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Am Ziel ...

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Mit klopfendem Herz stieg Wolf langsam das letzte Stück der Betontrepppe hinab. Eine dunkle Türöffnung zeigte sich. Im Schein seiner Lampe tauchte ein dahinter liegender Tunnel. Vorsichtig betrat er ihn. In der einen Hand die Waffe und in der anderen den Handscheinwerfer stellte er jedoch fest, daß auch hier vorerst keine Gefahr drohte. Der Tunnel war nicht sehr breit, ein schmaler Schienenstrang führte in ihm entlang, der in beiden Richtungen sich in der Dunkelheit verlor. Ein paar Meter entfernt war so etwas wie ein schmaler Bahnsteig. Dort stand einladend und anscheinend fahrbereit eine Draisine. Der Fahrthebel des Gefährts war provisorisch in einer Richtung blockiert. Sollte dies dem Nutzer verdeutlichen, er möge sich damit nur die freie Richtung fortbewegen? Langsam ließ Wolf sich auf die schmale Sitzbank gleiten. Ganz leicht bewegte sich die Draisine, als er den Hebel nach vorn schob. Er freute sich, nun so bequem voranzukommen. Das Klopfen der Räder auf den Schienen war das einzige Geräusch, das ihn auf seiner Fahrt in die Dunkelheit des scheinbar endlos langen Tunnels begleitete. Er konnte nicht viel erkennen. Nur in größeren Abständen leuchteten trübe Elektrolampen in massiven Glas-gehäusen etwas von den Tunnelwänden und dem schmalen Gleiskörper aus. Ab und an glaubte er dunkle Seitenstollen zu erkennen, war sich aber nachher nicht mehr ganz sicher. Aufmerksam registrierte er, daß die Bahn nicht nur gradlinig ins Gebirge rollte. Es gab unterwegs mehrfach langgezogene Kurvenabschnitte. Als etwa fünf Minuten der etwas unheimlichen Fahrt vergangen waren, wurde die Draisine von alleine deutlich langsamer. Es ging in einen wieder etwas breiteren Tunnelabschnitt, in dem beim Hineinrollen plötzlich eine Reihe Glühlampen aufflammten, die wohl über einen Schienenkontakt angesprochen wurden. Auch hier befand sich wieder ein kleiner Bahnhof, wie ihn Wolf nun schon von seiner Abfahrtsstelle her kannte. Ohne sein Zutun hielt die Draisine direkt an dem schmalen, betonierten Bahnsteig. Es herrschte gespenstische Stille, die nur von irgendwo unsichtbar fallenden Wassertropfen unterbrochen wurde.

Die Metalltür in der nahen Wand, war nicht zu übersehen. Sonst zeigte sich auch kein anderer Weg vom leeren Bahnsteig her. Neben der stabilen Stahltür hing eine Konsole mit zahlreichen Druckknöpfen an der rauhen Betonoberfläche. Die mit den Zahlen von eins bis zehn beschrifteten Knöpfe wurden durch ein darüber angebrachtes schmales Blech wohl vor herabtropfendem Wasser geschützt. Die Tür selbst hatte nur einen massiven Handgriff. Keine Klinke, kein Stellrad. Und sie war zu!

„Das ist ja eine schöne Bescherung“, murmelte Wolf vor sich hin. Was sollte das? Wie kam er hier weiter? Zweifellos mußte hier ein Zahlencode eingegeben werden. Und was passierte, wenn er falsche Zahlen eingab? Wo hatte er nur Zahlen gesehen? Er stellte den Rucksack ab und zog vorsichtig den Plan heraus. Mit der Taschenlampe leuchtete er das Papier ab und versuchte die Stelle auf der Zeichnung zu finden, an der er sich jetzt befand. Ja, da war der gewundene Fahrstollen. Selbst die Haltepunkte waren angegeben. Dieser hier trug die Zahl 4.

Sie stand, wie auch überdeutlich auf der Karte seines Vaters, ebenfalls an der Wand über dem Bahnsteig mit weißer Farbe exakt als römische Ziffer angezeichnet. Somit konnte er sich wenigstens sicher sein, am richtigen Ort zu weilen, da er diesen mittels Kartenvergleich genau identifizieren konnte. Das war ja schon etwas. Er versuchte es also einfach mit der Ziffer 4. Nach dreimaliger Eingabe löste sich tatsächlich etwas klickend in dem hinter dicken Stahlplatten verborgenen Türmechanismus. Wolf atmete auf. Sein alter Herr hatte aber auch eine Gabe, ihm Rätsel aufzugeben.

Mit einem leicht schürfenden Geräusch öffnete sich die Tür. Dahinter zeigte sich nun ein kleiner, schmaler Gang, in dem zuckend Lichter angingen. An seinem Ende befand sich wiederum ein Schott. Dieses hatte allerdings ein Drehrad und zwei Handhebel. Als Wolf auch diese Tür geöffnet hatte, stand er kurz darauf in einem großen Raum, dessen Einrichtungen an die moderner Labors chemischer Fabriken erinnerten. Überall standen Apparaturen, Anlagen, Meßgeräte, zahlreiche Gerätschaften für chemikalische Unter-suchungen und weitere technische Einrichtungen, zu denen er sich auf die Schnelle keinen Reim machen konnte. Seitab lag ein verglaster, kontorähnlicher Raum. In ihm war offensichtlich das Büro untergebracht. Schreibtische, Aktenschränke und andere Einrichtungsgegenstände wiesen darauf hin.

An der geriffelten Glastür war ein Name zu lesen: „Ebeland“. Er war schnell und eilig mit schwarzer Farbe hingemalt worden. Doch selbst in diesem kurzen Schriftzug erkannte er die Handschrift seines Vaters. Er trat ein. Vom Schreibtisch glänzte ihn ein dicker, blanker Messingschlüssel an. Nun brauchte er nur noch das entsprechende Schloß zu suchen, das dieser Schlüssel öffnen würde.

Der Safe war ganz schlicht hinter einem großen Kalender verborgen, der das Frühjahr 1945 datierte. In seinen beiden Fächern lagen verschiedene Gegenstände. Hervorstechend darunter ein kleiner Stahlblechbehälter von signalroter Farbe. Weiterhin Aktenordner, die mit zahlreichen abgehefteten Papierseiten dicht gefüllt waren und die rote Markierungen trugen. Außerdem lag noch ein versiegelter Umschlag dabei. Auch er hatte ein Signum mit roter Farbe. Neben diesen Gegenständen lagen in den beiden Stahlfächern nur noch eine Pistole o8 mit zugehöriger Munition, Waffenreinigungsgerät und eine für damalige Verhältnisse hochmoderne, mit großen, fast viereckig geformten Augengläsern versehene Gasmaske.

„Wenn Du das hier findest, war es mir nicht mehr möglich, an diesen Ort zurück zu kommen. Dann nimm alles an Dich und bringe es in Sicherheit. Faß‘ hier nichts an, und verlasse die Anlage wieder so schnell es geht. Du wirst in diesem Augenblick schon lange wissen, wohin Du mit dem Material mußt. Das Licht der Schwarzen Sonne möge Dir leuchten.“ Ein braunes Blatt Papier mit diesen Sätzen lag schließlich unter allen Gegenständen.

Die Mitteilung seines Vaters erstaunte ihn nun nicht mehr. Die Erwähnung der Schwarzen Sonne ließ jedoch alles noch viel ernster und wichtiger werden. Wußte er doch von der geheimnisvollen Vereinigung, der sein Vater angehörte. Dieser hatte zwar nur in wenigen Andeutungen darüber gesprochen, doch Wolf hatte ihm immer sehr interessiert zugehört. Da war unter vier Augen die Sprache auch auf mysteriöse Flugobjekte und andere Dinge und Zusammenhänge gekommen, die auf eine gewisse Art das Fortbestehen des Reiches auch nach einem verlorenen Krieg sichern sollten ...

Schnell aber vorsichtig verstaute Wolf den Inhalt des kleinen Wandsafes im Rucksack. Im Raum flackerte nun erneut beun-ruhigend das Deckenlicht, als wolle es jeden Moment völlig ausfallen. Er beschloß, dennoch einen kleinen Erkundungsgang zu machen. Sollte wirklich völlige Dunkelheit einkehren, hatte er ja immer noch den Handscheinwerfer, und zur Bahn war es auch nicht weit. Ob die dann aber noch funktionieren würde, war mehr als ungewiß, ging es ihm durch den Kopf. Eilig durchquerte er die geisterhaft verlassenen Laboratoriumsräume. Überall sah es aus, als würden die einstigen Nutzer jeden Moment an ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Ein kleines Schaltpult weckte seine Aufmerksamkeit. Es stand in einer durch einen grauen Vorhang abgeteilten Ecke und war mit einer Menge Knöpfen, Kontrollämpchen und Drehschaltern bestückt. Darüber befanden sich zudem drei inzwischen jedoch etwas staubig gewordene kleine Bildschirme. Jedem von ihnen waren einige Stellknöpfe deutlich zugeordnet. Ein Hauptschalter in der Mitte der Konsole sicherte offenbar das gesamte Pult. Neugierig geworden, legte Wolf den Hauptschalter um. Unsichtbare Relais klickten, Röhren summten und die Kontrollämpchen auf dem Pult erwachten zu einem bunten Leben. Nun schaltete er den mittleren Bildschirm an. Es dauerte einige Zeit, ehe sich dann jedoch tatsächlich ein Bild zeigte. Er probierte an den Knöpfen, bis sich die Helligkeit aufregelte und er besser Einzelheiten erkennen konnte. Was er jedoch nun zu sehen bekam, war wohl nur für wenige Augen bestimmt gewesen. Die irgendwo in den Tiefen des Berges installierte Übertragungskamera zeigte eine Art Kühlraum, in dem an den Wänden glänzende, zylinderförmige Behälter standen. Sie waren in der oberen Hälfte aus glasartigem Material gefertigt, und in ihnen standen Menschen. Die stillen Körper mit ihren geschlossenen Augen in den futuristischen Behältnissen machten einen unwirklichen, ja geradezu gespenstischen Eindruck. Dazu kam, daß sie sich im schwachen Schein bläulich-kalter, indirekt leuchtender Lichtquellen befanden. Sprachlos starrte Wolf auf die Mattscheibe. Was war das, was sich hier zeigte? Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Begann jetzt nicht auch in diesem Raum, aus dem das Bild übertragen wurde, jenes merkwürdige Licht leicht zu flackern und öffnete da eine der unheimlichen Gestalten allmählich langsam die Augen? Wolf sträubten sich jetzt geradezu die Haare. Was hatten sie hier unten nur für Experimente gemacht!?

Nachdenklich und etwas erschreckt vom scheinbar Gesehenen schaltete er nach einiger Zeit den Bildschirm wieder aus. Er beschloß, die Sache vorerst allein für sich zu behalten. Nun wurde es aber Zeit, diese Räume und die Anlage überhaupt wieder zu verlassen. Die geborgenen Dinge mußten schnell und unbeschadet abtransportiert werden. Er schritt durch das Labor und wandte sich wieder dem Schleusenausgang zu. Das Licht flackerte noch immer. Er beeilte sich, den kleinen Gang zur unterirdischen Bahnstrecke zu passieren. Hier wurde die Luft wieder deutlich kälter und frischer. Rasch lief er den kurzen Tunnel entlang und durchquerte wieder das Schott mit dem Zahlenschloß. Nachdem sich die dicke Stahltür hinter ihm automatisch verriegelt hatte stand er am Bahnsteig. Alles schien unverändert. Die kleine Elektrodraisine glänzte im Schein der spärlichen Lampen und wartete auf ihren Passagier. Wolf nahm den Rucksack mit dem wertvollen Inhalt nicht vom Rücken, als er sich wieder auf die Sitzbank niederließ. Vorsichtig betätigte er den Fahrschalter, und wahrhaftig setzte sich das Fahrzeug erneut in brummend in Bewegung. Alles war hervorragend eingerichtet und funktionierte noch immer. Mit leisem Poltern an den Schienenstößen nahm er wieder die Fahrt in die langen unterirdischen Tunnelstrecken auf.

Das Erbe

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