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Das Kommando aus der Eisbasis

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Das Evakuierungskommando bestand aus zwei Männern unbestimmbaren Alters. Sie sahen zudem einander ähnlich. Strohgraue, glatte Haare umgaben bei beiden die Köpfe. Ihre schmalen Gesichter, mit den kühlen blauen Augen, ließen keinen Ausdruck erkennen. Und obwohl sie seit vielen Wochen gemeinsam auf der Reise waren, hatten sie kaum eine längere Unterhaltung miteinander geführt. Allenfalls mal ein gemeinsames Kartenspiel gönnten sie sich. Eingezwängt in dunkle, abgeschabte Ledermäntel und mit dem obligatorischen Hut auf dem Kopf sahen sie aus, wie Tausende Männer in diesen Jahren kurz nach Kriegsende im geschundenen Europa. Doch irrten sie nicht umher, wie unzählige andere Menschen. Sie strebten einem strikt befohlenen Ziel entgegen. Die Wochen zuvor verbrachten sie eingepfercht in der stählernen Röhre eines hochmodernen deutschen U-Bootes. Bei Nacht und Nebel waren sie heimlich an eine europäische Küste angelandet worden. Dort nahmen sie Kontakt zu einem verschwiegenen Helfer auf, der sie schon erwartete, ihnen erstes Quartier gab und sie schließlich ein eine Haupttrasse der sich wieder normalisierenden europäischen Eisenbahnverbindungen brachte. Dort tauchten sie in der grauen Masse der Reisenden unter und benutzten bei ihrer Fahrt gen Osten sogar getrennte Waggons.

Hauptmann Manfred Seidel war der Kommandant und Oberleutnant Erich Hase sein Pilot und Energetiker. Ihnen, den dazu befähigtsten Leuten, hatte Generallautnant Walter Strese, Kommandant der antarktischen Basis P 211, diese vorerst letzte Mission in Europa anvertrauen konnte. Sie brachen zwar nicht in Hurra-Geschrei aus, als Strese sie zu sich befahl und ihnen ihren Auftrag erklärte. Was getan werden mußte, wurde aber getan. Etwas konsterniert nahmen sie allenfalls nur die Tatsache auf, daß man keine Flugscheibe zu ihrem Transport Richtung Europa einsetzte.

„Wir fliegen seit Wochen nicht, warum wohl ...“, brummelte Strese etwas unwillig, als er die Mienen der Flieger sah. „Wir dürfen ihren Rückflug aus Europa keinesfalls gefährden, deshalb das derzeitige generelle Auf-stiegsverbot. Ihr Flug soll schnell und ungefährdet vonstatten gehen. Sie bringen, außer der Flugscheibe selbst, noch sehr wichtiges Material mit, was wir nicht länger im Feindesgebiet lassen können. Außerdem ist da noch unser letzter Wächter, der soll ja auch unbeschadet sein neues Zuhause erreichen. Und eines kann ich Ihnen versprechen. Ich weiß, daß dies schon lange ihre heimlichster Wunsch ist. Wenn ihr beide diesen Auftrag erfüllt, werdet ihr auf dem Flug nach Cydonia dabeisein, an vorderer Stelle versteht sich.“ Strese blickte mit leicht verklärtem Blick nach oben und nahm den unwillkürlich gehobenen Zeigefinger wieder herunter. „Also, meine Herren. Hals und Beinbruch! Kommen Sie mir alle wieder heil zurück.“

Mit dem seit Jahrzehnten üblichen Gruß verließen Seidel und Hase das geräumige Besprechungszimmer mit der großen Weltkarte hinter dem blauen Vorhang. Anschließend nahm sie sofort der Flugeinsatzleiter in Empfang. Auch hier waren keine anderen Personen zugegen.

„Nach unserer Einweisung werden sie bis zum Beginn der eigentlichen Operation alleine Quartier im B-Sektor beziehen. Das ist kein Mißtrauen gegen sie beide oder gegen andere Kameraden. Ihr Auftrag ist einfach zu wichtig, als daß er auch nur durch irgendetwas gefährdet werden dürfte“, fiel Einsatzchef Oberst Alfred Graue gleich mit der Tür ins Haus. „Außerdem ist das ja ein Befehl vom Chef.“

Sie verbrachten fast einen halben Tag mit der Erörterung der Details ihrer Mission. Dabei wurde Imbiß, Kaffee und alles gereicht, was das Herz begehrte. Auch die folgenden Tage gestaltete man ihnen so angenehm wie möglich. Dann wurde es ernst. Der Kommandant befahl sie, wie auch alle anderen, die eine besonders wichtige Order außerhalb der Basis zu erfüllen hatten, zur Meditation in die „Krypta“.

Sie verließen die bewohnten Bereiche der gigantischen Basis unter dem kontinentalen Eis. Die Einschienenhängebahn glitt mit ihnen rasch und geräuschlos durch leere, endlose Gänge und Tunnel, deren Decken gerundet waren und an deren Wänden sich nur hin und wieder techn. Wartungstüren zeigten. Dann glitt die Gondel direkt ins Eis des uralten Kontinents. Eine Art wehende Kälte machte sich breit, aber da war auch schon das Ende der Fahrt erreicht. Sie stiegen aus und standen in der absoluten Stille der Blauen Grotte. Überall schimmerten hier die unvorstellbar dicken Eisschichten wie ein einziger blauer Brillant. Der kristallklare Boden führte in einen langen, weiten Tunnel hinein. Mächtige Eissäulen strebten links und rechts hinauf zu glitzernden, romanisch-schlicht geschnittenen Kuppelgewölben des geradezu märchenhaft gestalteten Weges, dessen Ende sich schließlich nochmals zu einer Art Balustrade erweiterte. Hier waren wenige Sitzgelegenheiten dezent drapiert. Doch sitzend war hier noch niemand gesehen worden. Man trat ein paar Schritte auf eine niedrige, balkonartige Erweiterung und erstarrte. Dies jedoch nicht vor Kälte. Das, was sich hier bot, ließ auch härteste Gemüter in Ehrfurcht stillhalten. Mit Betreten des Erkers verlosch allmählich das Licht im Hintergrund der ewigen Eisschichten. Das strahlende, glänzende Blau ging in ein graues Leuchten über. Dafür erglänzte vor den Augen der Besucher ein unwirkliche, gigantische Eiskrypta, die anscheinend schwerelos in einem Raum dunkler, unbekannter Größe schwebte ...

Eingebettet in einen eisigen Sarkophag, umgeben von nordischen Symbolen, lag hier kein anderer, als der tote Führer des Dritten Reiches.

Aufgebahrt für alle Zeiten und Ewigkeiten, die diesem Planten noch bevorstehen mochten; tief unten in den blauen Kristallgründen des ehemaligen atlantischen Kontinentes. Dunkle Orgelmusik drang schwer aus unsichtbaren Sphären herauf und verlieh dem Schauspiel den entsprechenden akustischen Hintergrund. Wie im Trance verharrten dann die Besucher der einzigartigen Kultstätte. Vor ihren Augen zogen lange Minuten die phantastischsten Bilder und Visionen dahin, von denen sie später nicht mehr zu sagen wußten, woher sie in ihre Hirne drangen und was sie bewirkten ...

Als die letzten sphärenhaften Orgeltöne verklangen und das indirekte Licht im Zugangstunnel wieder auf aufglomm, schüttelten die beiden Männer ihre Benommenheit ab, schauten nochmals auf die sich jetzt verdunkelnde mystische Erscheinung und machten sich auf den Rückweg. Nun waren sie eingestimmt auf ihr Unternehmen, das sie Tausende Kilometer von ihrer neuen, sicheren Heimat wegführen sollte und dessen Ausgang einzig in ihren Händen lag. Wenige Tage später gingen sie im unterseeischen Hafen der Basis an Bord eines der leistungsstärksten Fern-U-Boote. Das graue Schiff zog nach dem Ablegen noch ein Stück in den schmalen Eiskanal hinein, tauchte ab und nahm in der Tiefe Fahrt auf. Die Crew steuerte es in die von der Natur geschaffene Warmwassertrasse, die vor über über 20 Jahren erste Versorgungsschiffe zufällig entdeckten. Mit nördlichem Kurs zog das Boot durch eine untermeerische kontinentale Spalte, in der immer eine leichte warme Strömung herrschte. Dieser natürliche Riss im Kontinent war in diesem Bereich etwa 500 Meter breit. Ab und an verengte er sich, erweiterte er sich dann aber unvermittelt zu vielen Kilometer langen höhlenartigen Grotten und eisigen Domen. Doch auch diese blieben von oben unentdeckt, denn der offensichtlich tektonische Riß zog sich zur Oberfläche des Kontinents hin wieder zusammen, wo dann die gewaltigen südpolaren Eisdecken folgten und alles sicher bedeckten. Einen idealeren Schlupfwinkel hätte man nicht finden können.

An Bord des hochtechnisierten U-Bootes genossen Seidel und Hase zumindest den Luxus, jeweils eine Ein-Mann-Kabine bewohnen zu können. Die Reise dauerte ja, trotz der erstaunlichen Geschwin-digkeit des Unterwasserfahrzeuges, ihre Zeit.

Das Erbe

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