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6.Voraussetzungen für die Anwendung der Fünftelregelung bei der Besteuerung von Entlassungsabfindungen

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Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 EStG) müssen für die Anwendung der Fünftelregelung folgende Voraussetzungen vorliegen:

 sonstiger Bezug (vgl. § 39b Abs. 3 Satz 9 EStG) und

 außerordentliche Einkünfte.

Begünstigte außerordentliche Einkünfte liegen vor, wenn Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder für die Aufgabe oder das Nichtausüben einer Tätigkeit gezahlt werden und eine Zusammenballung von Einnahmen vorliegt.

Hiernach ergibt sich folgendes Schema:

Ersatz für entgangene

oder entgehende

Einnahmen

(§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG)

Ersatz für die Aufgabe oder das Nichtausüben einer Tätigkeit

(§ 24 Nr. 1 Buchst. b EStG)

Zusammenballung von Einkünften

Anwendung der Fünftelregelung

Eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG, die entgangene oder entgehende Einnahmen ersetzt, liegt nur dann vor, wenn ein „Schaden“ ersetzt wird. Es muss sich also um einen Ausgleich für einen Verlust handeln, den der Arbeitnehmer unfreiwillig erlitten hat. Von einem unfreiwilligen Eintritt eines Schadens ging die Rechtsprechung früher nur dann aus, wenn der Arbeitnehmer den Schaden ohne oder gegen seinen Willen erlitten hatte. Diese Rechtsprechung wurde ausdrücklich aufgegeben (BFH-Urteil vom 20.10.1978, BStBl. 1979 II S. 176), sodass eine Entschädigung auch beim Mitwirken des Arbeitnehmers vorliegen kann. Der Arbeitnehmer kann hiernach also Vereinbarungen zum Ausgleich eines eingetretenen oder drohenden Schadens schließen. Der Arbeitnehmer muss jedoch in diesem Fall unter einem nicht unerheblichen wirtschaftlichem, rechtlichem oder tatsächlichem Druck handeln, das heißt, er darf das schädigende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben (BFH-Urteil vom 9.7.1992, BStBl. 1993 II S. 27). Aufgrund dieser Rechtsprechung sind auch Abfindungen, die bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, als Entschädigung anzusehen, wenn die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst wird. Keine Entschädigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt, das schädigende Ereignis also selbst herbeiführt. Er wird dann aber auch nur sehr selten eine Abfindung erhalten. Der Bundesfinanzhof geht aber auch dann von der erforderlichen Zwangssituation des Arbeitnehmers aus, wenn er auf ein Angebot des Arbeitgebers aus Gründen der Loyalität und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten eingeht, obwohl ihm eine andere Lösung lieber gewesen wäre. Es würde der für die ermäßigte Besteuerung geforderten Zwangssituation widersprechen, wenn man bei einer gütlichen Einigung einer gegensätzlichen Interessenlage einen tatsächlichen Druck verneinen und es auf einen an sich vermeidbaren Rechtsstreit ankommen lassen würde. Es genügt daher, wenn der Arbeitnehmer sich dem Willen des Arbeitgebers nicht weiter widersetzt (BFH-Urteil vom 29.2.2012, BStBl. II S. 569). In seiner neuesten Entscheidung geht der Bundesfinanzhof noch einen Schritt weiter: Zahlt der Arbeitgeber im Zuge einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, sind Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer unter einem tatsächlichen Druck gestanden hat, regelmäßig entbehrlich (BFH-Urteil vom 13.3.2018, BStBl. II S. 709). Würde nämlich ein Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses allein aus eigenem Antrieb herbeiführen, bestünde für den Arbeitgeber keine Veranlassung, eine Abfindung zu zahlen. Im Streitfall kam hinzu, dass der Arbeitgeber durch einen angekündigten Personalabbau alle in Betracht kommenden Beschäftigten unter tatsächlichen Druck gesetzt hatte.

Des Weiteren ist es für die Annahme einer Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG Voraussetzung, dass die Ersatzleistung auf einer neuen Rechtsgrundlage beruhen muss (z. B. einem neuen Vertrag oder einer Vertragsänderung im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses). Die Zahlung muss an die Stelle weggefallener oder künftig wegfallender Einnahmen treten und darf sich bürgerlich-rechtlich nicht als Erfüllung einer vertraglich – ggf. auch wahlweise – eingegangenen Verpflichtung darstellen (BFH-Urteil vom 9.7.1992, BStBl. 1993 II S. 27). Eine Entschädigung setzt deshalb voraus, dass an Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere tritt. Diese andere Leistung muss auf einem anderen, eigenständigen Rechtsgrund beruhen. Ein solcher Rechtsgrund wird regelmäßig Bestandteil der Auflösungsvereinbarung sein; er kann aber auch bereits bei Abschluss des Dienstvertrags oder im Verlauf des Dienstverhältnisses für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens vereinbart werden. Eine Leistung in Erfüllung eines bereits vor dem Ausscheiden begründeten Anspruchs des Empfängers ist aber keine Entschädigung, auch wenn dieser Anspruch in einer der geänderten Situation angepassten Weise erfüllt wird. Der Entschädigungsanspruch darf – auch wenn er bereits früher vereinbart worden ist – erst als Folge einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen.[3]

Der Bundesfinanzhof sieht eine „Teil-Abfindungszahlung“ des Arbeitgebers auch dann als Entschädigung an, wenn der Arbeitnehmer seine Wochenarbeitszeit durch Änderung des Arbeitsvertrags unbefristet reduziert (sog. Änderungskündigung; BFH-Urteil vom 25.8.2009, BStBl. 2010 II S. 1030). Das Arbeitsverhältnis muss also für die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG nicht vollständig beendet werden. Der Arbeitnehmer muss aber bei der Änderung des Arbeitsvertrags unter einem nicht unerheblichen rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt haben.

Eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG, die aus Anlass einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis vereinbart wird, setzt den Verlust von Einnahmen voraus, mit denen der Arbeitnehmer rechnen konnte. Weder eine Abfindung noch eine Entschädigung sind deshalb Zahlungen des Arbeitgebers, die bereits erdiente Ansprüche abgelten, wie z. B. rückständiger Arbeitslohn, anteiliges Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Tantiemen oder bei rückwirkender Beendigung des Dienstverhältnisses bis zum steuerlich anzuerkennenden Zeitpunkt der Auflösung noch zustehende Gehaltsansprüche. Das gilt auch für freiwillige Leistungen, wenn sie in gleicher Weise den verbleibenden Arbeitnehmern tatsächlich zugewendet werden.

Von einer Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen sind diejenigen Entschädigungen zu unterscheiden, die für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gezahlt werden (§ 24 Nr. 1 Buchstabe b EStG). Auch für solche Entschädigungen kommt die Anwendung der Fünftelregelung in Betracht, wobei es unschädlich ist, wenn

 die Tätigkeit mit Willen oder Zustimmung des Arbeitnehmers aufgegeben wird,

 die Entschädigung von vornherein im Tarif- oder Arbeitsvertrag vereinbart ist und

 der Arbeitnehmer von seinem tarif- oder arbeitsvertraglich vereinbarten Recht Gebrauch macht, gegen Zahlung der vereinbarten Abfindung aus dem Dienstverhältnis auszuscheiden.

Die Unterschiede zwischen den beiden Entschädigungsarten sind ausführlich beim Stichwort „Entschädigungen“ unter den Nrn. 2 und 3 erläutert, da die Fünftelregelung nicht nur für Entlassungsentschädigungen, sondern auch für eine Reihe anderer Entschädigungen gilt (z. B. für Karenzentschädigungen, Entschädigungen wegen Einhaltung eines Wettbewerbsverbots usw.). Vgl. hierzu auch die Erläuterungen bei den Stichwörtern „Konkurrenzverbot“ und „Wettbewerbsverbot“.

Ist hiernach die Entlassungsabfindung eine „Entschädigung“ im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG, kommt die Anwendung der Fünftelregelung nur dann in Betracht, wenn es sich um außerordentliche Einkünfte handelt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn eine Zusammenballung von Einkünften vorliegt (vgl. die Erläuterungen unter den nachfolgenden Nrn. 7 bis 9).

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