Читать книгу Sprichst du noch, oder kommunizierst du schon? - Wiglaf Droste - Страница 6
ОглавлениеGeld oder Gelder?
Geld ist ein unbestimmter Begriff. Wenn einer sagt, er habe Geld dabei, kann es sich um einige Euros handeln oder um tausende davon. Man weiß es nicht, der Begriff Geld ist quantitativ vage. Klar ist allerdings, dass er einen Plural meint. Ein Geld gibt es nicht, außer in der Kinder- oder Scherzfrage: »Kannst du mir ein Geld borgen?«
Wenn aber von öffentlichem Geld zu hören oder zu lesen ist, bekommt dieses Geld einen Plural, den es sonst nicht hat oder benötigt: Gelder. Fördergelder, die beantragt werden, Gelder, die bewilligt worden sind, oder Gelder, die veruntreut wurden. Öffentliche Gelder sind offenbar etwas ganz anderes als privates Geld.
Nie hörte man in einem Krimi jemanden knurren: »Gib mir meine Gelder zurück!«, »Her mit den Geldern!«, »Gelder oder Leben!«, niemals den Seufzer »Schade um die schönen Gelder!« Auch der anerkennende Satz »Der verdient da gute Gelder« blieb bisher ungesagt, wobei auffällt, dass verdientes Geld offenbar »gut« ist, zerronnenes Geld durch anhaltenden Verlustschmerz aber sogar »schön« werden kann. Noch niemals wurde jemandem nachgesagt, dass er »richtige Gelder mache«, und in keinem Wirtshaus der Welt ertönte die bange oder auch nur geheuchelte Frage: »Hast du Gelder dabei? Ich habe meine Gelder zuhause vergessen!«
Wer hätte je behauptet, dass »Bargelder lachen«, dass »Gelder allein nicht glücklich machen«? Forderte Gunter Gabriel etwa »Hey Boss, ich brauch’ mehr Gelder«? Auch unter der Belehrung durch ältere Menschen, dass fünf Mark »früher viele Gelder waren«, musste noch kein Jüngerer leiden. Immer ist, wenn es um privates Eigentum geht, ausschließlich von Geld die Rede, niemals von Geldern, es sei denn, man spräche von der deutschen Stadt Geldern an der niederländischen Grenze.
Der private Mensch hat, braucht oder giert nach Geld; Geld will er, nicht Gelder. »Das ist mein Geld!«, sagt er und meint damit gewöhnlich: meinsganzalleins.
Kein Mensch wird dafür beneidet, »Gelder wie Heu« zu haben, kein Verlust »geht in die Gelder«, und selbst der derbste Volksmund unterstellt niemandem, nicht einmal dem Teufel persönlich, er könne »Gelder scheißen«, auch wenn das, gerade für die öffentliche Hand, eine gute Gabe wäre.
Beim öffentlichen Geld ist das anders; hier ertönt der Lockruf der Gelder, die man der öffentlichen Hand entnehmen kann: Gelder, die wiederum aus »Töpfen« stammen, in denen sie offenbar sehr altmodisch aufbewahrt werden. Wenn einer von Geldern spricht, meint er niemals sein Geld, sondern solches, das er sich vielleicht verschaffen kann, durch beantragen und bewilligt bekommen oder, wenn er den Bogen raus hat, durch veruntreuen.
Die Dreistesten unter der Sonne wandeln Gelder in Geld, parken es weg, zeigen dann vorwurfsvoll ihre leeren Taschen vor, reklamieren Hilfe für sich und fordern: Gebt uns Gelder, die uns zustehen, denn wir machen sie zu Geld! Und genau so geschieht es dann, immer und immer wieder.
Gelder sind öffentlich virtuell, Geld ist konkret und privat. Es heißt schließlich: Geld regiert die Welt. Und nicht: Gelder regieren die Wälder.