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Unerwartete Neuigkeiten

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Wolf, wieder in der Kleinstadt vorm Gebirge angekommen, stellte den Wagen in der kleinen Hotelgarage ab und begab sich an die Rezeption. Das Vestibül des Hauses, das in einer belebten Straße des Zentrums stand, hatte schon bessere Zeiten gesehen. Aber noch immer atmete es den Flair vergangener Pracht. Dunkel glänzten die Möbel, dicke, staubige Teppiche bedeckten den Boden, und an der Decke hing ein messinfarbener Kronleuchter, der allerdings, nur mit wenigen Glühbirnen versehen, ein eher trübes Licht in die kleine Halle warf. Es roch nach verwelkten Blumen und etwas nach Küche. Durch die knarrenden Flügeltüren zum Eingangsportal drang gedämpfter Straßenlärm hinein. Wolf ließ mehrfach eine kleine Glocke schellen, bis endlich der Portier kam. Dieser händigte ihm seinen Zimmerschlüssel aus und nahm die Bestellung eines Ferntelefonates entgegen, denn Wolf mußte unbedingt Meurat erreichen. Dann ging er auf sein altmodisch, aber recht gemütlich eingerichtetes Zimmer. Dort legte sich auf das breite Bett und schlief bis zum späten Nachmittag. Aufgestanden erfrischte er sich und erledigte er einige Einkäufe. Die Liste dazu hatte er noch während einer kurzen Rast auf der Rückfahrt angefertigt. Auf dem verschlissenen Parkettboden des Zimmers lagen nun ein starkes Bergsteigerseil, eine stabile Brechstange und noch einiges anderes Werkzeug

„Bleiben Sie vor Ort, es gibt unerwartete Neuigkeiten. Sie bekommen umgehend eine Karte. Ich sende sie heute noch ab“, gab sich der Anwalt etwas hektisch, als Wolf ihn nach mehreren vergeblichen Versuchen endlich gegen Abend an den Apparat bekam. Um was es sich handelte, wollte er am Telefon offenbar nicht sagen. Das ging in Ordnung. Es war für so einen Fall entsprechend vereinbart. Genauso wie die Sendung einer unverfänglichen Ansichtskarte mit lieben Grüßen an einen alten Bekannten. Mit dieser konnte ein Uneingeweihter absolut nichts anfangen. Und nichts war bekanntlich geheimer, als eine Ansichtskarte per Post. Erst ein einfacher, willkürlich und im Voraus festgelegter Zahlenschlüssel ließ dann die wirkliche Nachricht erkennen.

Der Kurier kam nach telefonischer Voranmeldung in die Frankfurter Kanzlei. Meurat hatte seine Sekretärin für diese Zeit zu Besorgungen in die Stadt geschickt. Der Mann erschien auf die Minute pünktlich und übergab ihm im Vorraum einen schmalen, versiegelten Umschlag. So schnell wie er gekommen war, verschwand der Bote auch wieder, so daß Meurat, selbst wenn er es gewollt hätte, kaum etwas über seinen Besucher hätte sagen können. Nervös öffnete er das Schreiben. Zu seiner Überraschung enthielt es Anweisungen, eine kleine Gruppe Männer mit entsprechenden Papieren auszustatten und ihnen so baldigst den Weg ins Eulengebirge zu ebnen. Diese Gruppe, das ahnte Meurat, hatte zweifelsohne eine sehr wichtige Aufgabe bei seiner Ankunft wahrzunehmen. Irgendetwas tat sich plötzlich in den fernen Bergen. Das konnte eigentlich nur bedeuten, daß die Anlage endgültig geräumt wurde. Die manifestierte politische Situation im Nachkriegseuropa gestattete wohl keine andere Entscheidung. Sicherlich waren in der Gebirgsbasis noch etliche Dinge deponiert, eigentlich für eine ganz andere Zukunftsvision vorgesehen. Einige Andeutungen in dieser Richtung hatte schon ein ehemaliger Mitarbeiter Meurats gemacht, mit dem er sich ab und an in einem Kaffeehaus der Frankfurter Innenstadt traf. Natürlich wußte der Anwalt auch mehr, als er gegenüber Wolf offenbart hatte. Das der Stützpunkt im Eulengebirge aber gerade jetzt wieder ins Blickfeld der für ihn Verantwortlichen rückte, damit hatte er keineswegs gerechnet. Und eben ausgerechnet jetzt machte sich der Sohn seines alten Kameraden dort zu schaffen. Ein schrilles Läuten riß Meurat aus den Gedankengängen. Ein Klient rief an und führte ihn wieder in seine ebenfalls so notwendigen Alltagsgeschäfte zurück. Doch im Hinterkopf des ergrauten Anwaltsschädels zogen sich weiter düstere Gedanken zusammen.

Die Karte war angekommen. Wolf hatte sie zwei für ihn verlorene Tage lang mehr als ungeduldig erwartet. Die Entschlüsselung des kurzen Textes bereitete ihm keine große Mühe. Sein Erstaunen über den Inhalt war dann jedoch mehr als groß. Das war nichts Angenehmes, was er da mitgeteilt bekam. Kurz und bündig hieß es: „Beeile Dich, das Objekt wird geräumt und verschlossen!“ Was, in Gottes Namen, hatte dies zu bedeuten? Sollte er seine gerade begonnenen Erkundungen gleich abbrechen und zurückreisen? Wollte Meurat ihn scheu machen? Hatte der Anwalt sich irgendetwas anders überlegt? Doch was Wolf sich in seinen Kopf gesetzt hatte, gab er so schnell nicht wieder auf. Im Gegenteil, nun waren seine Neugier und Tatendrang erst richtig angestachelt. Er würde dennoch versuchen, mit Frankfurt telefonisch Kontakt aufzunehmen. „Da muß schon ein wenig mehr gesagt werden, alter Freund“, murmelte er vor sich hin, während er die billige Ansichtskarte verbrannte und anschließend die Asche im Abfluß des Duschbeckens spurlos entsorgte. „Und morgen in aller Frühe geht‘s wieder ins Gebirge ...“ Dann verließ er das Zimmer und stieg durch das knarrende Treppenhaus hinab ins Restaurant, um dort sein frühes Abendbrot einzunehmen.

Nachdem der Kaffee von demselben einsilbigen Kellner im staubigen Anzug gereicht wurde, der schon das Essen auftrug, machte sich Wolf an die Planung für den nächsten Tag. Er fühlte sich ausgeruht und frisch. Am liebsten wäre er sofort aufgebrochen. Doch draußen vedichtete sich jetzt die Dunkelheit im Gebirgsvorland. Auf einer hellen Serviette skizzierte er sich kurz den Ablauf des kommenden Tages.

Das beschaffte Werkzeug und die anderen Hilfsmittel dürften genügen, die eiserne Tür an der alten Wasserzisterne zu öffnen und in die zu erwartende dunkle Tiefe vorzudringen. Allerdings hatte er dann das Problem, nicht den Weg von Anfang an verfolgen zu können, wie ihn sein Vater auf dem Plan vorgab.

Er würde nicht sofort wissen, wo genau er sich in den unterirdischen Systemen befände, wenn er über das versteckte Luk in sie eidrang. Auf jeden Fall mußte er den langen Haupttunnel suchen, dessen Tor draußen an der Felswand zugesprengt war. Gelang ihm dieses Kunststück, dann sah es schon freundlicher aus. Er bräuchte dann eigentlich nur den Einzeichnungen der Karte zu folgen. Das dies aber lange nicht so einfach werden würde, wie er jetzt am abendlich erleuchteten Hoteltisch plante, schwante ihm jetzt schon mehr als deutlich. Aber es half nichts. Eile schien plötzlich geboten zu sein.

Das Erbe

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