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Kapitel 2

44 Migränepatienten –
44 gelöste Fälle

Fall 1: Nitrostress und osteopathische Dysfunktion


Eine 44-jährige Physiotherapeutin hatte vor 15 Jahren ein Schleudertrauma erlitten, als an einer roten Ampel ein Auto von hinten ungebremst auf ihr Fahrzeug aufgeprallt war. Sie trug danach einige Tage eine Halskrause. Vier Wochen später bekam sie ihre erste Migräneattacke. Die Anfälle traten lange Zeit nur alle ein bis zwei Monate auf, oft pünktlich zur Menstruation. Sie wurden jedoch innerhalb der letzten zwei Jahre immer häufiger. In den letzten drei Monaten hatte sich die Häufigkeit der Attacken auf bis zu dreimal pro Woche erhöht. Früher war sie gerne gejoggt, jetzt musste sie jeden Dauerlauf mit einer Migräneattacke bezahlen. Triptane waren lange Zeit die einzigen Medikamente, die ihr im Anfall geholfen hatten. Sie brachten ihr jedoch seit einigen Monaten keine Besserung mehr. Hinzu kamen Schwindelattacken, Sehstörungen, Ohrgeräusche, Übelkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Eine Serie von 15 Sitzungen Akupunktur bei ihrem Hausarzt hatte ihr ebenfalls keine Besserung gebracht. Sie erschien ziemlich verzweifelt in meiner Praxis.


Nach der Anamnese nahm ich ihr einige Blutproben für Laboranalysen ab. Ich wollte herausfinden, ob aufgrund des Schleudertraumas eine instabile Halswirbelsäule mit einer daraus resultierenden erhöhten Stickstoffmonoxid-Produktion (Nitrostress) vorlag. Das würde auf einen erhöhten Verbrauch von Vitamin B12 sowie anderer Mikronährstoffe schließen lassen. Da mich die Patientin bat, ihr aufgrund ihres extremen Leidensdrucks möglichst schnell zu helfen, spritzte ich ihr, ohne die Laborergebnisse abzuwarten, 1mg Vitamin B12. Ich empfahl ihr, bis zum nächsten Termin in zwei Wochen, sich täglich die gleiche Dosis des Vitamins selbst in den Bauch zu spritzen.

Bei der osteopathischen Untersuchung stellte ich bei der Patientin zahlreiche Einschränkungen fest. Erhöhte Membranspannungen, bewegungseingeschränkte Schädelplatten, insbesondere ein zwischen den beiden Schläfenbeinen eingekeiltes Hinterhauptbein, ein zwischen den Beckenknochen verkeiltes Kreuzbein, dadurch einen asynchronen Craniosakralen Rhythmus, Wirbelblockaden im Bereich der oberen Halswirbelsäule sowie der unteren Brustwirbelsäule und einen verringerten Ausdehnungsspielraum des Brustkorbs. Ich behandelte sie in einer bestimmten Reihenfolge. Ich löste die Spannungen der Duralmembranen, die die Wirbelsäule und den Kopf auskleiden, befreite das eingekeilte Kreuzbein ebenso wie das eingekeilte Hinterhauptbein, löste die Blockaden der Brust- und Halswirbelsäule und synchronisierte ihren Craniosakralen Rhythmus.

Als sie nach zwei Wochen wiederkam, bekräftigte die Patientin, dass es ihr gut ginge und sie die ganze Zeit über keine Migräne gehabt habe. Die mittlerweile vorliegenden Laborergebnisse bestätigten starken Nitrostress und dadurch bedingt einen ausgeprägten Vitamin-B12-Mangel mit all seinen Konsequenzen für Zellatmung und Zellstoffwechsel. Hinzu kam ein Mangel an Vitamin B2, B6, Folsäure, Biotin und Magnesium. Ich schlug vor, noch einige Male die druckschmerzhaften Punkte an der oberen Hals- und Brustwirbelsäule und ein Nervengeflecht im Gynäkologischen Raum (Plexus Utero-Vesicalis) neuraltherapeutisch mit Lokalanästhetika anzuspritzen und die genannten Mikronährstoffmängel zu ersetzen. Nach fünf weiteren Behandlungen innerhalb von fünf Wochen, kam die Patientin lächelnd in die Praxis und sagte, dass sie migränefrei war. Das Verrückte an ihrer Heilungsgeschichte war, dass sie in dieser Zeit schwanger wurde. Und das mit 44 Jahren, nachdem sie die letzten zehn Jahre vergeblich versucht hatte, schwanger zu werden. Da die Patientin seit sieben Wochen keine Migräne mehr hatte und Bedenken hegte, durch die Spritzen ihre Schwangerschaft zu gefährden, beschlossen wir die Behandlung bis auf weiteres abzuschließen. Normalerweise betrachte ich eine Behandlung erst nach vier Monaten ohne Migräne als abgeschlossen.


Ein Jahr später rief ich die Patientin zur Erfolgskontrolle an und erfuhr, dass sie nicht mehr unter Migräne litt und dass sie zwischenzeitlich Mutter geworden war.

Was war passiert? Warum war die Patientin ihre Migräne so schnell losgeworden? Warum war sie nach zehn Jahren vergeblicher Bemühung, quasi als Nebenwirkung der Migränetherapie, plötzlich schwanger geworden? Um das zu verstehen, schauen wir uns an, was bei einem Schleudertrauma passiert. Der Rostocker Facharzt für Innere Medizin und Umweltmedizin, Dr. Bodo Kuklinski, hat dies jahrzehntelang erforscht und in seinen Büchern „Schwachstelle Genick“ und „Das HWS-Trauma“ ausführlich beschrieben.

Die Halswirbelsäule ist das beweglichste Teil der gesamten Wirbelsäule. Hier sind Nerven, Blutgefäße, Lymphknoten, Bänder, Muskeln, Faszien, Knochen und Drüsen auf engstem Raum komprimiert. Bei einem Schleudertrauma werden Bänder, die der Halswirbelsäule Stabilität geben, überdehnt, woraus eine instabile Halswirbelsäule resultiert. Die dadurch entstehende, vorübergehende Unterversorgung von Zellen mit Sauerstoff und die anschließende Wiederdurchblutung setzt eine chemische Reaktion in Gang. Die Aminosäure Arginin wird in Citrullin und Stickstoffmonoxid aufgespalten. Stickstoffmonoxid ist ein Gas, das sich im Körper verteilt, in sämtliche Körperzellen und Mitochondrien eindringt und dort Zerstörungsprozesse verursacht. Der Körper kann Stickstoffmonoxid neutralisieren, aber nur unter sehr hohem Verbrauch von Vitamin B12 und anderen Mikronährstoffen. Ein mit einem Atemgasmessgerät gemessener erhöhter Stickstoffmonoxidgehalt der Atemluft geht nach Injektion von Vitamin B12 deutlich zurück. Insbesondere bei Erschütterungen, z. B. beim Joggen oder Reiten, werden große Mengen von Stickstoffmonoxid freigesetzt. Was dies für die Migräneentstehung bedeutet, erläutere ich ausführlich im Kapitel „Nitrostress“.

Durch ein Schleudertrauma können außerdem Fasziendistorsionen entstehen. Die Faszien, die hauptsächlich aus elastischen Collagen- und Elastinfasern bestehen, hüllen die Muskeln ein. Sie können verdreht und verzwirbelt werden und später, begünstigt durch die Ruhigstellung durch eine Halskrause, verkleben. Der in einer verdrehten Faszie eingewickelte Muskelstrang fühlt sich an wie ein Drahtseil. Der Patient hat das Gefühl, in einem zu engen Taucheranzug eingezwängt zu sein. Dieser Zusammenhang wurde von dem amerikanischen Osteopathen und Entdecker des Faszialen Dystorsionsmodells, Steven Typaldos, beschrieben (Literaturempfehlung 25). Wirbelblockaden werden durch die ruckartigen Bewegungen während des Schleudertraumas, durch die lockeren Bänder, die verdrehten Faszien und die angespannten Muskeln zusätzlich begünstigt. Bei Migräne nach Schleudertrauma sind oftmals die ersten beiden Halswirbel Atlas und Axis gegeneinander verdreht und unbeweglich. Der Körper gleicht dies in der Regel durch einen Beckenschiefstand aus. Die möglichen Folgen von Halswirbelblockaden sind vielfältig. Es können Hirnnervenreizungen, Reizung der Spinalnerven und der Nerven des Vegetativen Nervensystems, Druck und Zug an der Arteria vertebralis mit einseitig veränderter Blutversorgung, chronisch entzündliche Prozesse im Bereich der Muskelsehnenansätze, Nitrostress, chronische Müdigkeit und insbesondere Migräne und chronische Kopfschmerzen auftreten.

Da das Endokrine System mit seinen Hormondrüsen durch das Vegetative Nervensystem gesteuert wird, kann die permanente Reizung der Nerven zu hormonellen Störungen, insbesondere der Schilddrüse und der Eierstöcke führen. Und so kann es passieren, dass es nicht zu einer Schwangerschaft kommt. Sobald die natürliche Regulationsfähigkeit des Körpers durch die Auslöschung der Störfelder des vegetativen Nervensystems und die Normalisierung der Zellatmung wiederhergestellt ist, steht einer Schwangerschaft nichts mehr im Wege.

Der Migräne-Detektiv

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