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1.1.4 Die soziale Galaxie der Zeit

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Es folgt “The same procedure as…“: „Das Wort sozial (von lat. socius = gemeinsam, verbunden, verbündet) bezeichnet wechselseitige Bezüge als eine Grundbedingtheit des Zusammenlebens, insbesondere des Menschseins (der Mensch als soziales Wesen).“ (Wikipedia 2009, http://de.wikipedia.org/wiki/Sozial)

In der vierten Galaxie wird das Leben vom gemeinsamen Umgang mit der Zeit oder dem anderer Lebewesen bestimmt. Es ist gekennzeichnet durch Kommunikation, Kooperation und Synchronisation. Als Symbole hierfür bieten sich die Sprechblase, der Handschlag oder der Funkmast an. Gerne können Sie sich natürlich für eigene Bilder entscheiden, die Ihnen einen stärkeren Gedächtnisanker bieten. An dieser Stelle bietet sich ergänzend eine orientalische Geschichte an, die von einer Sonnenuhr handelt. Als Geschenk brachte sie einem Volk Wohlstand, weil alle mit Hilfe der Zeitangabe pünktlicher, ordentlicher, zuverlässiger und fleissiger wurden. Mit dem Verlust der Sonnenuhr war auch der gemeinsame Orientierungspunkt verschwunden und das Reich zerfiel wieder.

Um einen weiteren Einblick in die soziale Galaxie zu bekommen, folgt zunächst, wie es sich für eine globalisierte Welt gehört, ein Rundflug um den Globus, um den Zeitumgang anderer Kulturen kennenzulernen. Weitgehend bekannt sind Zeitrituale wie die Brotzeit oder die berühmte Siesta, die in den südländischen Kulturen für eine lange Mittagspause und kürzere Nächte steht. Noch weniger bekannt ist die „amanhã“- oder „a mañana“-Haltung, die uns bei den Portugiesen bzw. Brasilianern und den Spanier begegnet und mir persönlich vor allem in der Karibik aufgefallen ist. Fällige Tätigkeiten werden dort gerne auf später oder morgen verschoben. Das am häufigsten gehörte Wort lautete „later“ (englisch: „später“). Temperatur und Klima beeinflussen das jeweilige Tempo und den Zeitumgang, was wiederum mit der Leistungsorientierung in Zusammenhang steht. Kulturen, die mehr Wert auf das Kollektive und die Zusammengehörigkeit legen, bewegen sich eher langsam. Aufschluss über den Zeitumgang anderer Menschen und Kulturen können z. B. das Sprechtempo, das Essverhalten, die Gehgeschwindigkeiten bis hin zum Fahrverhalten und der Umgang mit Wartezeiten geben.

Nun folgen ein paar weitere Gedanken aus aller Welt zum Umgang mit der Zeit, die den Berichten von Robert Levine in „Eine Landkarte der Zeit“ entnommen sind. Er beschäftigt sich intensiv und wissenschaftlich mit dem Thema und bietet in seinem Werk weiteren Zeitreisestoff an:

 In Brasilien geht jede Uhr anders oder falsch, was allerdings niemanden stört. Pünktlichkeit wird nicht durch die Uhr bestimmt und hat in unserem deutschen Sinne keine große Bedeutung. Warten stört ebenso niemanden, wobei gleichzeitig klar geregelt ist, wer wen warten lassen darf. So darf ein Vorgesetzter oder Vermieter warten lassen, während es sich umgekehrt nicht gehört. Auf diesem Weg Macht zu demonstrieren, spielt bei dieser Art des sozialen Zeitumgangs eine wohl wesentlich geringere Rolle als in anderen Kulturen.

 Slogan in einem Zug des Himalaya-Expreß: „Slow“ wird mit vier Buchstaben geschrieben wie „life“ und „speed“ mit fünf wie „death“.

 Ärmere Länder gönnen sich heute noch im Durchschnitt mehr Feiertage als reichere. Gleichzeitig sind zeitsparende Erfindungen verantwortlich für das Ansteigen der Arbeitsbelastungen. Ein moderner Lebensstil und seine Erhaltung kostet insgesamt viel Zeit. Letztlich scheint es so, dass wir durch arbeitssparende Erfindungen doch keine Zeit sparen.

 Auf Papua-Neuguinea sind die Menschen davon überzeugt, dass es nicht gut ist, an zwei aufeinander folgenden Tagen zu arbeiten. An anderen Orten wird zweieinhalb Tage pro Woche oder vier Stunden pro Tag gearbeitet.

Wer „Eine Landkarte der Zeit“ liest, wird immer wieder darauf stoßen, dass ein Leben nach der Uhr in weiten Teilen der Welt (und nicht nur bei den Naturvölkern wie auf Papua) unbekannt ist und weder den individuellen noch den gemeinsamen Zeitumgang prägen. Nicht die Uhrzeit oder ein Kalender bestimmt den Anfang und das Ende von Terminen oder Tätigkeiten, sondern die jeweilige Situation und ihr Verlauf, mit viel Raum für neue spontane Zeitpläne. Bezeichnet wird diese Art des Zeitumgangs als Leben nach der Ereigniszeit. Soziale Aktivitäten legen die Zeiten fest und nicht umgekehrt. Beispiele für diesen Umgang sind:


 Als Zeitangabe wird mir keine Dauer oder Endzeit genannt, sondern der Hinweis: „Solange es eben dauert, es zu tun."

 Steine aus dem Steinbruch werden erst geliefert, wenn der Besitzer wieder Geld benötigt.

 Der Zug fährt nicht zu einer bestimmten Uhrzeit ab, sondern erst, wenn er voll besetzt ist.

 In Mexiko gilt die Ereigniszeit sogar als Lebensphilosophie und wird sprichwörtlich durch die Redensart „Der Zeit Zeit geben“ ausgedrückt. In Afrika heißt es ganz ähnlich „Auch die Zeit braucht Zeit“.

Wir kommen nun nach unserem kurzen Ausflug in die unterschiedlichen Zeitkulturen wieder zurück zum Ausgangspunkt, der Einführung in die soziale Galaxie und fassen zusammen:

 In der sozialen Galaxie steht der gemeinsame Umgang mit Zeit im Vordergrund.

 Gesellschaft und Kultur bestimmen den Umgang mit Zeit und nicht die Uhr.

 Das Denken und Handeln benötigt vor allem Einfühlungsvermögen und Verständnis für andere und ihre jeweiligen Zeitumgangsformen und Zeitwahrnehmungen.

 Die wesentlichen Voraussetzungen und Bedingungen für das Leben in der sozialen Galaxie sind Kommunikation, Kooperation und Synchronisation.

Die Kunst des Timings

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