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Im Kontext der Fotografie
ОглавлениеAuch wenn die Ursprünge der industriellen Entwicklung also im 18. Jahrhundert zu finden sind, steigern sich die Möglichkeiten und Methoden der Massenproduktion im 19. Jahrhundert nochmals erheblich. Eine der Früchte dieser Steigerung ist die bereits erwähnte Fotografie. Natürlich geht die Fotografie je nach Sichtweise bereits auf die Antike oder das Mittelalter zurück. Schon Aristoteles beschreibt im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in seinen Problemata Physica, wie durch eine Sonnenfinsternis eine Lichtbrechung entsteht, die den Prinzipien einer Lochkamera folgt. Um 980 nach unserer Zeitrechnung wird diese Beobachtung durch den arabischen Erfinder Alhazen in ein Experiment überführt – die Idee der Lichtbrechung, die er darin verfolgt, wird zentral für die Erfindung der Camera Obscura, die seit dem 11. Jahrhundert allmählich relativ weite Verbreitung findet. Bei der Camera Obscura, wörtlich Dunkelkammer, wird mittels eines kleinen Loches das von außen kommende Licht in die ansonsten dunkle Konstruktion gebrochen, sodass im Inneren ein Bild von außen an die Wand projiziert wird. Dieses steht den Lichtbrechungsgesetzen gemäß auf dem Kopf, jedoch können mit dieser Methode im Mittelalter erste ‚Abbilder‘ erzeugt werden – für das zeitgenössische Publikum eine kleine Sensation.
Im 17. Jahrhundert folgt die Erfindung der Laterna Magica, der magischen Leuchte. Diese dreht das Prinzip der Camera Obscura gewissermaßen um, indem die Lichtquelle nunmehr in einem Projektionskasten sitzt. Dort, wo das Licht austritt, können transparente Bildträger, meist aus bemaltem Glas, vorgespannt werden, wodurch das Resultat nunmehr an die Wand projiziert wird – unseren heutigen Projektoren gar nicht ganz unähnlich. Im 17. Jahrhundert noch ein Luxusprodukt, avanciert die ‚magische Laterne‘ 200 Jahre später, im 19. Jahrhundert, in Europa zum Massenmedium und damit zur Alltagserfahrung vieler späterer Rezipient:innen von Fotografie und schließlich Film.
Das Prinzip der Bildkammer, ein früher Vorläufer unserer Kinos, findet sich auch in den bemalten Schaukästen Louis Daguerres, den sogenannten Dioramen – diese teilweise begehbaren Räume simulieren eine Umgebung, die eigentlich aus einem anderen Kontext stammt, und fungieren so als frühe Formen virtueller Fiktionserlebnisse.
1826 wird in Frankreich die erste Fotografie angefertigt – sie wird in der Regel mit „La cour du domaine du Gras“ betitelt, da sie den Hof des Gutshofes von Le Gras abbildet, wenngleich die gängige deutsche Übersetzung vom „Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras“ ausgeht. Das Foto stellt Joseph Nicéphore Nièpce (1765–1833) her, der eine Camera Obscura verwendet, um eine mit Asphalt und Lavendelöl bestrichene Zinnplatte so stark zu belichten, dass darin die Kontraste des Bildes außerhalb quasi ‚eingebrannt‘ werden.
Nach dieser Pionierarbeit gibt es in den 1830er-Jahren eine ähnliche internationale Konkurrenz unterschiedlicher Konzepte, wie wir es in den 1890er-Jahren beim Film sehen werden. Das englische Negativ-Positiv-Verfahren, 1835 von William Fox Talbot entwickelt, steht den seit 1837 verfügbaren entwickelbaren Fotografien Frankreichs, nach ihrem Schöpfer Louis Daguerre als Daguerreotypien bekannt, gegenüber. Im deutschsprachigen Raum wird lichtempfindliches Chlorsilber-Papier verwendet, was nach einem der beiden Erfinder, Carl August von Steinheil, als Steinheil-Verfahren bekannt ist. Die andere Hälfte dieses adligen Entwickler-Duos ist Franz Ritter von Kobell.