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25. August 1991
ОглавлениеGorbatschow dementierte sich selbst. Er hat das Amt des Generalsekretärs verlassen, zur Auflösung des ZK aufgerufen. Offenbar hat sich die alte staatliche Führungsschicht, die zugleich parteiliche Führungsschicht war, auf diese Linie geeinigt.
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Gorbatschow – der »Zusammenhang seiner Gedanken« steht verlassen umher, wie eine abgeräumte Filmkulisse. Es ist, als hätten die Vorstellungen ihr Vorgestelltes verloren. Und doch muss es eigentlich umgekehrt gewesen sein. Die das bedrängte Gemeinwesen zu repräsentieren beanspruchten, sind gescheitert, blamiert. Es ist die Repräsentation, die sich davongemacht hat. Die Repräsentierten sitzen weltweit unvertreten in ihren Nöten, von der großen Not der Menschheit und ihres Lebensraums ganz zu schweigen. Das Perestrojka-Journal ist nun jedenfalls beendet.
Dass jetzt das nationalisierte Russland, bzw. seine führenden Repräsentanten, sich de facto die multinationale Sowjetunion aneignen, wird interessante Entwicklungen nach sich ziehen. Sie zu beobachten ist aber etwas anderes, es ist nicht mehr unmittelbar meine, ›unsere‹, Sache. Diese unsere Sache muss ich nun an anderen Substraten und Subjekten beobachten. Auch wende ich mich wieder verstreuten Mikroanalysen zur hochtechnologischen Produktions- und Lebensweise des transnationalen Kapitalismus zu. Sich mit Niedergehendem zu identifizieren, bei aller Analyse, Voraussicht und Kritik gefühlsmäßig immer wieder spontan ›konservativ‹ im Wortsinn und schier unbelehrbar zu sein – dieser Dauerdruck der letzten Jahre wird nun hoffentlich weichen.
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Die FAZ berichtet von einer Studie der Deutschen Bank über die Sowjetunion: der Bericht schwelgt zunächst in Zahlen über Ausdehnung (60 mal so groß wie Deutschland, allein Russland zweimal so groß wie die USA), um sich dann vor allem den Naturressourcen zuzuwenden. Ein Rohstoffradar von oben. Dieser Blick sieht ein Fünftel der bekannten Goldvorkommen der Erde, 22 Prozent des Erdöls und 34 Prozent des Erdgases, 27 Prozent des Eisens usw. usf. Von den Republiken seien nur sechs so stark, dass sie den Anschluss an die wirtschaftlichen Standards des Westens finden könnten, heißt es euphemistisch, bedeutet im Klartext: dass es sich für den Westen lohnt, sie formell in den Weltmarkt (Westmarkt) zu integrieren und materiell zu subsumieren.
In der TAZ behandelt Klaus-Helge Donath Gorbatschow als Unverbesserlichen, der die sozialistischen Flausen nicht lassen kann. Er schwimmt mit in der momentanen Moskauer Strömung. Einzig Antje Vollmer äußert sich in der gestrigen TAZ im Sinne meiner These von der »Glorious Revolution«: »Die wirkliche Fehleinschätzung – auch des Michail Gorbatschow – in diesen Monaten war die, selbst nicht für möglich gehalten zu haben, wie erfolgreich er schon in der Schwerstarbeit der Aufspaltung der Partei und der Zerrüttung der Reaktion gewesen war. […] Doch den Apparat vorzeitig für besiegt zu halten, wäre grob fahrlässige Scharlatanerie gewesen.« Sie begreift es als »unbestreitbar, dass dieser Putsch in der ersten Etappe der Perestrojka todsicher gesiegt hätte und dass nur das hautdichte Dranbleiben Gorbatschows an diesem Parteiapparat die […] Zerrüttung der gewaltigsten Bürokratie-Maschine bewirkt hat, die die Welt bisher kannte«. G ermöglichte die »gewaltfreie Entmachtung dieses Apparates«. Gleichwohl spricht Antje von »Revolution«.
Ansonsten verstärkt die TAZ (Reinhard Mohr) des Neokonservativen Lepenies genüssliche These vom »Desaster der interpretierenden Klasse«. Residuum des Klassenbegriffs. Zum Erbrechen.
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Einen in der TAZ abgedruckten Vortrag von Wladimir Malachow lesend, wo es um den Simulationismus in Russland geht, fällt mir die momentane jelzinsche Modifikation des russischen Nationalismus auf: er trennt sich vom herkömmlichen durch Anerkennung der Selbständigkeit der andern Republiken. Seine Gegner, die Protagonisten des gescheiterten Staatsstreichs, wären demnach eher im Muster des traditionellen Nationalismus geblieben. »So wie man einerseits ›russisch‹ durch ›sowjetisch‹ ersetzte, wurde andererseits ›sowjetisch‹ durch ›russisch‹ abgelöst.« So durch Stalin oder Jesenin, der kurz und bündig »Rusj« sagte und die multinationale Sowjetunion meinte. Jedenfalls herrscht auf dieser »nationalen« Verschiebungsachse zur Zeit Hochbetrieb, Coup und Gegencoup verkehren im selben Medium.
Malachows Hauptthese: in Russland das Individuum bis heute nicht wirklich anerkannt, daher bleiben alle Institutionen in Wirtschaft, Politik und Recht, die es voraussetzen würden, Simulation. Er zeichnet ein dualistisches Metapherngerüst, das dem nationalistischen Diskurs seine Einheit gibt: organisch/mechanisch, warmes Herz/kalter Intellekt, ungeteilte Gemeinschaft/Individuum; daran schließen Vitalität/Leblosigkeit, Fülle/Leere, Innerlichkeit/Äußerlichkeit, Tiefe/Oberflächlichkeit, Blüte/ Fäulnis. Merkwürdig, hier der Fäulnismetapher wiederzubegegnen. Der »faulende Westen« sei ein russisch-patriotischer Topos seit 150 Jahren.