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Ein tiefer Blick ins Leben

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Gentechnik gestern, heute und morgen

Gerade 150 Jahre jung, ist die Genetik bereits eine Wissenschaft mit eigener Geschichte. Ihre Wurzeln legte 1856 ein Mönch im Klostergarten von Brünn. Dort beschnitt der Österreicher Johann Mendel unter dem Ordensnamen Gregor einige unscheinbare Gemüseranken. Mendel widmete sein Leben im Kloster erst in zweiter Linie dem Gottesdienst, seine Lebensaufgabe fand er in der der Religion oft zuwiderlaufenden Naturwissenschaft.

Der Sohn eines Kleinbauern hatte unter harten finanziellen Bedingungen das Gymnasium absolviert. Um ihm die Ausbildung zu ermöglichen, hatte seine Schwester auf ihr Erbe verzichtet. Aber alle Opfer fruchteten nicht. Die Universität verschlang ein Vermögen. Mendel winkte angesichts solch weltlicher Probleme ab und verwandelte sich vom Studenten zum Mönch. 1843 trat er ins Augustinerkloster Sankt Martin in Altbrünn ein und erhielt den Namen Gregor, unter dem er weltberühmt wurde. Dreizehn Jahre lang hatte Mendel Gelegenheit, zu studieren und als Lehrer in einer Schule zu arbeiten. Dann schob der Konvent einen Riegel vor. Bruder Gregor musste die Schule verlassen und bei den Arbeiten im Kloster helfen. Die Welt des Lernens drohte sich dem Wissbegierigen zu verschließen. Aber der hartnäckige Forscher fand auch in den Klostermauern ein Labor – zwischen Kreuzgang und Kapelle entdeckte Bruder Gregor eine Wissenschaft, mit der er die Welt veränderte: Erbsenzählen.

Mendel war ein Menschenkenner. Er hatte beobachtet, dass ein blonder Mann und eine blonde Frau ein dunkelhaariges Kind haben konnten. Dass Blond plus Blond eine andere Haarfarbe ergibt, widersprach den Vorstellungen der Mathematik. War es möglich, dass im menschlichen Körper Mechanismen eine Rolle spielten, von denen niemand etwas ahnte?

Zwischen Kamilleblüten und Melissepflanzen kreuzte der Mönch Erbsen. Die Hülsenfrüchte waren ein dankbares Studienobjekt. Sie wuchsen schnell nach und lieferten rasch Ergebnisse. Ihre roten oder weißen Blüten konnten gut vermischt werden. Die Merkmale waren ebenso gut voneinander zu unterscheiden und konnten sortiert, ausgezählt und statistisch erfasst werden. Überdies profitierte die Klosterküche von der Erbsenzucht.

Mendel muss eine ungefähre Vorstellung davon gehabt haben, was ihn erwartete. Er kreuzte Sorten, die sich nur in einem einzigen Merkmal voneinander unterschieden. Runde Erbsen und runzelige Erbsen, das ergab runde Nachkommen. Das überraschte den Mönch – er hatte eigentlich erwartet, dass sich die nächste Gemüsegeneration ebenfalls in runde und runzelige Erbsen einteilen lassen würde. Erst als Mendel die zweite Generation von runden Erbsen untereinander kreuzte, entstand die zu erwartende Mischung aus runden und runzeligen Nachkommen. Es musste folglich ein Naturgesetz geben, das Eigenschaften eines Lebewesens in der zweiten Generation verschwinden ließ, um sie dann in der dritten Generation wieder auftauchen zu lassen. Wie aber lautete diese Regel?

Im nächsten Schritt zählte der Klosterforscher die Mischlinge, so genannte Hybride, genau aus. Stets war genau ein Viertel der Erbsen runzelig. Was auf den ersten Blick wie ein Durcheinander von Erbsen, Ranken und Notizen erschien, brachte dem Mönch die Erleuchtung in Form von drei Naturgesetzen. Mit ihnen beschrieb Mendel, dass nur deshalb unterschiedliche Kombinationen von Erbmerkmalen möglich sind, weil das Erbgut aus Einheiten aufgebaut ist, die unabhängig voneinander kombinierbar sind. Diese Einheiten nannte Mendel Faktoren – heute heißen sie Gene. Aber das war für Mendel Zukunftsmusik.

Im Klostergarten von Brünn experimentierte er in den nächsten Jahren mit den Faktoren. Immer wieder musste er seine Forschungen unterbrechen – zum einen, um den Aufgaben des Ordenslebens nachzukommen, zum anderen, weil Erbsen sich im Herbst und Winter nicht züchten lassen. Schließlich gelang Mendel der erste Einblick in die Funktionsweise der Genetik. Er erkannte, dass jeweils zwei Faktoren für die Ausprägung eines Merkmals verantwortlich waren. Jeder Elternteil gibt jeweils einen Faktor für die Ausprägung derselben Eigenschaft in der Folgegeneration weiter. In den Nachkommen der rätselhaften Erbsen trafen demnach ein Faktor für rund und ein Faktor für runzlig zusammen. Wieso aber setzte sich einer öfter durch als der andere?

Einige von Mendels Faktoren waren dominant und erschienen zu drei Vierteln in den Nachkommen, andere waren rezessiv und zeigten sich lediglich in einem Viertel der Folgegeneration. Mendel konnte damals nur ahnen: Was bei Erbsen funktioniert, gibt es auch beim Menschen. Von der Herkunft der Sommersprossen bei einem Kind, dessen Eltern niemals Sommersprossen hatten, bis zum Auftreten von Erbkrankheiten bei Nachkommen gesunder Eltern lassen sich heute viele genetische Phänomene dank der unbändigen Neugier Bruder Gregors erklären.

Zunächst aber stieß der Geniestreich des Geistlichen auf taube Ohren. Als der Mönch, Lehrer und Naturwissenschaftler 1865 zwei Vorträge in Brünn hielt, die er „Versuche über Pflanzenhybriden“ nannte, applaudierte das Publikum zwar wohlwollend, ignorierte allerdings die Tragweite der Mendelschen Forschung. Ein Aufsatz in der Fachzeitschrift „Verhandlungen des Naturforschenden Vereins in Brünn für das Jahr 1865“ blieb unbeachtet, obwohl das Blatt alle namhaften Naturwissenschaftler im deutschsprachigen Raum erreichte.

Mendel gab nicht auf. Er gab vierzig Sonderdrucke seines Aufsatzes in Arbeit und schickte sie an die Spitzenkräfte der Fachwelt. Charles Darwin, der mit seiner zu dieser Zeit noch vorsichtig formulierten Evolutionstheorie als Revolutionär der Biologie galt, erhielt einen davon. Das Papier wurde nach Darwins Tod im Nachlass des britischen Forschers gefunden – ungeöffnet. Alle Welt erteilte der Vererbungslehre eine Absage. Bruder Gregor zog sich wieder ins Kloster zurück, wo er am 6. Januar 1884 starb.

Erst 1900, sechzehn Jahre nach Mendels Tod, entdeckten drei Forscher unabhängig voneinander, welcher Wissensschatz in den Katakomben der Universitäten schlummerte. Hugo de Vries, Carl Correns und Erich von Tschernak fanden in den Ideen des Augustinermönches ein Sprungbrett für eigene Forschungen und verliehen den Mendelschen Regeln die Bedeutung, die sie verdienten. Gregor Mendel hatte im Gemüse das Tor zum Geheimnis des Lebens entdeckt. Den Schlüssel aber fanden andere.

Vaterschaftstest für Pharao

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