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Das Jazz-Age in der Weimarer Republik

Etliche Musiker des Southern Syncopated Orchestra verließen das Orchester, weil sie in London, Paris und anderswo profitable Engagements fanden. Für sie alle wie für andere afro-amerikanische Künstler war die Reise nach Europa eine einzigartige Erfahrung, die sich durch gute Verdienstmöglichkeiten auszeichnete, mehr noch aber durch eine Wertschätzung ihrer Kunst, wie sie diese aus ihrer Heimat nicht kannten, von dem für schwarze Künstler weit weniger folgenschweren Rassismus ganz zu schweigen. Das Management der Band füllte die Fehlstellen im Orchester mit schwarzen Musikern, egal, ob diese aus den USA, der Karibik oder Afrika stammten. Im Oktober 1921 kamen neun Mitglieder des SSO bei einem Schiffsunglück vor der schottischen Küste ums Leben. Sidney Bechet, den Ernest Ansermet in seinem Aufsatz herausgestellt hatte und der 1920 in London zusätzlich zur Klarinette das Sopransaxophon in sein Instrumentarium aufnahm, kehrte 1921 zurück in die USA, war aber bereits 1925 wieder in Europa. London war, der fehlenden Sprachbarriere wegen, der wichtigste Standort für amerikanische Musiker, gefolgt von Paris.

Deutschland lag Anfang der 1920er Jahre durch Staatsverschuldung und Reparationsverpflichtungen wirtschaftlich am Boden und erlitt 1923 eine legendäre Hyperinflation mit ungeahnten Notenwerten des Geldes, bis die Einführung der Rentenmark im November 1923 diese beendete. Schnell erholte sich das Land und wurde damit ein interessantes Ziel auch für Varietékünstler und Musiker. Die »Goldenen Zwanziger Jahre«, als die diese Zeit in die Kulturgeschichtsbücher einging, begannen etwa zur Mitte des Jahrzehnts und machten Berlin endgültig zu einem weiteren, wenn nicht gar zum wichtigsten Zentrum der europäischen Unterhaltungsindustrie.

Tatsächlich begann die nächste große Tournee eines afro-amerikanischen Orchesters mit der Revue Chocolate Kiddies 1925 genau hier, also in Berlin. Von nun an war die deutsche Hauptstadt, genauso wie Paris und London, eine Metropole für die afro-amerikanische Musik und fürs Showbusiness. Es gab Clubs, Theater und Ballsäle, und es gab unzählige Bands und Orchester, deren Musiker ein gutes Auskommen hatten. Ab 1925 lohnte es sich auch für amerikanische Musiker, sich in Berlin niederzulassen und die verschiedenen deutschen Theater in ihre Tourneeplanung einzubeziehen. Welche Vorstellung aber hatte man in Deutschland vom Jazz? Und wie unterschied sich diese von jener, die in Paris oder London vorherrschte? Wie reagierte die Kunstszene, wie das Publikum, wie reagierten andere Musiker, wie die Wächter über öffentliche Moral und Anstand? Welche Formen nahmen Faszination und Vorbehalte gegenüber dem Jazz an? Und wo konkret hatten sie ihren Ursprung?



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