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Rauswurf für Rassenideologen

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Der Mensch ist ein Mutant. Seit seiner Entstehung machte er bislang unzählbare Veränderungen durch – mehr als die meisten anderen Lebewesen. Peter Keightly von der Universität Edinburgh fand heraus, dass der bei den Kollegen in Arizona festgestellte evolutionäre Startschuss der Hominiden vor etwa sechs Millionen Jahren der Gattung genug Zeit ließ, um wenigstens hundertvierzigtausendmal das Erbgut zu verändern. Vor allem die regulatorischen Bereiche, die das Ablesen weiterer Gene ermöglichen, blieben oft in Bewegung. Ratten und Mäuse, die ebenfalls seit annähernd sechs Millionen Jahren über die Erde trippeln, haben sich an den entsprechenden Stellen im Erbgut kein einziges Mal verändert. Woran liegt das? Muss der Mensch die Nager als perfektere Ergebnisse der Evolution anerkennen? Für Peter Keightly lag eine mögliche Erklärung darin, dass die gesamte heutige Population des Menschen möglicherweise von nur etwa 10.000 Individuen abstammt. Nur durch dieses in der Biologie „Flaschenhalseffekt“ genannte Phänomen hätten sich auch die vielen Mutationen durchsetzen können, die sonst im Regelfall durch Selektion eliminiert worden wären, so der Genetiker. Bei Ratten und Mäusen lag der Fall anders. Die Nagetiere waren zum fraglichen Zeitpunkt weit verbreitet, es gab sie überdies in großer Zahl. Unter solchen Voraussetzungen geht die Mutation eines einzelnen Gens in der Masse der Individuen unter.

Das Auszählen der menschlichen Gene legte nicht nur Geburtsstunde und Herkunft der Hominiden fest, es räumte auch mit ideologischen Diskussionen um Menschenarten auf. Die Unterarten entstanden vermutlich nach Ende der letzten Eiszeit vor mehr als 10.000 Jahren – eine Entwicklung, die auch soziale und politische Folgen hatte.

Die Behauptung der Rassenideologen, Menschen seien biologisch in Formen unterteilbar, hat an Boden verloren. Zwar sind Unterschiede zwischen einzelnen Populationen feststellbar, aber eine allgemein gültige Unterteilung konnte bislang niemand unangefochten vornehmen. Während manche von den vier Gruppen Europiden, Mongoliden, Indianiden und Negriden sprechen, sind es für andere mehr als vierzig Formen, die durch Vermischung entstanden sind. Die Zahlen schwanken. Ohne Fundament aber ist Naturwissenschaft auf Sand gebaut. Biologen winken bei der Artendebatte heute meist ab. Die „Menschenrasse“ gilt nicht länger als biologische Kategorie, sondern als sozialpsychologisches Konstrukt. Dennoch ebben die Diskussionen nicht ab.

Dem schiebt erst die Genetik einen Riegel vor. Der augenscheinlichste Unterschied in der Entwicklung der Menschenformen ist die Hautfarbe. Das optisch Eindrucksvollste aber täuscht über die inneren Werte hinweg. Der Biologe Esteban Parra fand an der Universität von Toronto im kanadischen Mississauga heraus, dass nur eine Handvoll Gene die Hautfarbe beeinflusst, der Mensch aber trägt insgesamt 3,1 Milliarden Gene im Erbgut.

Eine Absage erteilte die Genetik 2004 auch jenen Medizinern, die an Krankheiten glauben, die angeblich ausschließlich bestimmte Menschenarten heimsuchen. Francis Collins, einer der Leiter des Human-Genom-Projektes, hatte sich mit einem Team von Wissenschaftlern der Frage gewidmet, ob und wie menschliche Arten anhand von Genen bestimmbar sind. Grundlage der Debatte war die im April 2003 für vollendet erklärte vollständige Entzifferung der Abfolge der menschlichen Genomsequenz. Das Ergebnis schmetterte die Argumente der letzten Unverbesserlichen nieder. „In vielen Fällen“, so Collins, „liegen die Ursachen für gesundheitliche Schwächen nicht in den Genen, sondern sind auf Kultur, Ernährungsgewohnheiten, den sozioökonomischen Status, Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung, Umwelteinflüsse, den gesellschaftlichen Status, Diskriminierung und Stress zurückzuführen.“ Ausnahmen seien jedoch bekannt, räumt Collins ein, etwa die Tay-Sachs-Krankheit bei aschkenasischen Juden und die Sichelzellenanämie der Schwarzafrikaner.

Der Mensch verändert sich noch immer mit für Genetiker erstaunlicher Geschwindigkeit. Ein Motor, der die Gene des Menschen in Bewegung hält, ist Kultur. Das Enzym Laktase sorgt dafür, dass im Körper von Homo sapiens Milchzucker abgebaut werden kann. Vor 10.000 Jahren fehlte davon im Erbgut noch jede Spur. Bis dahin lebte der Mensch ausschließlich von der Jagd, vom Früchtesammeln und an wenigen Quellorten der Zivilisation bereits vom Ackerbau. Die Domestizierung milchgebender Tiere ließ noch auf sich warten; sie mag dadurch verzögert worden sein, dass die ersten Viehzüchter der Welt zwar das Fleisch der Tiere schätzten, die Milch von Schaf, Rind und Ziege für sie aber ungenießbar war. Wann sich das Enzym in den Genen des Menschen einnistete, ist unbekannt, aber es sorgte dafür, dass die Hirten die Milch ihrer Tiere trinken konnten. Auch die Ausbreitung der neuen Nahrungsquelle lässt sich anhand des Laktase-Enzyms verfolgen: Die Milchmänner aus dem Vorderen Orient zogen westwärts.

Heute tragen etwa neunzig Prozent aller Europäer die Genvariante, die ihnen den Genuss von Milch erlaubt. Die Verbreitung der Milch als Nahrungsmittel lässt sich damit ebenso feststellen wie das Phänomen, dass der Mensch seit der Entstehung des Homo sapiens keineswegs zur Ruhe kam. Die Evolution geht weiter.

Vaterschaftstest für Pharao

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