jede Menge. Die meisten Menschen empfinden noch die durchsichtigste Zustimmung als angenehm, während sie sachliche Zweifel oft als generelle Skepsis gegenüber ihrer eigenen Person wahrnehmen. Psychologisch, also Sprache und Logik der Seele folgend, ist das so simpel wie einleuchtend: Die uneingeschränkt freudige Affirmation löst ihrerseits Freude aus; sie scheint den Eindruck von großer Klarheit und Souveränität zu erwecken. Wenn einer »absolut!« sagt und »definitiv!«, dann suggeriert er damit, dass er genau wisse, was er wolle. Stimmt das? Könnte nicht das Gegenteil der Fall sein? Dass also einer, der bedingungslos Ja sagt, sich einfach nur anschließt, weil er keine eigene Haltung hat?
Muss man nicht eher argwöhnisch werden, wenn niemand mehr eine Frage hat oder einen Einwand? Doch wer nachfragt, wird schnell als »Bedenkenträger« und als »Bremser« diskreditiert. Wenn einfache Lösungen gesucht werden, sind Fragen nicht opportun. Es geht um Zustimmung, und zwar um hundertprozentige. In der Berliner Mundart heißt das: »Aba hundert pro, Alta!« Andere bemühen sogar gleich »tausend Prozent«, als ob maßloses Übertreiben eine vertrauensbildende Maßnahme wäre. Tausend Promille sind schon realistischer; »Absolut« ist ja auch der Name einer schwedischen Wodkamarke.
So sehr der modische Bestätigungsjargon der »Definitiv«-Sager auch am klaren Bewusstsein seiner Benutzer beziehungsweise seiner »User« zweifeln lässt, hat er doch immerhin anderes affiges Vokabular verdrängt. Die Zeiten, in denen fast alle Welt zustimmend »Touché!« sagte (und dabei meist auch noch einen Zeigefinger in Anschlag brachte), sind zum Glück verstrichen. Auch »d’accord!« oder, noch wichtigtuerischer, »Da bin ich voll d’accord!«, kommt nur noch so selten zur Anwendung wie die Wendung »Da gehe ich mit dir konform«. Die Konformgeherei hat einen so anzüglichen Ton, dass die Verballhornung zu »Da gehe ich mit dir kondom« nicht ausbleiben konnte.
In der zum Fernseh-Talk herabgesunkenen Kommunikation hat sich eine Floskel etabliert, die Affirmation mit Sensibilitätssimulation verbindet: »Da bin ich ganz bei Ihnen«, oder, noch schwüler und auf die Pelle rückender: »Da bin ich ganz bei dir.« Es klingt, als ob ein Intimitäter seinem Gegenüber eine absolut unerwünschte Hand aufs Bein legte. Aber definitiv.