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Sittliche Tatsachen

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Es gibt viele Arten von Tatsachen. Eine mit den ethischen oder sittlichen Tatsachen eng verwandte Menge von Tatsachen ist die, die wir in den Gesetzestexten finden. Wenn wir zum Beispiel an das Strafrecht in unserem Land denken, da werden viele Delikte als nicht nur verachtenswert sondern verurteilenswert betrachtet. Ein Tötungsdelikt und das, was für dieses Tötungsdelikt als Strafe angenommen wird, wird ebenfalls – so wie ich es gerade erklärte – wie eine Tatsache behandelt. Die „Tatsächlichkeit“ wird also in vielen Zusammenhängen vorausgesetzt, obwohl sie nicht dem entspricht was zum Beispiel die „Tatsächlichkeit“ eines Tisches ausmacht.

Nicht nur das, was wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können, sind Tatsachen, sondern auch das, was wir Menschen als Regeln unseres Umganges, als Grundlagen unseres sittlichen Urteilens anerkennen.

Es ist also zu merken und man muss sich das, wenn man ethisch argumentiert, wirklich vor Augen führen, wann immer man vor einem Problem steht: Es gibt sittliche Tatsachen, auf die wir Bezug nehmen, deren Geltung nicht ableitbar ist. Wenn wir argumentieren wollen, dann nur, wenn wir diese Grundlagen auch akzeptieren. Wenn wir das nicht tun, nützen die schönsten Argumente nichts.

Wer zum Beispiel das Tötungsverbot nicht anerkennt, der mag vielleicht hochintelligent sein und sich wunderbar in der Literatur auskennen und in der Lage sein, alle möglichen schönen Argumente zu entwickeln, aber diese werden nicht viel taugen. Es fehlt ihnen das, was man „das Salz in der Suppe“ nennt. Es fehlt der eigentliche Kern der Argumentation. Dann mögen die Argumente noch so schön, so barock und beeindruckend sein, sie führen zu nichts. Sie führen zu keinem Ergebnis.

Rechtfertigungsprozesse sind aber nur deswegen, weil es Geltungsgrundlagen gibt, die nicht abgeleitet werden können, nicht weniger wichtig – nein. Das große Geschäft der Ethik ist der Rechtfertigungsprozess. Wir werden Beispiele kennenlernen, wo man sieht, dass Geltungsgrundlagen – so wie die Menschenwürde – in einer Gesellschaft wirklich anerkannt sind, wo wir aber feststellen müssen, dass die Anerkennung eigentlich keine Berechtigung hat.

Sie werden jetzt wahrscheinlich staunend fragen: Wie ist das möglich? Geltungsgrundlagen, die unabgeleitet sind, die aber dann doch nicht anerkennenswert sind? Wir werden solche Fragen zu stellen haben. Das heißt: Nicht alles was uns über die Sitte, über Religionen, über unsere Kultur an Geltungsgrundlagen tradiert, mitgegeben wurde, ist auch ethisch in jedem Fall in Ordnung. Da gibt es Probleme. Es kann Probleme geben. Wir brauchen da nicht nur an Problembereiche wie dem „Islamismus“ denken. Wir können diese Probleme auch zu Hause feststellen und dingfest machen.

Aber zunächst einmal muss man sich einfach nur darüber klar sein, dass es Geltungsgrundlagen gibt, die wie sittliche Tatsachen zu verstehen sind. Ohne sie taugen die wunderbarsten Theorien oder Argumentationen nicht wirklich und führen zu keinem Ergebnis.

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