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Vorwort: Gene mit Gedächtnis

Bislang nur Lückenbüßer der Geschichtsforschung, hat sich die molekulare Archäologie in den vergangenen zehn Jahren zu einem Zugpferd der Altertumswissenschaft entwickelt. Abseits von ethischen Debatten über Recht und Unrecht von Genmanipulation, von Stammzellenforschung, Chimären und Genfood lesen sich Biologen und Historiker gegenseitig aus dem Erbgut des Menschen vor. Die Geschichten, die sie zu hören bekommen, stehen wie Wegweiser im Labyrinth der Vergangenheit.

Der erste Einfall war nur eine Fantasie. Aus der Millionen Jahre alten DNA von Dinosauriern sollte Anfang der 1990er Jahre ein neuer Forschungszweig entstehen. Dino-Klone im Reagenzglas – die Realität erteilte diesem Traum eine Absage. Die zeitliche Grenze für die Untersuchung von Erbgut liegt bei 50.000 Jahren. Was jenseits davon geschah, blieb zunächst unantastbar. Dann aber entdeckten Naturwissenschaftler die „molekulare Uhr“, eine Methode, mit der Veränderungen im Erbgut berechnet werden können. Was im Labor nicht funktioniert, ist mit dem Rechenschieber möglich. Dank der molekularen Uhr kennen Anthropologen heute den Zeitpunkt, an dem sich Mensch und Affe voneinander trennten, sie wissen, wann der Mensch Australien besiedelte, wer der erste Amerikaner war und ob Neandertaler rote Haare hatten.

Heute gehört es bereits zu den Standards der Paläogenetik, Mumien-DNA zu entschlüsseln. Mit dem Schulterschluss im Genlabor haben Historiker und Biologen gemeinsam festgestellt, dass Pharaonen Rotwein tranken, wo die verschollene Mumie der Pharaonin Hatschepsut lag und wie die Henkersmahlzeit von Ötzi, der Mumie vom Similaungletscher, aussah.

Weitere Einblicke in die menschliche Vergangenheit öffnen Vergleiche mit dem Erbgut von Tieren. Ein Blick auf die genetische Uhr der Kleiderlaus brachte die Erkenntnis, dass sich das Tier vor etwa 40.000 Jahren aus der Kopflaus entwickelte, als es eine neue ökologische Nische gefunden hatte: die Kleidung des Menschen. Die Suche nach den ersten Kleidern war damit über einen Umweg beendet.

Der nächste Schritt ist groß, aber Molekularbiologen nehmen mutig Anlauf. Wer die Verbreitung von Gengruppen auf der Weltkarte betrachtet, stößt auf Ähnlichkeiten mit der Entstehung kultureller Errungenschaften. Wo der Mensch vor 10.000 Jahren die ersten Häuser baute, taucht auch ein genetischer Marker in fossilen Knochen auf. Ist das Erbgut verantwortlich für den Ursprung der Zivilisation?

Den Möglichkeiten für den Einsatz von DNA-Tests in Archäologie, Anthropologie und evolutionärer Biologie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Kostete es noch vor wenigen Jahren mehrere Milliarden Euro, ein vollständiges Genom – das gesamte Erbgut einer Art – zu entschlüsseln, prophezeien Fachleute für die nächsten Jahre das Tausend-Euro-Genom. Dank der Billig-DNA reiben sich Geschäftemacher die Hände. Wer den historischen Wurzeln seiner Vorfahren nachspüren will, kann darauf hoffen, von Phöniziern, Wikingern oder Etruskern abzustammen, vorausgesetzt, er liefert bei Privatunternehmen Speichelprobe und Honorar ab. Findige Firmen bewerben den DNA-Test als „Perfekte Geschenkidee“ neben Blumensträußen, Wellnesskisten und der Geburtstagszeitung – Goldgräberstimmung im Genlabor.

Abseits solcher Scharaden beißen sich Molekularbiologen und Archäologen an historischen Fragen fest und bisweilen die Zähne aus. Gemeinsam suchen die Forscher in den kleinsten Teilen des Lebens nach Antworten auf die großen Fragen der Geschichte, nach der Herkunft des Menschen und seinem Pfad in die Zivilisation. Die folgenden Kapitel führen zu den Sternstunden der Paläogenetik und zeichnen die Irrwege einer Wissenschaft nach, die es sich als jüngste Disziplin der Naturwissenschaft zur Aufgabe gemacht hat, eine der ältesten Substanzen der Erdgeschichte zu erforschen.

Ostbevern, im Sommer 2008

Vaterschaftstest für Pharao

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