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Schön ist die Jugend …

Wirklich, aus eigenem Erleben bestätige ich mit kleiner Abwandlung den Liedtext:

Schön ist die Jugend bei frohen Zeiten,

schön ist die Jugend, ich liebte sie sehr.

Die Mädels waren wunderbar und liebreizend,

doch die Auswahl fiel mir äußerst schwer.“

Mit der Operette von Franz Lehár könnte ich wunderbar anschließen und ebenfalls singen: „Ja, das Studium der Weiber ist schwer.“

Rückblickend muss ich feststellen, dass ich ohne Übertreibung die Zahl der von mir auserkorenen Mädels nicht aufzählen könnte – so intensiv ich mich bemühen würde.

Warum werden einem jungen humorvollen und lebensfrohen Burschen bei der Suche nur so schwierige Aufgaben auferlegt? Nicht selten zeterten meine jüngeren Schwestern, wenn ich nachmittags frohlockend vom Spaziergang mit Melanie nach Hause kam, um mich für den Abend zur Kirmes in Stadtkyll umzuziehen. Im Kopf schwirrten die Gedanken, ein anderes Fräulein – die Namen sind wie Schall und Rauch verhallt – im Kreise schwingen zu wollen. Nach so vielen Jahren schwebt die Erinnerung weit entfernt über der Zahl meiner irrsinnigen Verliebtheiten. Immer entfachte eine neue heiße Flamme in mir. Ob es an den heftigen Eifelwinden lag, dass nach einem Auflodern das rasche Löschen erfolgte? Manchmal dachte ich schon an manche Eroberung zurück mit einer Art inneren Entschuldigung, dieses oder jenes Herz gebrochen zu haben.

„Wir werden das denen mal erzählen, was du für einer bist. Du kannst doch nicht an einem Tag zwei Mädchen treffen wollen“, hörte ich oftmals meine Schwestern keifen.

Aber das waren für mich nur Worte ohne jegliche Bedeutung. Ich musste schauen, ob die Klara in Stadtkyll gut und gerne tanzt. Leider erachtete ich sie andererseits nach relativ kurzem Zeitraum nicht als gute Partie für mich; sie war zwar lieb und hübsch, erschien mir beruflich nicht passend und der Bruder saß bei jedem Treffen volltrunken an der Theke und faselte Unsinn.

Eine besondere Schönheit war ich beileibe nicht; manch einer aus unserer Clique sah kesser aus, um Mädels anzulocken. Aber irgendwie versprühte ich wie eine duftende Frühlingsblume mit meiner Heiterkeit plus einer erfrischenden Portion Humor gegenüber dem weiblichen Geschlecht ein Wohlbefinden. Eine besonders Hübsche aus Ahlendorf war sonntags im Café in Jünkerath beschäftigt. Ich kam bei bestem Bemühen nicht mit ihr ins Geschäft. Häufig war ich hingegen nicht allein unterwegs, sondern wir stromerten als kleine Gruppe durch die Lande. In Steffeln war eine etwas pralle Bauerstochter mir seit der letzten Kirmes sehr zugetan. Oh je, wie wurde ich nach dortigem Besuch mit einigen Freunden anderntags von dem Paul gehänselt. Ursache war die recht sonderbare Eingangstüre, zweigeteilt in der Mitte wie zu einem Pferdestall. Das konnte ich nun doch nicht haben, dass ich dort ein Mädel freien wollte.

Eine nie vergessene Begebenheit lässt mich auf eine Tanzveranstaltung in Schüller zurückblicken. Die Kinder der wohlbetuchten Familie Scheibler, eine Dynastie mit bedeutenden Persönlichkeiten der Textil- und Chemiebranche (Chemische Werke im Stadtteil Kalk), wurden bei ihren Aufenthalten im Dorf von einem Kindermädchen betreut. Ende der 1960er Jahre versuchte ich, das nette Mädel für mich zu gewinnen. Aber irgendeine schüchterne Blockade stoppte mich in meinem Feuer. Mein Mut reichte nur zu einem Tanz während der Kirmes. Schön ist die Erinnerung, wie sie sich führen ließ und in meinen Armen mit mir im Walzertakt über das glatte Parkett dahinschwebte. Mein Blut stockte, sodass ich keinen Redestoff entwickeln konnte. Für mich bestand die Lösung in der Suche nach einem passenden Auflockerungsmittel. Im ersten Raum links vor dem großen Saal war die Theke. Was macht man dann? Meine einzige Idee verwirklichte ich sofort, meinen Mut mit zu vielen Gläschen Doornkaat aufzubauen. Unmittelbar vom Tanzsaal aus gelangte man durch eine Tür zum Tresen. Hier stand ich nun und bestellte mir das erste Gläschen Doornkaat, dann noch eins und so fort. Deren Menge schien zu viel für mich zu sein, zudem stellte sich der erhoffte Mut nicht ein. Das Gegenteil kam auf mich zu: Eine derart große Müdigkeit überfiel meinen jungen Körper, dass ich draußen an der Schulhofmauer im kühlen Oktoberwind stehend mit einem Schläfchen die Umgebung vergaß. Der Abend gestaltete sich völlig anders als geplant und erwartet. Der fünf Jahre ältere und forschere Joseph nutzte die Gunst der Stunde und ich schaute in die Röhre.

Mein Freund Peter vermisste mich nach kurzer Zeit und kam mit meiner Patin Maria nach draußen. Sie hakten sich bei mir ein, um mich zu stützen, und lenkten ihre Schritte zu mir nach Hause.

Dort angekommen, war ich hellwach und flüsterte ihnen zu: „Seid leise, ich möchte die Eltern nicht wecken.“

Manch einer wird nun deren leichte Aufregung, anders ausgedrückt, Erbostheit, verstehen.

„Wir schleppen dich hierin und jetzt ist nichts gewesen?“

Mit erstaunten Riesenaugen schauten sie zu, wie meine rechte Hand mit ruhiger und bedächtiger Führung des Schlüssels überaus vorsichtig am Schließblech entlang das Schlüsselloch erreichte und die Haustür sich öffnete. Übrigens hatte ich diese Übung samt und sonders parat, wenn ich nachts sehr spät nach Hause kam. Völlig ohne irgendwie in Sorge zu sein, erzählte ich den Eltern meistens am nächsten Tag den Zeitpunkt meiner Heimkehr. Anfangs waren sie zwar wenig begeistert und äußerten die Sorge, dass ich zu wenig schlafe. Denn: Nicht wie die heutige Jugend es häufig pflegt, schlief ich bis zum Mittagsessen. Spätestens zehn Uhr war ich aus den Federn gekrochen, auch nach nur fünf Stunden Schlaf. Mit der Zeit gewöhnten sie sich an meine Rückkehrzeiten. Häufig kam ich, ohne irgendeinen Happen verspeist zu haben, des Nachts ins elterliche Heim. Meine Beine führten mich mit Gelüsten schnurstracks zum Kühlschrank und ruck, zuck schnappte ich mir ein paar Scheiben Käse oder griff nach herrlich duftenden frischen Wurstscheiben. Hin und wieder erinnere ich mich heutzutage an diese Gewohnheit und stille eine kleine Sehnsucht nach fester Nahrung ebenso mit nur ein oder zwei Scheiben Käse oder Schinken.

Eine sonderbare Episode darf ich den Lesern nicht vorenthalten. Peter und ich gingen hin und wieder während einer Veranstaltung zu mir nach Hause und nippten einen winzig kleinen Schluck aus der Tosca-Parfümflasche meiner Mutter – das sollte nach seiner Meinung gegen rasches Betrinken wirken. Später haben er und ich noch oft darüber gelacht.

Tanzen, oh ja, das war meine große Leidenschaft. Einen Tanzkursus zu absolvieren war weder für mich noch für meine Schwestern jemals eine echte Überlegung. Die Kursgebühr wäre eine schöne Stange Geld für meine Eltern gewesen, die sie nicht verfügbar hatten. Die Kunst der üblicherweise von der Musikkapelle auf der Bühne gespielten Tänze wie Tango, Foxtrott oder English Waltz, manchem als Langsamer Walzer bekannt, brachten mir örtliche Frauen bei. Überwiegend nicht älter als vierzig Jahre, hübsch und meistens verheiratet. Mit dem Doppelschritt zum Wiener Walzer bestanden trotz mehrmaliger Versuche gelegentlich einige Schwierigkeiten. Jedoch fiel der Groschen im elterlichen Wohnzimmer während einer Übungsstunde mit meinem Vater. Alsdann drehte ich meine Tanzpartnerin links- oder rechtsherum wie ein Wirbelwind. Sobald die Musiker ihre Instrumente nach kurzer Pause in die Hand nahmen, schoss ich, ehe der Aufruf zum Tanz erschallte, zu dem von mir erspähten auserwählten Mädel. Manchmal genügte es, ihr quer durch den Saal zuzuwinken. Da ich immer sehr zeitig anwesend war, hatte ich reichlich Gelegenheit, meinen Sitzplatz an einem Tisch mit Bühnenblick zu besetzen. Damals galt es, den Modetanz Twist im 4/4-Takt auf das Parkett zu legen. Das gab mir eine hervorragende Gelegenheit, wild zu sein. Es gelang mir, mich mit behänder Beweglichkeit rückwärts fast bis zum Boden abzusenken. Das reinlich gebohnerte Holz verhinderte mit seiner Glätte nicht, dass ich ausrutschte und mit dem Hinterkopf den Boden küsste. Das war nicht peinlich. Flugs hoch und schon ging das tolle Treiben weiter.

Wir Jugendlichen kannten uns aufgrund der unterschiedlichen Festivitäten in den Nachbardörfern und mussten uns einander nicht erst vorstellen. Es geschah bei uns zu irgendeiner Veranstaltung, dass ein Jünkerather, bereits über Mitte zwanzig, zu mir meinte, als ich ihn mit nass geschwitztem Gesicht draußen in der frischen Luft traf: He, Winfried, du wirst noch ruhiger werden. Wenn du mal fünfundzwanzig bist, dann lässt der Eifer nach.“

Wer A sagt, sollte auch weitergehen

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