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Watson, Crick und die dunkle Dame der DNA

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DNA – was ist das? Der nächste Schritt führte noch tiefer hinein in das Rätsel der Vererbung. Dank des Experiments im Kantinenmixer war die Funktion der DNA nun immerhin zu erahnen. Welche Funktionen sich aber in der Substanz verbargen, war eine Frage, die weltweit die Neugier von Biologen weckte. Ein Wettlauf um die Entschlüsselung des Erbguts begann. Forscher in den USA und Großbritannien tüftelten um die Wette.

Favorit in Nordamerika war der Biochemiker Linus Pauling. Er entschlüsselte die Struktur vieler Proteine und kam 1953 zu dem Ergebnis, dass die DNA die Form einer Helix hat – die Moleküle sind auf ihr wie auf einer Spirale aneinandergereiht, so Paulings Vermutung. Die Erkenntnis war richtig, aber Pauling unterlief ein Fehler. Er behauptete, die DNA bestünde aus drei Spiralsträngen, die sich umeinander winden. Falsch, erkannten der Physiker Francis Crick und der Biologe James Watson. Sie gehörten zu den ersten Menschen, welche die DNA-Struktur mit eigenen Augen sahen.

Sichtbar wurde die Spirale in einem Labor im Londoner King’s College. Dort arbeitete die Röntgenspezialistin Rosalind Franklin daran, DNA optisch abzubilden. Während sich Crick und Watson in ihrem Labor in Cambridge hitzige Debatten lieferten, herrschte in London eisiges Schweigen. Zwischen Rosalind Franklin und ihrem Chef, dem Biologen Maurice Wilkins, tobte ein Kleinkrieg. Trotz sensationeller Erfolge verschloss sich Franklin jeder wissenschaftlichen Diskussion und behielt die Ergebnisse ihrer Arbeit für sich. Was aber in den Aufzeichnungen der Forscherin steckte, war der entscheidende Hinweis – eine durch Röntgenstrahlen ermöglichte fotografische Aufnahme der DNA-Doppelspirale, nur verschwommen zu erkennen, aber für den Eingeweihten so eindeutig sichtbar wie ein Bild vom letzten Weihnachtsfest. Während Wilkins darauf drängte, das Foto anderen Wissenschaftlern zu zeigen, um gemeinsam zu einer Lösung des DNA-Rätsels zu gelangen, hatte Franklin Bedenken. Ihrer Meinung nach war es zu früh, von einem Ergebnis zu sprechen. Sie hatte zwar die DNA sichtbar gemacht, aber sie vermutete, dass die Form der Säure sich unter verschiedenen Bedingungen – etwa Feuchtigkeit – anders darstellen könnte und wollte weitere Tests abwarten. Dazu aber kam es nicht.

Wilkins, Crick und Watson waren Freunde. In einem Brief von Wilkins an Crick aus dem Jahr 1952 findet sich folgende Zeile: „Franklin bellt oft, es gelingt ihr aber nicht, mich zu beißen. Seitdem ich meine Zeit neu eingeteilt habe, so dass ich mich auf die Arbeit konzentrieren kann, geht es mir nicht mehr so nahe.“ Eines Tages besuchte James Watson seinen Kollegen in London. Rosalind Franklin war zuvor auch mit Watson persönlich aneinandergeraten. Als der Kollege aus Cambridge erschien, verließ sie das Labor. Ihr Vorgesetzter Wilkins nutzte die Gunst der Stunde. Wohl wissend, dass Watson kurz davor war, die DNA-Struktur zu entschlüsseln, ihm aber der entscheidende Hinweis fehlte, holte er die Aufnahme von Rosalind Franklin hervor und zeigte Watson das Ergebnis, ohne ihre Zustimmung einzuholen. James Watson erkannte, was er bereits vermutet hatte. „Mir klappte der Unterkiefer herunter und mein Puls flatterte“, schrieb der Wissenschaftler später in seinen Erinnerungen. Auf dem Foto war eine Doppelspirale zu erkennen. Das Bild war der letzte Baustein, der Watson und Crick fehlte. Die Forscher hatten die DNA-Doppelhelix gefunden, das räumliche Spiralmodell der menschlichen Gene, das „einen möglichen Kopiermechanismus für das genetische Material unmittelbar nahe legt“. Mit diesem berühmten Nachsatz schlossen Watson und Crick 1953 einen Aufsatz in der US-Zeitschrift „Nature“. Das Rennen um eine der bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhundert war beendet.

Die Doppelspirale der DNA ähnelt einer schraubenförmig gedrehten Strickleiter. Zwischen den beiden Strängen liegen die vier Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) wie Leitersprossen. DNA liegt im Zellkern und besteht aus drei Arten von Molekülen. Phosphor und Zuckermoleküle bilden die Stränge der Leiter, die Basen verbinden die Stränge wie Leitersprossen. Zwischen den Basen jedes Stranges befindet sich eine Brücke aus Wasserstoff. Eine freie Kombination der Basen ist jedoch nicht möglich. Adenin liegt stets nur Cytosin gegenüber, Thymin stets Guanin. Die Reihenfolge, in der die Basen auf den Strängen liegen, legt die Reihenfolge der Aminosäuren in einem Protein fest – dieser Schlüssel ist der genetische Code, der für alle Lebewesen gilt.

Zunächst schien die DNA keine große Bedeutung zu haben. Selbst der berühmte Genetiker Max Delbrück hatte sie ein „dummes Molekül“ genannt. Erst ein tieferer Blick in die Zellen offenbarte, welche Arbeit die DNA beim Aufbau des Lebens wirklich leistet. Aus den von der DNA codierten Aminosäuren setzen sich die Proteine zusammen. Diese wiederum bauen die Zellbestandteile auf, aus denen der Organismus besteht. Die in der DNA gespeicherten Informationen entscheiden über die Gestalt eines Lebewesens, über seine Lebensprozesse wie den Enzym- und Hormonhaushalt sowie sämtliche anderen Merkmale. Wer den Schlüssel zum Inneren der DNA in Händen hält, kann das Leben an seinem Ursprung erforschen.


Ein tiefer Blick ins Leben – mit dieser Aufnahme gelang es Rosalind Franklin, die DNA-Struktur erstmals sichtbar zu machen. Das Bild lieferte Watson und Crick den entscheidenden Hinweis für die Struktur der DNA als Doppelspirale.

Als 1962 der Nobelpreis für Medizin an Francis Harry Crick, Maurice Hugh Wilkins und James Dewey Watson vergeben wurde, stand Rosalind Franklin nicht mit auf der Ehrentribüne in Stockholm. Die Wissenschaftlerin war 1958 im Alter von 37 Jahren an Krebs gestorben, den sie sich vermutlich durch die Anwendung der Röntgenstrukturanalyse zugezogen hatte. Noch postum blieb Franklin die Anerkennung ihrer Arbeit verwehrt. In seinem Buch „Die Doppelhelix“ verewigte James Watson die Kollegin 1968 als übellaunigen Drachen, der auf einem Hort aus Daten hockte. Tatsächlich hatte sich Rosalind Franklin kurz nach dem Eklat mit Wilkins und Watson aus dem King’s College zurückgezogen, um andernorts einen Tabakvirus zu studieren. Ihre Biografin Brenda Maddox studierte die Aufzeichnungen der Forscherin und erklärte in ihrem Buch „The Dark Lady of DNA“ 2003: „Rosalinds Notizbücher belegen deutlich, dass sie selbst wenig später zu derselben Erkenntnis gelangt wäre wie Watson und Crick.“

Mit der Entdeckung der DNA-Doppelhelix endete eine fast hundert Jahre lange Forschungsodyssee, die mit den Arbeiten Mendels in Brünn begonnen hatte. Noch aber ahnte nur ein kleiner Kreis von Wissenschaftlern, welche Möglichkeiten die Entdeckung der Nobelpreisträger eröffnete.

Vaterschaftstest für Pharao

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