Читать книгу PUNKTUM. - Wolfgang Priedl - Страница 21
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ОглавлениеBei Selbstmord würde eine einfache Bestandsaufnahme genügen, für Mord oder Unfall gibt es noch nicht viele Anhaltspunkte, aber die Möglichkeit besteht, überlegt Peter. Zunächst muss die Identität geklärt werden und er soll hinauf zur Aussichtsplattform. Der Kriminalist ist nicht erfreut über diesen Umstand.
Er blickt hinüber zu Claudia, die in der Nähe des Bootssteges steht und fotografiert.
»Ich muss zum Seeblick hinauf. Sehe ich dich nachher?!«, ruft er Claudia zu.
Sie kommt näher und antwortet mit einem verschmitzten Lächeln auf ihren Lippen: »Selbstverständlich. Du musst mir ja meinen Artikel freigeben. Aber, eine Frage: Darf ich dich begleiten, dir über die Schulter schauen?«
»Äh, das geht nicht. Hier wird ermittelt. Da sind Privatpersonen leider nicht zugelassen … «
»Aber nicht am Weg hinauf. Sieh nur, das Absperrband ist schon entfernt worden. Peter bitte, von da oben hat man sicherlich einen wunderschönen Blick auf den See. Ich könnte atemberaubende Fotos schießen. Lass mich dich … «, bettelt Claudia unabweisbar.
»… Na gut, aber bestenfalls nur über die Schulter sehen. Nichts angreifen«, lässt sich Holzinger breitschlagen.
Schon nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass Claudias Schuhwerk nicht die beste Wahl für so einen steilen Aufstieg ist. Sie hat Mühe, Peter zu folgen. Doch der Kommissar erweist sich als Gentleman der alten Schule. Immer wieder hält er inne und reicht Claudia seine Hand, hilft ihr über die vielen kleinen Geländestufen hinweg. Auf halber Höhe biegt er in eine Aussichtsbucht ein. Von dort hat man freien Blick auf die danebenliegende Steilwand.
»Willst du nicht fotografieren? Claudia, mach doch ein Foto. Schau … «, sagt er zu seiner Begleiterin und zieht sie an der Hand zu sich.
»Oh Gott, ist das hoch hier. Da wird mir ganz schwindelig …«, presst sie mit weit aufgerissenen Augen hervor. Instinktiv legt Peter den Arm um sie. Claudia umschlingt seine Hüfte und klammert sich an ihm fest.
»Ich halte dich, wenn du fotografieren willst.«
»Versprochen?«
»Ich hab nicht die Absicht, dich in nächster Zeit loszulassen«, säuselt er zweideutig.
»Wie lange ist bei dir ›nächste Zeit‹?«, fragt sie ihn kokettierend.
»Claudia, willst du nun oder nicht?«. Peter täuscht Verärgerung vor.
»Natürlich will ich … «, antwortet sie mit einem anmachenden Augenaufschlag, hebt ihre Kamera an und stellt das Objektiv scharf. »Aber nicht loslassen … versprochen?«
»Keine Angst – jetzt drück schon ab«, fordert er sie auf.
Der Fotoapparat klickt. Claudia schiebt den Ring des Teleobjektivs zurück. Klick. Zu guter Letzt richtet sie das Objektiv nach oben, zum Ende der Wand. Die Digitalkamera rattert wie eine alte Nähmaschine, als sie ein Panoramafoto von der Steilwand nimmt.
»Danke, das war’s.« Claudia haucht ein Küsschen auf Peters Wange, während dieser an den Abgrund herantritt und den leichten Aufwind verspürt. Hier ein paar Bögen mit dem Gleitschirm zu drehen, wäre sehr verlockend, denkt er.
Er schüttelt den Kopf, als wollte er die Gedanken aus seinen Ganglien beuteln und antwortet: »Hier geht es weiter«. Peter zieht Claudia zu sich heran.
Ihr Körper schmiegt sich an ihn. Sie küssen sich. Sie schauen einander in die Augen, bis sie ein lustvolles »Mehr« haucht.
»Ich bin im Dienst«, weist Peter ihr Verlangen lächelnd zurück, dreht sich demonstrativ um und setzt den Weg fort. Claudia bombardiert ihn mit Fragen, die er bereitwillig beantwortet. Er muss ihr ständig von seinem Job und wobei es darauf ankommt erzählen, während sie sich insgeheim fragt: ›wer klettert hier freiwillig hinauf?‹
Als die Beiden schweißgebadet am Seeblick ankommen, packen gerade die Männer in ihren weißen Schutzanzügen ihr Equipment ein.
»Servus Großer … und, habt ihr etwas gefunden?«, begrüßt Peter neugierig die Runde.
»Hallo Peter. – Nicht viel. Leider«, antwortet ihm der Ranghöchste.
»Was bedeutet: nicht viel?«
»Ich habe mich mit unserem Team unten, an der Fundstelle abgestimmt. Soviel steht bereits fest: Die Frau ist von hier aus in die Tiefe gestürzt. Und wie ich dir schon am Telefon mitgeteilt habe, hier gibt es Schleifspuren und den Abdruck eines Schuhs. Es könnten Kampfspuren sein oder es handelt sich um eine Abwehrbewegung. Nachdem sie von keinen anderen Spuren überlagert sind, müssen wir davon ausgehen, dass sie von … «
»Eine Tasche oder Ähnliches?«
»Ja, ein Mobiltelefon lag hier im Gebüsch. Ist aber nicht eingeschaltet. Vielleicht ist der Akku leer.«
»Ladet es auf. Möglicherweise erfahren wir, wem es gehört. Ausweis?«
»Nein, weder hier, noch bei den Leuten unten bei der Leiche.«
»Habt ihr Holzsplitter gefunden?«, fragt Holzinger.
»Wie kommst du jetzt auf Holzsplitter?«
»Der Gerichtsmediziner hat mir gesagt, dass er im Hinterkopf der Toten einen Holzsplitter gefunden hat. … Die Wunde rührt von einem stumpfen Gegenstand her.«
»Na ja, in der Mitte der Wand wachsen ein paar dürre Bäume aus den Spalten. Die haben wir natürlich nicht untersucht, denn wir haben keine Ausrüstung zum Abseilen dabei … nicht sag jetzt, wir sollen da hinunter? … «
»Nachdem ihr hier, ich sage jetzt einmal ›Kampfspuren‹ gefunden habt, bleibt uns nichts anderes übrig. Oder?«
»Uns? Wer ist uns?«
»Mit uns meine ich dich und dein Team.« Peter lacht.
»Du meinst, ich soll noch einmal hier herauf klettern? Und, dass wir uns von hier oben abseilen«, erwidert sein Kollege empört. »Aber … Nicht vor morgen«, fügt er resignierend hinzu.
»Das würde reichen.«
»Danke. Dann bis morgen«, verabschiedet sich der Kollege mürrisch. Er knüllt seinen Arbeitsanzug zusammen und packt ihn in den Koffer. Einer nach dem anderen schiebt sich an Claudia und Peter vorüber, um mit ihrem Abstieg zu beginnen. Als der Große an Holzinger vorübergeht, hält er kurz inne und flüstert dem Kommissar ins Ohr: »Neue Assistentin?«
»Ach, gibt mir doch eine Ruhe«, faucht Peter mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zurück. Als die Gruppe außer Hörweite ist, sagt er zu Claudia. »Das habe ich befürchtet. Jetzt muss ich alle befragen. Den Pfarrer, und die komplette Jagdversammlung. Das sind mindestens zwanzig Interviews. Die schaffe ich heute nicht mehr. Das bedeutet, ich bin morgen auch wieder hier. … Das sind die Wochenenden, die ich liebe.«
»Du könntest ja hier übernachten. Das Hotel hat sicher noch Zimmer frei.«
»Wäre eine Idee … «
»Ich bleibe auch. Ist das ein Angebot?«, fragt sie Peter. Sie legt ihre Arme um seinen Nacken.
»Soll das heißen, dass … «. Weiter kommt er nicht, denn Claudia hat ihren Zeigefinger auf seine Lippen gelegt. Anschließend küsst sie ihn auf den Mund.