Читать книгу Das unheimliche Horror-Kabinett: Sammelband - Alfred Bekker - Страница 32

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Einen Augenblick lang folgte keine Reaktion.

Tom Brown klopfte noch einmal.

"Man scheint hier auf Besuch nicht eingestellt zu sein", meinte Tom Brown.

Ich spürte die Anwesenheit einer übersinnlichen Kraft. Ganz deutlich...

Jene Kraft, die die Toten aus der Erde heraufkriechen ließ!, dachte ich schaudernd. Wir waren am richtigen Ort, wenn wir etwas mehr über diese furchtbaren Dinge herausfinden wollten, da gab es für mich nicht den geringsten Zweifel.

Aber da war auch das Gefühl der Gefahr...

Ein deutliches Unbehagen machte sich in meiner Magengegend breit.

Wir hörten Schritte.

Die Tür wurde geöffnet. Ein sehr förmlich gekleideter Butler trat uns gegenüber.

"Guten Abend, Sie wünschen?", fragte er und wirkte dabei so kalt wie ein Fisch. Seine Mimik und Gestik hatte etwas Maschinenhaftes an sich - auch wenn dies nichts mit jener marionettenhaften Bewegungsart zu tun hatte, die wir bei den lebenden Toten gesehen hatten.

Seine blassblauen Augen musterten uns forschend.

Ein Gesicht, dem man unmöglich ansehen kann, was hinter ihm vor sich geht, ging es mir durch den Kopf.

"Mein Name ist David Reilly, und dies ist Tom Brown", sagte ich, beinahe mechanisch. Ich war nicht hundertprozentig bei der Sache. Irgend etwas lenkte mich ab...

Vielleicht der mentale Druck, den ich spürte...

Der Butler hob die dünnen, kaum sichtbaren Augenbrauen.

Ich fuhr fort: "Wir hätten gerne mit Mr. Cornelius gesprochen."

"In welcher Angelegenheit?" Eine Stimme wie klirrendes Eis. Die dünnen Lippen des Butlers schienen sich beim Sprechen kam zu bewegen.

"Es geht um den Mord an Elaine Ralston, der sich auf den hiesigen Friedhof ereignete. Soweit wir wissen, hatte Elaine hier eine Anstellung und wohnte auch hier..."

Der Butler schien sich einen Moment lang unschlüssig zu sein.

Dann sagte er: "Folgen Sie mir bitte."

Er führte uns durch die großzügig angelegte Empfangshalle.

An den Wänden hingen kostbare Gemälde. Die waren im Stil des Klassizismus gemalt worden und zeigten Motive aus der griechischen und römischen Antike.

Das etwas unruhige, aber warme Licht von Kerzenleuchtern beleuchtete außerdem eine Reihe von Götterstatuen im Stil der römischen Kaiserzeit.

Der Mann, in dessen Haus wir uns jetzt befanden, schien ein Liebhaber dieser Epoche zu sein.

"Haben Sie kein elektrisches Licht?", fragte Tom Brown.

Der Butler antwortete, ohne sich dabei herumzudrehen oder auch nur den Kopf um ein paar Grad zu drehen.

"Meine Herrschaft hält nicht viel von elektrischem Licht", erklärte er. "Mr. Cornelius ist der Ansicht, dass das harte Licht von Neonröhren und Glühbirnen seinen empfindlichen Augen schade und außerdem eine Beleidigung für all die Kunstschätze sei, die sich auf Cornelius Manor befinden..."

"Mr. Cornelius scheint ein sehr kultivierter Mann zu sein", murmelte ich.

"Ohne Zweifel", sagte der Butler.

Er führte uns in einen Salon. An den Wänden waren Fresken, die Motive aus dem antiken Rom zeigten. Einige uralt wirkende Regalschränke waren mit dicken, staubigen Folianten gefüllt, so wie ich sie aus der Bibliothek des Klosters Clairmont kannte.

"Bitte warten Sie hier", wies uns der Butler an. "Mr. und Mrs. Cornelius werden Sie gleich empfangen."

"Mrs. Cornelius?", fragte ich überrascht.

Der Butler reagierte darauf nicht.

Er verschwand durch eine Seitentür.

Kurz Zeit später kehrte der Butler zurück.

Ihm folgten ein hochgewachsener, hagerer und sehr konservativ gekleideter Mann und eine Frau mit langem, bis auf die Schultern herabfallenden Haaren und feingeschnittenen Zügen. Die Frau trug ein fließendes Gewand, das mich irgendwie an die Darstellungen auf den Fresken erinnerte. Mode der Antike...

Der hagere Mann begrüßte uns. "Gentlemen... Ich bin Marcus Cornelius und möchte Ihnen meine Frau Claudia vorstellen..."

Um Claudias volle, sinnlich wirkenden Lippen spielte ein verhaltenes Lächeln.

Sie nickte uns knapp zu, verzichtete aber darauf, sich dazu herabzulassen, uns die Hand zu geben. Ihre Körperhaltung und ihr Blick verrieten eine gewisse Portion aristokratischen Hochmut - obwohl ich bisher nichts davon gehört hatte, dass einer der beiden tatsächlich adeligen Ursprungs war.

Marcus Cornelius deutete auf eine Sitzecke und bot uns einen Platz an. Die Stühle wirkten zart und zerbrechlich.

Rokoko-Stil, schätzte ich. Und vermutlich handelte es sich sogar um echte Antiquitäten und nicht um billige Imitate.

Claudia nahm ebenfalls Platz.

Ihr langes, fast bis zum Boden reichendes Gewand raschelte dabei.

Marcus Cornelius warf dem Butler einen Blick zu. Dieser nickte, so als hätte er wortlos verstanden und verließ daraufhin den Raum.

Der Hausherr setzte sich als letzter.

"Der Vorfall mit Miss Ralston ist sehr bedauerlich", erklärte Cornelius dann mit eiskaltem Tonfall. Innerlich schien er völlig unbeteiligt zu sein. "Aber leider werde ich Ihnen auch nicht mehr sagen können, als diesem Inspector... ach wie war doch noch sein Name, Darling?"

"Rankine", antwortete Claudia. "Inspector John Rankine."

"Ja, richtig." Cornelius sah mich an. Sein Blick hatte eine geradezu unheimliche Intensität. Das sind Augen, die schon sehr, sehr viel gesehen haben!, kam es mir unwillkürlich in den Sinn.

"Miss Ralston hat hier gelebt und gearbeitet. Sie war sehr zuverlässig, ist selten ausgegangen, und wir waren mit ihr zufrieden..."

"Sie soll Mitglied in einem okkulten Zirkel gewesen sein."

"Ach! Woher wollen Sie das wissen?"

"Das wird erzählt..."

"Nun, Sie werden solchen Gerüchten kaum irgendwelche Bedeutung zumessen - oder irre ich mich da?"

"Wissen Sie, was mit Elaines Bruder geschehen ist – Mr. Clyde Ralston?", fragte ich dann.

"Er soll verrückt sein. Und das schon seit Jahren. Seit dem allzu frühen Tod seiner Eltern ist der gute Mann mehr oder minder durchgedreht, aber das weiß hier jeder."

"Er ist tot."

"Oh, das ist bedauerlich."

"Er wurde auf brutale Weise ermordet, Mr. Cornelius. Und ich nehme an, dass Sie einer derjenigen sind, die ihn zuletzt lebend gesehen haben..."

"Ah, daher weht der Wind..."

Cornelius wechselte einen Blick mit Claudia. In seinen Augen flackerte es einen Augenblick lang unruhig. Dann errang er wieder die Kontrolle zurück. Sein dünnlippiger Mund bildete einen geraden Strich.

"Ich habe Clyde seit langem nicht mehr gesehen."

"Er war hier!", beharrte ich. "Die Polizei wird kommen und die Reifenspuren vor Ihrem Haus mit denjenigen vergleichen, die..."

"Wollen Sie mich beleidigen, Mr. Reilly? Sind Sie deswegen hier?"

"Es kann nur eine Frage der Zeit sein, dann wird Inspector Rankine hier noch einmal auftauchen. Und er wird Ihnen ähnliche Fragen stellen..."

"Das kann ich in aller Ruhe erwarten!"

Er fühlte sich offenbar angegriffen.

Jedenfalls wirkte er äußerst gereizt.

Jetzt mischte sich Claudia ein.

"Mein Mann ist im Moment sehr angespannt", versuchte sie die Situation - wenn schon nicht zu retten, so doch wenigstens zu erklären. "Wir leben seit vielen Jahren sehr zurückgezogen und sind es nicht gewohnt, dass solche Dinge auf uns einstürzen..."

"Ich verstehe", erwiderte ich. Obwohl ich keineswegs Verständnis dafür hatte. Das unbehagliche Gefühl in meiner Magengegend nahm stetig zu. Und ich spürte auch wieder die Anwesenheit jener übersinnlichen Macht, die hinter allem stehen musste.

Jener Macht, die die Toten wie Marionetten bewegt und mit schier ungeheuerlichen Kräften ausgestattet hatte.

Jetzt meldete sich Tom Brown zu Wort.

"Draußen vor ihrem Haus scheint der Boden ziemlich aufgewühlt zu sein... Was ist dort geschehen, Mr. Cornelius? Ihr Anwesen wirkt doch sonst so gepflegt."

"Wir leiden unter einer Maulwurfplage", kam die wenig überzeugende Antwort.

"Es erinnerte uns an das Bild, das sich derzeit auf dem Friedhof in Ranby bietet", ließ Tom Brown nicht locker.

"Worauf wollen Sie hinaus?", erwiderte Cornelius.

"Darauf, dass Sie in der Nacht von Elaine Ralston Tod gesehen worden sind... Auf dem Friedhof von Ranby!"

"Wer erzählt solche Märchen?" Er versuchte entspannt zu wirken, aber das misslang ihm gründlich. Cornelius deutete mit dem Zeigefinger in Toms Richtung und stieß dann hervor. "Sie hatten eine Unterhaltung mit Miles, unserem Totengräber, nicht wahr?"

"Waren Sie dort - in jener Nacht?"

"Sie sollten nicht alles glauben, was man Ihnen sagt. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt!"

"Angeblich sollen Sie über geheimnisvolle Kräfte verfügen", warf ich jetzt ein. "Die Kraft, Tote zum Leben zu erwecken."

"Muss ich darauf eine Antwort geben?"

Ich wusste selbst, wie absurd das klang. Zumindest für die Ohren jener Normalsterblichen, die von den Kämpfen, die im Verborgenen stattfinden, keine Ahnung haben. Den Kämpfen zwischen Gut und Böse, zwischen dem Licht und der Dunkelheit. Den Kämpfen zwischen kalten kosmischen Mächten, denen das Schicksal der Menschheit in Wahrheit ziemlich gleichgültig ist. Und Inspector Rankine würde Tom Brown und mich für verrückt erklären, wenn wir ihm mit einer derartigen Geschichte kamen.

Wir hingegen hatten den Angriff der lebenden Toten am eigenen Leib erlebt.

Aber es war nichts zurückgeblieben, was diesen Angriff wirklich hätte beweisen können.

Ich sah den leisen Triumph in Marcus Cornelius' Augen.

Er wusste um die Stärke seiner Position.

"Es ist wahr", sagte er dann. "Ich habe einen Gutteil meines Lebens dem Studium des Geheimnisvollen und Unerklärlichen gewidmet. Dingen, die es nach den Maßstäben unserer Wissenschaft eigentlich gar nicht geben dürfte, die aber seit Menschengedenken doch existieren. Aber das ist kein Verbrechen. Und das wird Mr. Rankine kaum anders sehen..."

Ein Motorengeräusch ließ uns aufhorchen. Ich nahm an, dass das die Polizei war. Claudia und Marcus Cornelius schienen denselben Gedanken zu haben. Sie wechselten einen nervösen Blick und erhoben sich dann beinahe gleichzeitig.

"Unser Gespräch betrachte ich als beendet", erklärte Cornelius dann in meine Richtung.

Sein unheimlicher Blick ruhte einige Augenblicke auf mir.

"Überschätzen Sie sich nicht, Mr. Reilly", sagte er dann düster. "Bei allem, was Sie von jetzt an tun, sollten Sie daran denken..."

"Ist das eine Drohung?"

"Eine Warnung!" Er lächelte teuflisch. "Eine Warnung ganz allgemeiner Art!"

Das unheimliche Horror-Kabinett: Sammelband

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