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US-Mäzen unterstützt nationalen Freiheitsbestrebungen in Europa

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In den westlichen Medien werden heute Wohlhabende, die Teile ihres Vermögens für politische Ziele einsetzen und dabei auch wohltätigen Zwecken genügen, als Philanthropen bezeichnet. Demnach gelten u. a. die Milliardäre und Börsenspekulanten John D. Rockefeller, George Soros, Bill Gates und Warren Buffett als Menschenfreunde. Das mag dann auch auf den 1858 in Chicago geborenen Charles Richard Crane zutreffen. Er arbeitete in der von seinem Vater Richard T. Crane gegründeten Crane Company, einem »Global Player« in Sachen Sanitärprodukte. Schon früh entwickelte Crane jr. ein starkes Interesse für die verschiedenen Regionen des Osmanischen Reichs und die Freiheitsbestrebungen auf dem Balkan. Besonders fühlte er sich zu den slawischen Völkern und deren Kultur hingezogen. 1902 besuchte er Prag und lernte dort den Philosophieprofessor und Politiker Tomáš Garrigue Masaryk (1850–1937) kennen. Den Zusatznamen Garrigue hatte der 1878 nach seiner Hochzeit mit der Amerikanerin Charlotte Garrigue angenommen. Er besuchte oft die Vereinigten Staaten und dachte sogar daran, sich dort als Hochschullehrer oder Journalist niederzulassen.73

Aus einfachen Verhältnissen stammend, hatte der Sohn eines slowakischen Kutschers und einer deutschen Bauerntochter mithilfe des damaligen Polizeidirektors von Brünn das dortige deutsche Gymnasium und später das Akademische Gymnasium in Wien besucht. Das Studium der Philosophie in Wien und Leipzig schloss Masaryk 1876 mit Promotion ab. Nur zwei Jahre später habilitierte er sich mit einer Schrift über den Suizid. Politisch aktiv, zog er 1900 mit der von ihm gegründeten »Realistischen Partei« in den Reichsrat ein. An der Universität in Prag versuchte Masaryk, Studenten für eine Union von Tschechen und Slowaken zu gewinnen. Seine Anhänger gründeten als Sprachrohr das Journal Hlas (Stimme) und wurden daher Hlasisten genant. Die Unterstützung in der Slowakei blieb marginal. So reifte in Masaryk der Plan, die in den USA lebenden Slowaken – immerhin fast 500 000 – für den Freiheitskampf zu gewinnen. In dieser Phase knüpfte er Kontakte zu Henry W. Steed, einem Wien-Korrespondenten der Londoner Times. Diesen versorgte er mit nachrichtendienstlich relevantem Material für den britischen Geheimdienst.74


»Gutmensch« Charles Richard Crane (1858–1939) auf dem Cover des Time Magazine (© Abb. 6)

Aufgrund gemeinsamer Interessen freundeten sich der slowakische Politprofessor und der slawophile amerikanische Industrielle, der Fabriken in den USA und in Russland besaß, an. Noch im Jahr 1902 hielt Masaryk mithilfe der guten Beziehungen Cranes eine Vorlesungsreihe über das Slawentum an der Slawischen Fakultät der University of Chicago ab, die im Jahr 1907 fortgesetzt wurde.75 Neben Masaryk vermittelte Crane dem russischen Soziologen und Historiker Maksim Kovalewski sowie Pawel Nikolajewitsch Miljukow, ebenfalls Historiker, Gastprofessuren an der University of Chicago.

Nach seiner Reise auf den Balkan veröffentlichte Crane unter dem Titel »Macedonia’s Heroic Struggle for Freedom« im Dezember 1903 einen enthusiastischen Beitrag über die mazedonischen Freiheitskämpfer, die nach dem Vorbild der erfolgreichen Bulgaren aus den Bergen den verdeckten Kampf gegen die Türken wagten. Da sie mit Waffen und Munition gut versorgt wären, würde die türkische Armee eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihnen meiden. Aus Frust würden sich dagegen die türkischen Soldaten an der wehrlosen Dorfbevölkerung schadlos halten – eine Propagandasprache, wie wir sie heute auch noch erleben können. Am Ende seines Artikels gab Crane die Worte eines mazedonischen Ingenieurs wieder: »Mein Vater, meine Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern wurden von den türkischen Soldaten getötet, und so gibt es für mich nur noch eins, nämlich kämpfen, so lange ich stehen kann. Ich habe sieben Wunden, um die ich mich noch nicht kümmern konnte … Ich habe Mazedonien verlassen, um Patronen und Dynamit für meine Kameraden zu beschaffen, aber ich brenne darauf, so schnell wie möglich zurückzugehen und wieder zu kämpfen.«76

Im Juli 1909 schickte US-Präsident William Howard Taft Crane als Gesandten nach China. In einem Artikel der New York Times versprach der Unternehmer aus Chicago, Tafts »Politik der offenen Tür«77 in China umsetzen zu wollen. »Eines der vorrangigen Ziele in meiner Amtszeit wird es sein«, so Crane, »die amerikanischen Unternehmungen zu unterstützen und zu sichern, gute Beziehungen zu pflegen und hinreichend in einem Land Fuß zu fassen, das der reichste Markt der Welt zu werden verspricht.« Zunächst aber stehe China im Brennpunkt internationaler Probleme: »Ich sehe die Interessen der USA in diesem Zusammenhang als fundamental und denke, dass die USA im Hinblick auf Fortschritt, Wohlstand und Sicherheit bei keiner anderen fremden Nation ein größeres Interesse haben.«78

1906 nahm Crane mit dem Jugendstilmaler Alphonse Mucha Briefkontakt auf, der nach seinem Studium an der Münchner Kunstakademie die Académie Julian in Paris absolvierte. 1899 hatte ihn die österreichisch-ungarische Regierung mit der Gestaltung des Pavillons für die vormals türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina beauftragt. Auf mehr als 250 Quadratmetern fertigte er einen allegorischen Fries an, auf dem er die Legenden dieser nunmehr unter österreichischer Verwaltung stehenden Provinzen darstellte. Obendrein entwarf er das Plakat für die Teilnahme Österreich-Ungarns an der Weltausstellung.79

In dieser Phase wandelte sich der zwischen Kunst und Kommerz pendelnde Meister des verschnörkelten Jugendstils zum Kämpfer für das Slawentum. Mucha selbst schrieb: »Bereits im Jahr 1900, in Paris, habe ich mir vorgenommen, die zweite Hälfte meines Lebens jener Arbeit zu widmen, die bei uns das Gefühl des nationalen Bewusstseins aufbauen und stärken würde.«80

Vorerst suchte Mucha sein Glück in den USA. Dort lehrte er an mehreren amerikanischen Akademien der bildenden Künste und stieg in der Gunst von Charles Crane. Der slawophile Kunstmäzen ermöglichte ihm 1910 die Rückkehr nach Prag und finanzierte »Das Slawische Epos«, einen Zyklus von 20 monumentalen Gemälden mit »vaterländischen« Darstellungen zur Geschichte der slawischen Völker. Die politische Mission Muchas tritt in den Gemälden, von denen jedes einen kompletten Saal ausfüllt, besonders durch die Gegenüberstellung von Slawen- und Germanentum hervor. So steht auf einem Bild die Darstellung eines Festes zu Ehren des slawischen Gottes Svantovit auf der Insel Rügen im Mittelpunkt. »Während das tanzende Volk und die Priester vor einem leuchtend blauen Hintergrund zu sehen sind, zieht am oberen linken Bildrand eine dunkle Wolke mit dem germanischen Gott Thor und seinen Wölfen auf.«81 Crane scheint bei der Unterstützung Muchas keine künstlerischen Beweggründe gehabt zu haben, ihn waren in erster Linie politische Motive ausschlaggebend.

Im Präsidentschaftswahlkampf von 1912 unterstützte Crane als Vorsitzender des Finanzausschusses der Demokratischen Partei seinen Freund und Präsidentschaftskandidaten, den presbyterianischen Pfarrerssohn Woodrow Wilson, Rektor der Princeton University und Professor der Staatswissenschaften. Für seine Dienste bot ihm Wilson den Posten des Botschafters in Russland an, den Crane jedoch aus familiären Gründen ablehnte. Zusammen mit Colonel Edward M. House (1858–1938) – der heute durchaus mit dem einflussreichen Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski (geb. 1928) verglichen werden kann – wurde Crane einer der engsten Berater Wilsons für auswärtige Angelegenheiten.82 Durch Crane erhielt auch Masaryk Zugang zu US-Präsident Wilson, wobei ihm der Erfolg nur möglich gewesen sei, weil ihm seine amerikanische Frau den Zugang zur angelsächsischen Welt erschlossen habe.83

Im Hoover-Institut am Rande von Palo Alto befindet sich das einzigartige »Archiv für Krieg, Revolution und Frieden«. Sorgfältig werden hier in dreizehn Kisten die »Herron-Papiere« verwahrt. Der Autor, George Davis Herron (1862–1925), den der französische Literaturnobelpreisträger Romain Rolland einen gigantischen Schwachkopf nannte,84 ist heute im Vergleich zu Colonel House vollkommen vergessen. Der kongregationalistische Pastor aus Montezuma/Indiana, der Luther verabscheute und Calvin verherrlichte, lehrte als Professor der Theologie im Grinnell College in Iowa und war ein glühender Sozialist. In Wilson, der gerade mit Feuer und Schwert die Demokratie in Mexiko einführte, sah Herron einen wahrhaftigen Messias für die ganze Menschheit, was dem Präsidenten sicher ungemein schmeichelte.

Der Erste Weltkrieg schließlich ließ Herrons Begeisterung für den Frieden dahinschmelzen und sein Herz in diesem »Heiligen Krieg« für »Fortschritt, Freiheit und Demokratie gegen die Unheilige Allianz von Vatikan, Habsburg, Wittenberg, preußischen Junkern und Ruhrmagnaten«85 höher schlagen. Der Gottesmann fürchtete nur, dass der Krieg ein vorzeitiges Ende nehmen könne. Für die noch neutrale Regierung in Washington lag Herrons Wert darin, dass »er der einzige bekannte amerikanische Sozialist war, der für die bewaffnete Intervention der USA eintrat«.86 In London veröffentlichte Herron ein Buch mit dem Titel »The Menace of Peace« (Die Friedensdrohung). Darin offenbarte er, dass ein Kompromissfrieden »Gottes Herz brechen würde«. Ein solcher wäre viel ärger als selbst eine »deutsche Herrschaft«, denn in diesem Falle würden doch »nach langer unheilschwangerer Knechtschaft die Volker irgendeinmal zu kosmischer Intimität and grenzenloser Wahlmöglichkeit gelangen«.87

Herrons Schrift soll Wilson zu hellen Jubelschreien veranlasst haben. Nun durfte er sich als Ratgeber des Präsidenten und dessen »linke Hand« in den Auslandsbeziehungen wähnen – die »rechte Hand« war ja schon Colonel House. Dazwischen als Geldgeber und Berater: Charles R. Crane.

Wiederkehr der Hasardeure

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