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„Eisvogels“ Ankunft

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Wolf passierte dunkle Tunnel, enge Gänge und paßte immer wieder auf, daß ihm unangenehme Überraschungen erspart blieben. Längst wußte er nicht mehr genau zu sagen, in welcher Richtung er sich bewegte. Laut seines Planes konnte er nur ungefähr mutmaßen, daß er sich in einer Art Rondell im Abstand um die mutmaßliche Zentrale der Anlage bewegte. Bislang hatte er noch keine Möglichkeit gefunden, wieder nach oben zu gelangen. Die finsteren, geheimnisvollen Gänge, die er nun passierte, boten kein Trep-penhaus, keinen Schacht oder dergleichen. Langsam begann er sich ernsthaft zu sorgen. Irgendwie mußte er doch schließlich wieder auf eine höher gelegene Ebene gelangen, wollte er überhaupt das Tageslicht wiedersehen. Doch es ging weiterhin nur in horizontaler Richtung vorwärts. Er durchquerte eine Halle. In dieser stan-den, soweit es ihm der langsam schwächer werdende Schein der Handlampe erkennen ließ, irgendwelche Fahrzeuge. In ihrem Licht glänzten deren Karosserieteile matt. Es war eine Reihe kleiner, dunkler Opel und einige Kübelwagen. Am Boden dieser Halle tauchten jetzt auch wieder Schienen auf. Das plötzlich hörbare leise Brummen eines Pkw-Motors ließ Wolf jäh erstarren. Ein Abglanz fernen, aber sich zügig nähernden Scheinwerferlichts funkelte schon über die Metallteile der abgestellten Technik. Nun galt es, sich so gut wie unsichtbar zu machen! Tief geduckt lief er hinter die abgestellten Fahrzeuge. Am liebsten wäre er direkt unter sie gekrochen. Doch er wollte ja noch etwas mitbekommen von dem, was sich bestimmt gleich hier abspielen würde. Mit größter Spannung verfolgte er, wie nur kurze Zeit später ein dunkler Personenwagen in die Halle rollte. Zwei Männer stiegen vorsichtig aus und sicherten sich gegenseitig mit kleinen Maschinenpistolen. Dann brachten sie an der Hallenwand eine Art technisches Gerät an, auf das sich Wolf im Moment keinen Reim machen konnte. Er überlegte noch fieberhaft, wie es den beiden wohl möglich war, mit einem Auto in die Anlage zu gelangen, als einer der beiden Männer einige Worte in das soeben an die Wand installierte Gerät sprach, die Wolf allerdings nicht verstehen konnte. Irgendjemand schien zu antworten. Der zweite Mann stand die ganze Zeit mit dem Rücken zur Wand. Er sicherte, die Waffe im Anschlag, in das Dunkel der Halle hinein. Wolf kauerte hinter einem tarnfarbenen Kübelwagen und wagte kaum Luft zu holen. Nochmals fielen ein paar Worte. Der Mann an dem Gerät, das offensichtlich eine nun komplette Wechselsprechanlage darstellte, deren zweites Teil die unbekannten Besucher mitbrachten, nickte seinem Begleiter zu. Beide traten etwas in die Halle zurück, als sich leicht knirschend ein Wandteil öffnete und einen mit warmen Lampenlicht erfüllten Gang freigab. Abermals sicherten die Unbekannten, bevor sie in der aufgetanen Öffnung verschwanden. Erneut ein schleifendes Geräusch. Dann war die rauhe Betonwand wieder völlig unscheinbar. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, daß an dieser Stelle eine verborgene Tür lag. Nur der Metallkasten glänzte etwas auffällig im Gewirr der schmalen Alurohre und Verteilerdeckel, die hier an der Hallenwand angebracht und mit einer Staubschicht bedeckt waren.

Wolf erhob sich. Sein Blick wurde geradezu magisch von dem Auto angezogen, das so überraschend vor seinen Augen erschien. Um die geheimnisvollen Ankömmlinge machte er sich erstmal keine weiteren Gedanken, obwohl es eine überaus interessante Geschichte zu sein schien. Hier lief auf jeden Fall etwas ab, wohinein er seine Nase auf keinen Fall stecken wollte. Sein Bestreben war es ja nun, die Anlage so schnell wie möglich zu verlassen. Das Auto war offen. Auf der hinteren Sitzbank lagen zwei Rucksäcke mit irgendwelchen Ausrüstungsgegenständen und wenigen persönlichen Sachen. Im Zündschloß steckte jedoch kein Schlüssel. Das war nicht weiter schlimm. Wolf hätte den Wagen auch so zum Starten gekriegt. Doch was war, wenn die Unbekannten kurzfristig zu ihrem Fahrzeug zurückkehrten. Sein Fehlen würde sie in höchste Alarmbereitschaft versetzen und sicher eine sofortige Suche zur Folge haben. Wenn es ihm bis dahin nicht gelingen würde, die unterirdische Anlage zu verlassen und am besten noch Stunden weit weg zu gelangen, würde dies die schlimmsten Konsequenzen haben. Kurz entschlossen warf er die Fahrertür wieder zu und eilte zielstrebig in den Tunnel hinein, aus dem das Auto in die Halle gefahren war. Dieser zog sich breit und lang hin. Das Licht seiner Lampe wurde immer schwächer. Er mußte bald die Batterien wechseln. Hallend hörte er seine eigenen Schritte auf dem feuchten Betonboden. Atemlos hastete er immer weiter. Von irgendwo mußten die beiden Typen ja in die Anlage eingefahren sein. Sicher jedoch nicht direkt in diesen langen, leeren Fahrtunnel, der lag einfach zu tief unter der Oberfläche. Nach etwa zehn Minuten weiteren eiligen Marsches öffnete sich endlich der Stollen. Wieder befand er sich in einer relativ kleinen, niedrigen Halle. Schnaufend ließ sich Wolf auf einer vergessenen, leeren Kiste nieder, die achtlos an der sauber verputzten Wand lag. Er wechselte jetzt die Batterien seiner Lampe und hatte endlich wieder genügend Licht, seine Umgebung zu betrachten. Die kleine Halle war bis auf ein paar liegengebliebene Kabelreste und zerbrochene Ziegelsteine leer. Aber an einer Stirnwand zeigten sich Armaturen und Schalter. Daneben befand sich ein stählernes Scherengitter, durch das sein Blick in einen großen Aufzugkorb fiel. Ein Lastenfahrstuhl! Wolf fiel ein Stein vom Herzen. Hier mußten die Unbekannten einfach eingefahren sein. Der Platz im Aufzug hätte sogar für einen LKW gereicht.

„Vielleicht geht das Ding sogar noch“, schöpfte Wolf Hoffnung. Und das Ding ging tatsächlich noch. Es gab nur zwei Knöpfe am Fahrstuhl. Der eine wies mit einem Pfeil nach oben, der andere nach unten. Anscheinend bediente der Aufzug nur zwei Ebenen. Wolf drückte mutig auf den Knopf, dessen Markierung eindeutig nach oben zeigte. Tatsächlich und zu seiner großen Erleichterung setzte sich der Fahrkorb leicht ruckend nach oben in Bewegung.

Die beiden Männer aus der Eisbasis gingen den kurzen Gang entlang, bis sie auf ein weiteres starkes Stahlschott stießen. Diese massive Panzertür hatte zur Gangseite hin ebenfalls keinerlei Handgriffe oder Drehräder, womit sie von außen zu öffnen gewesen wäre. Dafür blinkte oben an der Wand das Objektiv einer kleinen Überwachungskamera in den Gang hinein. Dann gab es ein saugendes Geräusch. Das gasdichte Schott öffnete sich, und vor ihnen stand Hahnfeld. Sie traten ein und erstatteten zuerst vorschriftsmäßig Meldung.

„Nun endlich, nach der ganzen Zeit“, murmelte der der Major, deutlich beeindruckt über die seit Jahren ersehnte Begegnung. „Kommen Sie, meine Herren“, sagte er. „Nehmen Sie Platz“, wobei er sie vorerst an die Sitze des großen Kontrollpultes bat. „Ihre Quartiere zeige ich Ihnen gleich nachher. Jetzt müssen Sie aber erstmal erzählen.“ Hahnfeld zeigte, trotz aller nach außen hin getragenen militärischen Haltung, Erleichterung, die sich in seiner aufgehellten Miene widerspiegelte. Seidel und Hase sahen sich neu-gierig um. Derartiges hatten sie in der Gebirgsbasis nicht erwartet. „Sie haben ja hier eine richtige Schaltzentrale. Dieses Ding ist wohl doch funktionaler und größer, als wir es angenommen haben“, meinte Seidel leicht verschmitzt. „Da müssen Sie ja ein ausgefuchster Techniker sein, Kommandant, mit so etwas Gigantischem umzugehen.“

„Das ist alles halb so wild“, entgegnete der Angesprochene. „Die Dinge waren gut vorbereitet und eingerichtet. Mir kam hier eigentlich mehr eine Art Kontrollfunktion zu. Ich habe ja die Anlage selbst mit konzipiert, geplant und eingerichtet. Da ist mir nur wenig fremd geblieben. Weitaus beeindruckender erscheint mir da schon die Flugscheibe, die ja nun hier auf Sie wartet. Das ist ja nun eine wirklich ganz und gar phänomenale Technik. Es war damals schon ein unvergeßliches Erlebnis, sie hier in den Berghangar einfliegen zu sehen. Daß so etwas problemlos möglich ist, hätte ich nie gedacht.“ Ehrliche Begeisterung leuchtete aus Hahnfelds Augen.

„Sie werden das Ding ja bald auch im Flug erleben, Kommandant“, unterbrach ihn Hase. „Wir haben zuvor allerdings eine Menge zu tun“, sagte er, stand auf und klopfte seinem Gastgeber kameradschaftlich auf die Schulter. „Hier ist aber erstmal eine kleine Überraschung für Sie.“ Mit diesen Worten zog er lächelnd einen braunen Papierumschlag hervor und reichte ihn Hahnfeld. „Unser beider herzlicher Glückwunsch gleich mit dazu.“

Hahnfeld hob die Augenbrauen und öffnete das Kuvert mit fragendem Blick. Es enthielt nichts anderes, als seine Beförderung zum nächsthöheren Dienstgrad. Der Chef der so unendlich fernen Eisbasis hatte noch ein paar persönliche Zeilen angefügt, worin er mitteilte, sich zu freuen, seinen Kameraden bald persönlich kennenzulernen.

Der Beförderte zeigte sich nun sichtlich gerührt. „Nein, daß ich dies noch erlebe. Meine Herren, ich danke Ihnen. Sie haben mir eine sehr große Freude bereitet. Hat man uns in der Heimat doch nicht vergessen. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“

„Sie haben es sich mehr als verdient. Mehr als viele andere“, antwortete Hase. „Schließlich haben Sie zuletzt ganz allein hier die Stellung gehalten und sehr Wichtiges gut und zuverlässig bewacht. Das wird sicher nicht immer ganz einfach gewesen sein.“

„Nun, genug davon“, der frisch beförderte Oberstleutnant zeigte sich wieder energisch und war ganz der Alte. „Wie lautet Ihre Order, meine Herren?“

„Wir müßten als erstes die Flugscheibe und den Startraum überprüfen. Dann wäre die Ladung zu sichten und zum Aggregat zu schaffen. Die Verladung des Gutes nimmt auch einige Zeit in Anspruch. Wir haben hier genaue Listen, was alles mitgenommen wird. Die Basis selbst bleibt bestehen. Es wird in bestimmten Zeiträumen einen Besuch geben, der die technische Unversehrtheit und Sicherheit der Anlage überprüft. Immerhin läuft hier ja auch alles über einen Atommeiler“, informierte Seidel in kurzen Worten. „Sie sollen übrigens die gesamten technischen Unterlagen zur Basis mitnehmen. Es darf nichts davon hier bleiben. Und dann muß vor unserem Abflug noch die Funkfernzündung für den Reaktor aktiviert werden. Nur für alle Fälle. Wir sind dann in der Lage, die Vernichtung der Basis sogar bei einem sehr hohen Überflug zu aktivieren, so jedenfalls die Anweisung.“

„Da bin ich ja vorerst beruhigt“, atmete Hahnfeld auf. „Ich dachte schon, es würde alles zum Teufel ...“

„Nein, nein“, unterbrach Hase ihn. „Die Anlage ist noch immer zu wertvoll, um sie zu opfern“, entschied man im Stützpunkt. „Und das hier sind wichtige Papiere, in denen alles genau aufgelistet ist, was wir an Bord von ‘Thor‘ bringen müssen“, fuhr Hase weiter fort und zog dabei einen kleinen Schnellhefter unter seiner Wetterjacke hervor. „Es sind wirklich sehr wichtige Dinge, Herr Oberstleutnant. Und Sie müßten darüber unterrichtet sein und vor allem Bescheid wissen, wo das Material in der Basis genau lagert.“

„So ist es“, bestätigte der Angesprochene. „Ich weiß, was Sie meinen, nehme ich jedenfalls an. Wir haben einen ganzen LKW-Konvoi im Berg. Zwei Fahrzeuge davon enthalten Ladung, die für die Basis 211 bestimmt ist.“

„Völlig richtig. Die Dinge gehen alle mit.“ Hase steckte sich eine Zigarette an und blies den Rauch genießerisch über das Kontrollpult. Dann stellte er Hahnfeld eine Frage, die ihn schon lange beschäftigte. „Wie haben Sie es eigentlich die ganze Zeit hier so allein ausgehalten, die ganze Zeit so alleine?“

„Nun, erstens hatte ich meine Befehle, - zweitens meldete ich mich ja freiwillig. Und drittens waren wir ja am Anfang noch ein paar Leute mehr hier im Berg. Das hat sich aber leider alles etwas verloren. Sie verstehen. Die Einsätze draußen kosteten Opfer. Und viele kamen wohl dann auch einfach nicht mehr zurück.“

„Verluste, Deserteure ...?“ Seidel schaute nun seinerseits den Gastgeber fragend an.

„Das kann ich Ihnen alles nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Die Jungs gingen, kämpften draußen noch, kamen zurück. Doch es gab leider eine Menge Verluste. Und es waren ja auch nicht viele. Jedenfalls wurden es immer weniger. Den Auftrag, das ganze Gebiet unwirtlich zu machen, haben sie jedenfalls erfüllt. Bis heute wagt sich kaum jemand mehr in die Gegend. Eines Tages war ich dann aber allein, und die unterirdischen Kasernen stehen nun schon lange Zeit leer. Von draußen kam niemand mehr zurück. Was da alles im einzelnen geschehen ist - ich weiß es nicht. Ich mußte ja in der Anlage bleiben. Nur eins kann ich versichern: Verrat wurde nicht begangen.“

„Sie sollen noch einen V- Mann haben?“ fragte Hase weiter. „Ist der in Ordnung?“

„Das ist kein Thema“ erwiderte Hahnfeld. „Auf ihn ist absolut Verlaß. Er war die ganze Zeit mein Draht zur Außenwelt.“

„Dann ist es ja gut. Er soll aber hier vor Ort bleiben. An seinem Wohnsitz, versteht sich. Den würden wir auch kaum mitnehmen können. Der Mann ist mit dieser Gegend regelrecht verwurzelt und kann hier sicher noch bessere Dienste leisten, als anderswo.“

„Aber Sie freuen sich doch hoffentlich, sich mal wieder Wind um die Ohren wehen zu lassen? lachte Seidel.

„Das will ich wohl meinen. Es ist aber doch ein etwas eigenartiges Gefühl für mich, einfach alles verlassen zu müssen. Immerhin brachte ich einige Zeit hier zu“, Hahnfelds Stimme nahm einen nachdenklichen Klang an. „Aber ich bin ein schlechter Gastgeber“, setzte er gleich darauf energisch hinzu. „Nun will ich Sie erstmal bewirten. Entschuldigen Sie, aber das ist mir in der Situation doch glatt entgangen. Sicherlich wird ein starker Kaffee und ein guter Weinbrand nicht ausgeschlagen. Da will ich doch gleich mal in die Küche schauen, was ich da zu bieten habe.“

„Danke, sehr gerne. Aber lassen Sie sich Zeit. Wir müssen erst noch mal an unser Fahrzeug und einige Sachen holen“, rief Seidel dem Davoneilenden nach.

„Dann muß ich die Schleusen wieder entsichern, sonst kommen Sie nicht in die Halle“, sagte Hahnfeld, wobei er wieder umdrehte und zurück zum Pult ging, um dort einige Schalter zu betätigen. Während seine beiden Besucher in Richtung des nun wieder passierbaren Personentunnels liefen, machte er sich nochmals am Kontrollpult zu schaffen, bevor er endgültig in Richtung der Wirtschaftsräume verschwand.

Hase und Seidel holten ihre persönliche Ausrüstung aus dem Auto in der Halle. Bald danach saßen alle drei Männer in gemütlicher Runde im kleinen Aufenthaltsraum neben dem Küchentrakt. Die Tür zum zentralen Steuerraum blieb geöffnet, so daß Hahnfeld keine der optischen oder akustischen Anzeigen entgehen konnte.

Die Unterhaltung bei dem ausgiebigen Imbiß, der Gastgeber hatte alles aufgetafelt, was sein Magazin an guten Vorräten hergab, drehte sich um die bevorstehenden Aufgaben.

„Zuerst, wie gesagt, überprüfen wir ‚Thor‘“, erläuterte Seidel. „Dann müssen wir unverzüglich das Material aus den beiden Kraftwagen in die Halle zur Flugscheibe schaffen. Die Ladearbeiten dort nehmen ja dann auch einige Zeit in Anspruch. Es muß nämlich alles sehr sicher und sorgfältig verstaut werden, damit beim Flug keine Probleme auftreten. Und Sie können inzwischen ihre Sicherungsarbeiten durchführen, sagte er zu Hahnfeld gewandt.“

Die Männer saßen noch fast zwei Stunden zusammen. Anschließend begab man sich gemeinsam in den Flughangar unter der Bergkuppe. Seidel und Hase überprüften dort alle Funktionen von ‚Thor‘. Nachdem sie über die von Hahnfeld ausgefahrene Metallbrücke das schräge Rund der Scheibe betreten hatten, öffneten sie mit einem Spezialschlüssel das Mannluk und verschwanden in ihrem oberen Aufbau. Im Steuerraum angekommen, machten sie es sich in den mit schwarzem Leder bezogenen Pilotensitzen bequem und brachten, nach gründlicher Funktionsprüfung, die Flugscheibe versuchsweise sogar kurz zu einem leichten Schwebeflug in der geräumigen Halle, wobei ‚Thor‘ etwa zehn Meter hoch von seinem Sockel abhob.

Sichtlich zufrieden verließen sie nach einer halben Stunde das Gerät wieder. Hahnfeld, der draußen in der Halle geblieben war, hatte mit Bewunderung den für ihn recht eindrucksvollen Test verfolgt.

„Hervorragend, meine Herren, einfach hervorragend“, er klatschte begeistert in die Hände. „Ich sehe, es funktioniert alles?“

„Ja, es ist alles bestens.“ Seidel rieb sich zufrieden die Hände. „Wir haben es auch gar nicht anders erwartet. Aber wie bekommen wir die Ladung in das Gerät hinein?“

„Eine Laufkatze und einen kleinen Schwenkkran haben wir ja hier“, sagte Hahnfeld und wies auf die Einrichtungen, die an einer geraden Seitenwand der Halle im Fels verankert angebracht waren.

„In Ordnung“, antwortete Seidel. „Wir werden von innen das Ladeluk öffnen. Sie nehmen am Hallenboden die Lasten mit dem Kran auf und schwenken auf die Höhe der Öffnung, die sie ja dann sehen werden. Es dürfen jedoch nicht zu schwere Einzelstücke sein, wir müssen sie ja noch im Laderaum der Flugscheibe von Hand bewegen können. Wenn es Kisten sind, müssen wir die vielleicht sogar auspacken.“

Es wurden vor Ort noch einige weitere Details der bevorstehenden Arbeiten besprochen und verschiedene Einrichtungen der Halle in Augenschein genommen, die das Interesse der beiden Besucher weckten.

„Wer schließt eigentlich die Tür hinter uns, wenn wir abgeflogen sind?“ wollte Hase abschließend noch wissen.

„Das ist eine Automatik, die den Vorgang steuert. Das Tor in der Bergwand öffnet sich nach einer eingestellten Zeit und schließt und arretiert sich anschließend entsprechend auch wieder allein“, erklärte Hahnfeld. „Ich muß vorher eigentlich nur wissen, wie lange wir brauchen, um zu starten und durch das Tor auszufliegen. Danach stelle ich die Zeitschaltuhr der automatischen Torbedienung ein.

„Tja, auch hier ist ja wirklich an alles gedacht worden“, antwortete Hase bewundernd. „Wenn man dabei bedenkt, unter welchen Bedingungen hier gebaut wurde.“

„Ja“, bestätigte Hahnfeld nicht ganz ohne Stolz, „wir haben uns hier drinne sogar vom Russen überrollen lassen. Sind nachher noch mal rausgegangen, um die letzten Tarnungen abzuschließen.“

„Kann man sich gar nicht vorstellen“, Seidel schüttelte nur noch mit dem Kopf. „Und von außen ist nur ein verwüstetes Baustellengelände zu sehen. Alles macht den Eindruck, als wäre hier nur angefangen worden und nichts sei fertig.“ „Genau dies wurde beabsichtigt. Eine bessere Tarnung gibt es kaum. Außerdem wurden auch bewußt viele Informationen in dieser Richtung verbreitet. Die heute hier lebenden Polen wissen nichts anderes. Und einige allzu Neugierige haben ihr Spähtouren mit dem Leben bezahlt. Es wagte sich kaum noch jemand in diesen Gebirgsabschnitt.“

In der hohen Felshalle war es recht kühl. Die Männer fröstelten schon etwas, als Hahnfeld anbot, nun in die bewohnbaren Bereiche zurückzukehren. Wieder in der Zentrale angekommen setzte man sich noch einmal am Pult zusammen, wobei der Kommandant die verborgenen Außenkameras aktivierte und so seinen Gästen mittels dieser Überwachungstechnik Teile des nun schon in der Abend-dämmerung liegenden waldigen Außengeländes und die Baustelle dicht am Berghang zeigte.

„Die Dämmerstunden sind für diese Technik etwas ungünstig. Es dauert nämlich jetzt noch, bis die Sensoren auf Wärmebild umschalten“, erklärte Hahnfeld dabei. „An sensiblen Bereichen, wie etwa dem Tor des Hangars oben in der Bergwand und einer geheimen Personenschleuse, sind aber noch zusätzlich Bewegungsmelder angebracht, die, unabhängig von der Helligkeit oder Dunkelheit draußen, jedes sich bewegende Objekt feststellen und melden. Ich bekomme dann hier das Bild auf den Schirm und weiß zumindest, um was oder wen es sich handelt. Seidel und Hase bedankten sich für die interessanten Erläuterungen und erhoben sich schließlich. Hahnfeld begleitete sie in ihre vorbereiteten Quartiere, wo sich die beiden Ankömmlinge bald darauf schlafen legten, um neue Kräfte zu sammeln. Draußen, hinter den dicken Felsmassiven, war mittlerweile auch schon die Nacht über das einsame Gebirge gezogen.

Als der Aufzug wieder hielt sah Wolf nur eine zerschrammte Metallwand vor sich, die in einem dicken, stählernen Rahmen eingelassen war. Erst nach einiger Suche fand er den Öffnungsmechanismus. Das Hindernis sprang durch einen verborgenen Federmechanismus ein Stück nach vorne auf und er konnte das kleine Tor ganz aufdrücken. Auch hier funktionierte noch immer alles erstaunlich gut, stellte Wolf zu seinem Erstaunen wiederum fest. Die entstandene Öffnung führt in einen wüst aussehenden, nach Öl und anderen alten Schmierstoffen stinkenden, halbdunklen Raum. Als er den schmutzigen Boden genau betrachtete, entdeckte er die halbverwischten Spuren von Autoreifen. Es war eine große, geräumige Garage, in der er sich jetzt befand. An der gegenüberliegenden Stirnwand waren die rostigen Türflügel nicht ganz geschlossen. Graues Dämmerlicht drang von dort in einem schmalen Streifen ein. Wolf fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Er hatte es geschafft. Nur raus hier, war sein Gedanke, als er auch schon das Garagentor von innen her aufschob. Das Gelände, das sich nun seinem Auge bot, war ihm schon gut bekannt. Er befand sich auf dem großen Lager- und Umschlagplatz in dem hohen Gebirgstal. Der Zufall hatte es wirklich gut mit ihm gemeint. Dennoch ging er ganz vorsichtig aus der Garage an der bewaldeten Bergwand. Er spähte aufmerksam um sich, konnte aber nichts Auffälliges bemerken. Nur der Wind wehte wie immer über den wüsten Platz. Blech klirrte irgendwo leise aneinander, und von den abgetrockneten Sandhaufen wehten leise Staubfahnen auf. Wolf versicherte sich, daß sein Rucksack noch immer fest auf dem Rücken saß und beeilte sich dann, zum Versteck seines Autos zu gelangen. Dazu überquerte er den weiten Lagerplatz mit seinen unübersichtlichen Gewirr von zerfallenen Schuppen, Materialhaufen und den zahlreichen liegengebliebenen Gerätschaften nicht direkt, sondern schlug sich durch die Büsche und niedrigen Bäume an den Talhängen. Es dauerte nicht lange bis er die abgelegene Stelle erreicht hatte, wo er vor seinem Einstieg den Wagen versteckte Aufatmend ließ er sich neben ihm nieder und streifte seine Last vom Rücken. Es war nun fast dunkel geworden. Er verstaute den Rucksack mit dem wertvollen Inhalt unter dem Fahrersitz und ließ den Motor an. Die abgeblendeten Scheinwerfer beleuchteten den huckeligen Fahrweg zwischen Holzhaufen und Baumdickichten. Langsam und vorsichtig steuerte er das Auto die schmale Waldpiste entlang. Er mußte noch den relativ freien Talabschnitt den Lagerplatzes passieren, dann konnte er wieder in das schützende Dunkel der Wälder eintauchen. Das trüb-gelbe Licht der Scheinwerfer huschte über verbogene Wellblechwände und schon mit Moos bedeckte Schutthaufen. Die Räder rumpelten sachte über rostige Schmalspurgleise, auf denen längst vergessene Loren standen, als Wolf glaubte, dort eine undeutliche Bewegung wahrzunehmen. Er war sich nicht sicher, doch vorsichtshalber beschleunigte er die Fahrt.

Das Erbe

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