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19. August 1991

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Heute Nacht um vier wurde Gorbatschow durch einen Putsch abgesetzt. Morgen wäre der neue Unionsvertrag unterschrieben worden. Ausnahmezustand. Möglich, weil Gorbatschows Position längst dishegemonial geworden war. Die Zwangseinheit wird das reorganisatorische Moment verspielen und Zerfall und Bürgerkriege ernten.

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Während in Moskau der Umsturz lief, verbrachte ich nichtsahnend meine seit Wochen erste Nacht ohne ›philologisches‹ Zwangsdenken. Band 2 der Gefängnishefte ist fertig, nur noch die letzten Korrekturen sind zu kontrollieren. Morgen geht das Buch in die Druckerei.

Gestern Abend besuchte mich Michail Nelken. Hat seit 1980 im Akademieinstitut für Philosophie gearbeitet, in der Abteilung für Geschichte des Marxismus. Dort wurde man in Ruhe gelassen. Nur als ein Kollege über August Thalheimer arbeiten wollte, griff Buhr ein, der Komplikationen voraussah: das Thema war zu parteinah. Dennoch glaubte Nelken 1980, sich in der Epoche geirrt zu haben, als er im Zuge des Parteiverfahrens gegen Ruben den Stalinismus in Aktion erlebte, und zwar nicht etwa den von oben, sondern den verselbständigten eines sozialen Mechanismus, wie er innerhalb der Parteigruppe spielte.

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Katja Maurer vom »Freitag« bestellte einen Artikel zum Staatsstreich. Zum Glück ist der Gramsci in der Druckerei, und ich nehme den Auftrag an. Aus Genf ruft Helen Brücker vom »Vorwärts« an und will den Artikel ebenfalls.

Keine Kremlastrologie, aber doch Rätselraten um Gorbatschow, hat er im Glashaus gelebt?

Auf dem Spiel: Die um ein Haar erreichte Ablösung des Zentral-Superstaats durch eine von den Republiken eingegangene lockere Union. – Zivilgesellschaftliche Ordnung mit individuellen Menschenund Bürgerrechten, unabhängig von ethnischen und nationalen Kollektivzugehörigkeiten.

Jahrhundertwende

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