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Die Stoppuhr der Vergangenheit

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Gene ticken. Das fanden die Biologen Linus Pauling und Emile Zuckerkandl 1962 heraus. Sie verglichen Arten miteinander, die sich in ihrer Entwicklung voneinander getrennt hatten, also einen gemeinsamen Vorfahren aufwiesen. Im Hämoglobin der Testkandidaten fanden die Forscher Aminosäuren, die sich umso mehr voneinander unterschieden, je jünger die untersuchte Art war. Fazit: Evolution folgt einem Rhythmus.

Die Theorie war geboren – was fehlte, war ein Messergebnis. Der Endpunkt der Skala war die Gegenwart mit noch lebenden Probanden. Den Anfang fanden die Genetiker in Fossilien, deren Überreste genug Informationen hergaben, um die entsprechenden molekularen Stellen identifizieren zu können. In den alten Knochen steckte der entscheidende Wissensbonus: Die Fossilien waren auf herkömmliche Art datierbar. Geologen und Archäologen hatten ihre Herkunft durch naturwissenschaftliche Methoden außerhalb der Genetik bereits festlegen können. Damit war auch der Startpunkt des evolutionären Wettlaufs geortet. Nun musste die Strecke abgeschritten werden.

Seither gilt: In jeder biologischen Art tickt eine molekulare Uhr. Ihre Ganggeschwindigkeit ergibt sich aus der Zeit der Evolution dieser Art und aus der Mutationsrate der Gene. Die Entdeckung ließ Historiker und Biologen aufhorchen. War der Rhythmus für eine Art festgestellt worden, für die datierte Fossilien vorlagen, ließ sich mit dieser Schablone auch das Alter von Arten bestimmen, deren Anfang nicht fossil belegt und deshalb unklar ist. Prominentester Prüfling für einen solchen Test wäre der Mensch, dessen wahres Alter sich im Streit um Fossilfragmente aus Ostafrika verliert.

Aber der Traum von der Bestimmung der menschlichen Geburtsstunde blieb zunächst unerfüllt. Gene sind bisweilen unberechenbar. Viele Faktoren lassen den Rhythmus der molekularen Uhr schwanken und machen vermeintlich exakte Messungen zur Schlitterpartie. Dazu zählt die Dauer einer Generation. 1999 stellte der US-Biologe Francisco Ayala fest, dass die molekulare Uhr umso schneller geht, je kürzer die Dauer einer Generation ist, oder andersherum – je schneller sich die Art fortpflanzt. Hingegen, so Ayala, gehe die Uhr langsamer, je größer eine Population ist. Denn je mehr Individuen einer Art existieren, umso seltener kommen die Mutationen einzelner zum Tragen. Die Veränderung der Erbanlagen, die bei einem von nur zwei Individuen einer Population mit Sicherheit weitervererbt werden würde, hat bei 1000 Individuen nur eine geringe Chance zu überleben.

Die Uhr tickt, aber ihr Räderwerk ruckelt. In Labors schleichen sich Ungenauigkeiten ein und kommen als Merkwürdigkeiten wieder heraus. So soll eine entscheidende Verzweigung im Stammbaum der Tiere, aus der sich später sowohl der Mensch als auch die Stubenfliege entwickelten, molekularen Studien zufolge 1200 Millionen Jahre alt sein. Das widerspricht allerdings der Datierung von Fossilien, die als früheste Dokumente der Ausbreitung höherer Tiere gelten. Sie sind mit 543 Millionen Jahren gerade einmal halb so alt. Die molekulare Uhr schlägt dreizehn.

Eine Stellschraube fand 2004 der französische Biologe Emmanuel Douzery. An der Universität von Montpellier wies Douzery darauf hin, dass sich die Ungenauigkeit der Messung reduzieren ließe, indem jede Gattung ihre eigene Mutationsgeschwindigkeit bekäme. Douzery nahm Maß und fand, dass die Veränderungen der Gene tatsächlich in Pflanzen in einem anderen Takt ablaufen als bei Tieren, Pilzen oder Einzellern. Im Labor kalibrierte der Franzose für jeden eine eigene Ganggeschwindigkeit der Gene und rechnete zurück. Demnach gibt es Pflanzen seit 1010 Millionen Jahren, Pilze und Tiere seit 984 Millionen Jahren. Die Trennung der Vorfahren von Mensch und Stubenfliege schraubte Douzery zurück auf 695 Millionen Jahre und damit in die Nähe der Daten aus Fossilien. Die weiterhin klaffende Lücke von 150 Millionen Jahren erklärte der Biologe mit dem Zeitraum, der zwischen Entstehung und Ausbreitung einer Art liege.

Die Entdeckung der evolutionären Eckdaten schlug Wellen, aber der Sturm im Reagenzglas ließ noch auf sich warten. Schließlich fassten US-Genetiker das heiße Eisen Menschwerdung an, an dem sich Anthropologen seit Jahrzehnten die Finger verbrennen. Wann trennten sich Mensch und Affe?

Vaterschaftstest für Pharao

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