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1.4 Gesundheit, ein neuer Ansatz, Erkenntnisse der Hirnforschung

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Das Thema Stressbelastungen, Burnout oder Depressionen steht im Fokus dieses Buches. Welche Rolle spielen mentale Stressbelastungen für unterschiedliche Krankheiten? Wie hoch ist der Verlust an Lebensqualität oder an individueller Leistungsfähigkeit, verursacht durch mentale Stressbelastungen wie den tagtäglichen Druck, den Millionen Menschen spüren? Das bedeutet Ärger, Probleme, Sorgen und Konflikte, an die wir mehrmals täglich denken. Negative Erlebnisse, Ängste und viele andere Belastungsfaktoren stehen hierbei im Mittelpunkt der modernen Stressforschung.

Die Erkenntnisse sind denkbar einfach auf den Punkt zu bringen: Alltagsstress macht krank!

Doch welche Mechanismen stecken wirklich dahinter? Wie lassen sich diese kausal erklären und wie sind diese kausal wirksam, langfristig und effektiv zu reduzieren? Was wäre, wenn uns dies jeden Tag erfolgreich gelingen würde? Für Millionen Menschen stünde die Tür zu mehr Gesundheit und Lebensqualität gleichzeitig offen. Wir glauben, dass wir heute von einem Durchbruch in der Stressmedizin sprechen können.

Durch neu entwickelte Methoden können wir die individuellen, chronischen und situativen Belastungen von Patienten messen, und so das individuelle Risiko erkennen. Es stehen Methoden und Techniken zur Verfügung, um die täglichen Risikofaktoren der Stressbelastungen kausal und im Entstehungsprozess sehr früh, spürbar und messbar zu reduzieren. Dies entspricht einer kausalen Stressmedizin und könnte so für eine neue Medizinrichtung stehen. Es geht hierbei um wirksame und lang anhaltende Reduktion der Risiken und Ursachen von Belastungen und Stresserkrankungen.

Moderne Stressforschung folgt einem interdisziplinären Ansatz, bestehend u.a. aus den Fachgebieten der Psychologie, Medizin, Biochemie, Immunologie und der Neurobiologie. Besonders das Wissenschaftsfeld der modernen Neurobiologie ist derzeit sehr innovativ und in einem starken Wandel begriffen. Die „Zauberformel“ lautet hier: „Neuroplastizität“. Dahinter steckt die durch Studien belegte Idee der lebenslangen Wandelbarkeit unseres Gehirns durch stete Neubildungen von neuronalen Nervenverbindungen und der Fähigkeit der steten Umstrukturierung des Gehirns. Eric Kandel, einer der erfolgreichsten Neurowissenschaftler unserer Zeit, ausgezeichnet mit dem Nobelpreis 2002, erkennt hierin unzählige und ganz neue Chancen für die Medizin. Durch die kooperative Verbindung zwischen Medizin, Psychologie und den modernen Neurowissenschaften könnte eine ganz neue Medizinrichtung entstehen. Er ist fest davon überzeugt, dass sehr viele Erkrankungen, ergänzend zu den bereits bestehenden, bewährten, wirkungsvollen Optionen, mit ganz neuen Ansätzen therapier- und behandelbar werden. Der Nutzen und der Fortschritt, der darin liegt, wäree riesig. Welch ein Schatz liegt in den neuen Möglichkeiten?

Forscher verstehen immer besser, wie Gehirne sich weiterentwickeln. Auch dann, wenn Menschen schon erwachsen sind, entwickelt sich das Gehirn in seinen Strukturen weiter. Vorbei ist damit die Zeit, als Wissenschaftler noch glaubten, dass die Nervenzellen in unserem Gehirn wie der Schaltplan eines Radios oder Computers starr und fest miteinander verdrahtet sind. Heute ist klar, dass sich das menschliche Gehirn unter bestimmten Bedingungen überraschend schnell und vor allem ein ganzes Leben lang verändert und neu strukturieren kann. Diese Erkenntnisse, die die Hirnforschung langsam durchdringenden, beruhen auf bahnbrechenden neuen Studiendaten und neuen Ergebnissen. Sie geben mehr neue Impulse für viele bereits bestehende und auch für neue Disziplinen, auch für die Medizin.

So wurden und werden immer neue Techniken, Methoden und Therapieoptionen entwickelt, an die wir noch vor einigen Jahren nicht zu denken wagten. Wer glaubte schon ernsthaft, dass die Therapie mittels schneller Augenbewegungen (EMDR-Methode: Eye Movement Desensitization and Reconstruction) zur Behandlung posttraumatischer Belastungen auch in Deutschland zugelassen werden würde?

Die neuen Ziele in der Stressmedizin sind heute greifbar und naheliegend: sie entwickelt kausale Methoden für mehr Gesundheit und Lebensqualität gleichzeitig. Den zentralen Ansatz hierfür bietet die moderne Stressforschung als interdisziplinärer, medizinischwissenschaftlicher Methodenmix.

Die Neuroplastizität unseres Gehirns und die neuronalen Voraussetzungen hierfür, sind, das gilt heute als sicher, gegeben. Dies bedeutet auch, dass unsere Fähigkeiten und unser Verhalten zum allergrößten Teil nur sehr marginal von genetischen Voraussetzungen abhängen, sondern sie sind im Leben änderbar, trainierbar und können weiterentwickelt werden. Die Genetik spielt in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle.

Das zu begreifen fällt vielen Menschen noch schwer. Zu verlockend einfach scheint der Gedanke, dass nicht sie selbst verantwortlich seien, sondern dass die Hauptschuld bei ihren genetischen Unzulänglichkeiten liege. Diese Zeiten sind allerdings endgültig vorbei, in denen Wissenschaftler uns glauben machten, es gäbe „Erfolgs-” oder „Unglücks-Gene“, die deren Träger automatisch zum Erfolgsmenschen oder zu Misserfolg programmierten.

Im Vordergrund steht heute eine neue Wissenschaft, die des „Geistes“. Der Neurowissenschaftler Eric Kandel formuliert es so:

„So kamen diejenigen unter den Biologen, die sich mit dem Thema Geist und Körper beschäftigten, zu der Überzeugung, dass der ,Geist’ für die Biologie des 21. Jahrhunderts das sein wird, was vorher das ,Gen’ für die Biologie des 20. Jahrhunderts war.“


Krankheit beginnt im Kopf – Gesundheit auch

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