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18. Oktober 1990, am Flughafen von Dubrovnik
ОглавлениеVaclav Havel lobte Gorbatschow als »Beschleuniger des Unausweichlichen«.
Merab. – Der Philosoph – Bürger des unbekannten Landes. Hier lebe er wie ein Spion. Möglichst wenig auffallen. – Das kam mir vor, wie die Beschreibung eines Theologen von Nietzsches »unbekanntem Gotte«. Während des Abschiedsessens summte Merab vor sich hin. Er isolierte sich, wie mir schien, in einer Aura des Selbstgefallens. Man hatte uns, »die zwei Foucaults«, nebeneinander platziert.
Dragans kurzes Lächeln in den Mundwinkeln. Er stellt sich dar als einen, der es nicht nötig hat. Rief mir ein Taxi, rührte indes keinen Finger, als ich mich mit den Gepäckstücken mühte. Etwas von einem Puma, gelassen, mit einer Art von Gleichgültigkeit, die etwas Verächtliches hat. Fred Jameson erschien nicht zum Abschied.
Bin mir selbst im Wege, aneckend-versöhnlich, als wären die Widerhaken falsch angebracht. Schwierigkeit, eine Sprache gegen den Diskurs zu finden. Wieder das Gefühl des Außenseiters.
Dass ich am Wahrheitsbegriff festhalte, kommentierte Jameson mit »bullshit«; er wurde böse, als ich Foucaults Entdeckung der Geschichtlichkeit des Sexualitätsbegriffs rühmte, die er eine Erfindung (im Sinne von Fiktion) genannt haben wollte. Die Psychoanalyse-Anhänger hatten anscheinend das Gefühl, es werde am Ast gesägt, den sie als Sitzplatz schätzen. Dabei hatte ich nur gesagt, sie müssten auf ihr »natürliches« Maß schrumpfen, d.h. auf die Situation und den Prozess therapeutischer Analyse.
Ideologie – das sind die andern! Darauf achten, wo ich dieses Muster gleichfalls bediene.
Auch »Wissenschaft« wurde fallengelassen. Alles Kunst? Schlimmer: alles Material für Diskurse.
Fred hat als neuestes Paradigma Reichelts Kapitallogik entdeckt. Susan Buck-Morss verschwimmend. Wo sie eingreift, ist sie mir zugänglicher, so dass ich immer wieder in der Diskussion ihren Gedanken weiterführte, was allerdings nicht erwidert wurde. Mit Grausen sehe ich einiges für mich voraus.