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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD Berlin, den 9. Juli 1941
IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. [Stempel: Geheime Reichssache!]
[Stempel: Lagezimmer]

32 Ausfertigungen, 21. Ausfertigung

Herrn RR Paeffgen o.V.i.A.

Ereignismeldung UdSSR Nr. 17

I) Politische Übersicht:

a) Im Reich:

Erhöhte Schmier- und Hetzzettelverbreitung, insbesondere in der Ostmark, festgestellt. Seitens der Stapoleitstelle München wurden aus präventivpolizeilichen Gründen 5 ehemalige kommunistische Funktionäre festgenommen.

b) Besetzte Gebiete:

Beauftragter der SP und des SD, Dienststelle Brüssel, meldet, daß sich die Anzahl der festgenommenen kommunistischen Funktionäre auf 341 erhöht hat. Festnahmeaktion noch nicht abgeschlossen.

II) Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:

Einsatzgruppen A und B: Standorte Riga und Lemberg. Keine besonderen Ereignisse.

Einsatzgruppe C: Standort Minsk.

Erster zusammenfassender Bericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppe C im Gebiet des polnischen und russischen Teiles Weißrutheniens:

1) Marschgliederung und Marschweg:1 Die Einsatzgruppe III [C] ist am 23.6. in Posen zusammengetreten, um am nächsten Morgen den Weitermarsch nach Warschau anzutreten. Gemäß den vorliegenden Befehlen des RSHA wurde mit der Heeresgruppe Mitte und dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes 1022 in Warschau Verbindung aufgenommen.3 Auf Grund der Besprechungen wurde am 26.6. das Sonderkommando 7a zum AOK 9 und am 27.6. das Sonderkommando 7b zum AOK 4 in Marsch gesetzt. Das Sonderkommando 7a nahm seinen Marschweg über Ostpreußen, um mit der Truppe in Wilna einzurücken. Nach Ablösung durch das Einsatzkommando 9 rückte es auf der Rollbahn 4 weiter und schwenkte auf Befehl der Einsatzgruppe III zur Sicherung der Bestände in der Hauptstadt Minsk südlich nach Minsk ab, wo es am 4.7. eintraf. Das Sonderkommando 7b marschierte über Brest, Kobryn, Pruzana, Rozana, Slonim, Baranowicze, Stolpce auf der Rollbahn 2 nach Minsk, wo es mit einem Vorkommando ebenfalls am 4.7. eintraf. Das Einsatzkommando 9 zog nach den Weisungen des Befehlshabers des rückwärtigen Heeresgebietes am 29.6. nach Wilna vor. Das Einsatzkommando 8 zog nach den Weisungen des Befehlshabers des rückwärtigen Heeresgebietes am 1.7. nach Bialystok und mit 2 Kommandos nach Slonim, Nowogrodek und Baranowicze weiter. Der Stab zog mit Vorverlegung des rückwärtigen Heeresgebietes am 3.7. nach Bialystok weiter. In Vereinbarung mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei für das Generalgouvernement wurden 6 Unterstützungstrupps für Weißrußland aufgestellt, die in Ablösung der Tätigkeit der Sonderkommandos und Einsatzkommandos am 3.7. von Warschau aus in ihre angewiesenen Gebiete nachrückten. Auf Grund dieser taktischen Führung sind z. Zt. alle Städte im Gebiet des polnischen und russischen Teiles Weißrutheniens bis in die Gefechtsstreifen hinein besetzt. Es liegt ein Unterstützungstrupp in Brest, ein Unterstützungstrupp in Pinsk und ein Unterstützungstrupp in Sluzk mit dem Ziel, nach Besetzung des Gebietes nach Gomel vorzurücken. Ein Unterstützungstrupp liegt in Bialystok mit der Aufgabe, Bielsk mitzubetreuen, ein Unterstützungstrupp in Wilna mit der Aufgabe, Grodno und Lida mitzubetreuen. Ein Unterstützungstrupp wird nach Minsk vorgezogen, um nach dem weiteren Vormarsch der gesamten Einsatzgruppe III nach Moskau die Arbeit in Minsk zu übernehmen. Das Einsatzkommando 8 befindet sich bis auf weiteren Abruf in Bialystok4 und das Einsatzkommando 9 bis auf weiteren Abruf in Wilna, um später nach Minsk in Richtung Moskau vorgezogen zu werden. Der Stab der Einsatzgruppe C befindet sich seit 6.7. in Minsk mit Sitz im Sowjetgebäude der UdSSR. Durch die Kesselbildungen und das Rollbahnsystem kann man von einer vorderen und einer hinteren Linie nicht sprechen. So sind die Sonderkommandos 7a und 7b sowie der Stab auf ihrem Vormarsch ständig in Gefechtsstreifen und Teilnehmer von Feuerüberfällen der Russen auf die Rollbahnen gewesen. Minsk bildet im gegenwärtigen Augenblick noch Kriegsgebiet. Die Heeresgruppe B liegt 150 km zurück in Baranowicze. Nach Besprechungen in Minsk wird das Sonderkommando 7a vom AOK 9, das nördlich Moskau vorbeimarschieren soll, zum neugebildeten Panzer-AOK 4 überwiesen, dem ein Vorauskommando mit Dolmetschern und Ortskennern Moskaus5 unter Leitung von SS-Staf. Dr. Six6 beigegeben ist. Das bisherige AOK 4 ist AOK 2 geworden, und diesem steht das Sonderkommando 7b zur Verfügung. Im Zuge des weiteren Vormarsches sollen die Städte Gomel, Mogilew und Witebsk, Orscha und Smolensk überholt werden.

2) Polizeiliche Arbeit: Auf Grund der vom RSHA gegebenen Weisungen wurden in allen genannten Städten Weißrußlands die Liquidierungen an Funktionären des Staats- und Parteiapparates vorgenommen. Betreff der Juden wurde im gleichen Sinne nach den Befehlen gehandelt.7 Die Einzelzahl der Liquidierungen liegt noch nicht fest. Nahezu alle Funktionäre der kommunistischen Partei waren wahrscheinlich nach höheren Weisungen bereits am 22. 6. geflohen und hatten alle Akten wohlvorbereitet mitgenommen. Es ist anzunehmen, daß ein Teil der Funktionäre wieder zurückzukehren versucht oder mittels des sich anbahnenden V-Männernetzes festgestellt wird. Eine Ausnahme bildete das überraschte Minsk, wo zwar die Funktionäre ebenfalls geflohen sind, jedoch in dem einzig erhaltenen Staatsgebäude, dem Sowjethaus, die Akten unzerstört erhalten blieben. Dagegen ist in dem völlig zerstörten Minsk auch das NKWD-Material und das interne Partei-Material durch Bombenbrand vernichtet. Die Auswertungsberichte über Minsk folgen.

3) SD-mäßige Arbeit: Es ist bei dem besetzten Gebiete Weißrutheniens ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem ehemals polnischen und dem russischen Gebiet zu machen. In dem ehemals polnischen Gebiet wurde das Sowjetregime als Fremdherrschaft empfunden, so daß es in den zwei Jahren seiner Tätigkeit noch nicht umstürzend in das Leben der vorgefundenen Ordnung eingreifen konnte. Daher wurden die deutschen Truppen sowohl durch polnische Volksgruppe als auch durch die weißruthenische Bevölkerung zum großen Teil als Befreier, zum mindesten aber freundschaftlich neutral behandelt. Dabei war festzustellen, daß die Polen, ebenso wie in Wilna die Litauer, versuchten, an die deutsche Kriegsverwaltung heranzutreten, um die kommunale Führung durch deren Vermittlung oder durch Eigenaktionen zu übernehmen. Diese Lage voraussehend, habe ich durch Vermittlung des SS-Staf. Six in Warschau die Verbindung mit dem weißruthenischen Zentrum aufgenommen und für jede weißruthenische Stadt zwei bis drei geeignete, früher ortsansässige Weißruthenen nachziehen lassen.8 Im Einvernehmen mit dem Kriegsverwaltungsdirektor Tesmer werden diese Personen für die Magistratsverwaltung eingesetzt. Weiterhin wurde den verbleibenden Unterstützungstrupps Weisung gegeben, über diese Personen ein zuverlässiges Vertrauensnetz aufzuziehen, politische Funktionäre und kommunistisch tätige Personen zu ermitteln, das Vertrauen der weißruthenischen Bevölkerung zur deutschen Verwaltung zu stärken und in langsamer Entwicklung zu versuchen, ein eigenständiges, weißruthenisches Volksbewußtsein zu entwickeln.9 Der Kirchenbesuch der weißruthenischen Bevölkerung im ehemaligen Polen weist ebenfalls darauf hin, daß die Bevölkerung antikommunistisch und unbeeindruckt von der sowjetischen Herrschaft ist. Bezüglich der Wirtschaft wird es der deutschen Verwaltung leichter als im russischen Gebiet fallen, die Führung in Ordnung zu bringen, da Verstaatlichung der Betriebe und Kolchosierung noch keine Fortschritte gemacht haben. Die Lage im bisher besetzten weißruthenischen Gebiet der UdSSR hat völlig andere Voraussetzungen. Die Verstaatlichung der Betriebe und des Gewerbes sowie die Kolchosierung des Bauerntums10 ist völlig durchgeführt. Ein weißruthenisches Eigenbewußtsein ist durch die Russifizierung, die Kommunisierung und bei der Landbevölkerung durch die zwangsweise Umsiedlung volkstümlich fremder Elemente in die Kolchosen kaum oder schwach vorhanden. Einen Ansatz bieten die von mir auch für den russischen Teil nachgezogenen Weißruthenen, die, wie in Minsk, bereits als Magistrat eingebaut werden. Die Bevölkerung ist durch den Einmarsch der Truppen ungeheuer beeindruckt, indem sie zum ersten Male seit 25 Jahren, zum Teil auch seit ihrem Leben, einen Vergleichsmaßstab auf allen Gebieten erhalten. Die Flucht der Funktionäre hat ebenso starken Eindruck hinterlassen und ist geeignet, bei entsprechender Propaganda politische Rückwirkungen zu erzielen. Besorgniserregend ist im Augenblick die wirtschaftliche Lage, da im Gegensatz zu den Absichten des Reiches die Entwicklung einen anderen Gang nimmt. Die bisher angetroffenen Städte, an der Spitze Minsk, sind völlig zerstört. Der harte Widerstand der Russen läßt von den anderen Städten ein gleiches Schicksal vermuten. Durch die Flucht der Funktionäre ist jedoch das gesamte Leben zum Stillstand gekommen. Die Bevölkerung kehrt zu Tausenden in die Städte zurück, wo sie nur Ruinen und keine Lebensmöglichkeit mehr finden. Durch die Flucht der Beamten aus den staatlichen Betrieben und Verteilerstellen ist nichts mehr im Gang. Die Kolchosen arbeiten im Augenblick nicht weiter, warten auf Weisungen und streiten sich bereits unter sich und mit aus der Stadt zurückkehrenden früheren Besitzern über die Aufteilung und das spätere Eigentum des Landes. Da die Kolchosen nicht liefern können und die Basen (Großverteilerstellen) nichts empfangen und unbesetzt sind, können auch die Kleinverteilungsstellen und Verkaufsstände nicht funktionieren. Plünderungen sind trotz scharfer Gegenmaßnahmen im vollen Gange. Da die Bauern und Städter kein Radio besitzen, können sie die Sendungen der deutschen Sender nicht verstehen. Es wäre daher notwendig, hier einzugreifen und durch Flugzeuge über den Dörfern Flugblätter abzuwerfen, um an den bestehenden Besitzverhältnissen nichts zu ändern, die Arbeit in gewohnter Weise wieder aufzunehmen und die Anordnungen der in Kürze eintreffenden deutschen Verwaltung aufzuwarten. Eine propagandistische Schlußbemerkung, daß die deutsche Regierung eine neue Ordnung, ein neues Recht, Arbeit und Brot bringen würde, wäre zweckmäßig. Die Vorverlegung des rückwärtigen Heeresgebietes und damit die Ingangsetzung der Industrie, gewerblichen Wirtschaft und insbesondere Landwirtschaft ist zu langsam, um die beabsichtigten Maßnahmen des Reiches und insbesondere die Sicherung der Ernte zu gewährleisten. Desgleichen erscheint nach vorliegenden Erfahrungen und nach Mitteilung der militärischen Führungsstellen von entscheidender Bedeutung, daß sich im rückwärtigen Heeresgebiet aus den Versprengten unter Führung energischer sowjetrussischer Offiziere eine Widerstandsbewegung bildet, die eine außerordentliche Verstärkung der aus versorgungs- und ernährungspolitischen Gründen für das Reich wichtigen Gebiete mit Sicherheitspolizei erforderlich machen würde. In Kenntnis der operativen Maßnahmen und nach der sicherheitspolizeilichen Besetzung der wichtigsten Städte und Zentren des vereinigten Weißrußlands ist die Bearbeitung des gesamten Raumes erforderlich. In dem Vormarschraum der Heeresgruppe B ist ostwärts Minsk bis Moskau keine an Städte gebundene sicherheitspolizeiliche Arbeit erforderlich, so daß von Minsk aus lediglich die Sonderkommandos mit der Truppe weitermarschieren, während die Einsatzkommandos zu gegebener Zeit von Minsk aus der Truppe folgen. Die Einschiebung einer Zwischenstation wird sich aus der operativen Lage ergeben.

Sonderbericht über die politische Lage und über die Tätigkeit im Wilnagebiet:

1) Litauische Kreise, die sich selber Aktivisten nennen, hatten es verstanden, sofort nach dem Abzug der russischen Truppen die Macht in der Stadt und im Landkreis Wilna in ihre Hand zu bekommen.11 Unter Führung von Stasys Zakevicius (Dozent an der Universität Wilna) bildete sich ein Komitee, dem verschiedene Fachressorts, u. a. auch für Verteidigung, unterstanden. Unter diesem Komitee begann auch ein Teil der ehemaligen litauischen Behörden, darunter auch die Politische Polizei, die Kriminalpolizei und die Ordnungspolizei ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Den deutschen Militärbehörden gegenüber versuchte man den Eindruck zu erwecken, als ob der litauische Staatsapparat intakt sei. Es wurde auch eine litauische Kommandantur mit einem litauischen Befehlshaber ins Leben gerufen. Da von Seiten der Wehrmacht die litauischen Militär- und Polizeiverbände für die Bewachung von Gefangenen, Brücken, Bahnanlagen, Waren- und Waffenlagern sowie für den Ordnungsdienst in der Stadt benötigt wurden, ist diese Entwicklung zunächst mit einigen Einschränkungen geduldet worden. Die litauischen Aktivisten versuchten die unklare Lage in jeder Hinsicht für sich auszunutzen und insbesondere der Stadt Wilna ein rein litauisches Gepräge zu geben, z. B. durch eine großartige Beflaggung der Stadt mit litauischen Nationalflaggen. Dabei bildet in Wilna das litauische Element neben Polen, Weißruthenen, Russen und Juden nur eine Minderheit, die allerdings durch den jahrelangen Volkstumskampf besonders aktiv ist.12 Selbst nach litauischen Angaben sind nur ca. 30% Litauer, ferner 40% Juden und 30% Polen, Weißruthenen und andere. Von Seiten der litauischen Behörden, insbesondere auch von der Polizei, wurde sofort versucht, die nichtlitauischen Gruppen (Weißruthenen, Polen) niederzuhalten, um eine Verwischung des litauischen Eindrucks der Stadt Wilna zu verhindern. Nach Angaben der bisherigen litauischen Politischen Polizei erfolgt ein verstärkter Zusammenschluß von Polen in Militärorganisationen. Zum Ausgleich gegen die sehr aktive litauische Tätigkeit wurden seitens der Einsatzgruppe dem Wilnaer Sekretär der früheren weißruthenischen Partei, Ladislaus Kozlowski, Erleichterungen im Aufbau einer weißruthenischen Volkstumsstelle genehmigt. Kozlowski behauptet, früher mit einem weißruthenischen Parteiführer Akincyk zusammengearbeitet zu haben, der sich jetzt in Warschau oder Krakau aufhalten soll und seinerseits Beziehungen zu Dr. v. Mende, Berlin, unterhält. Die Stimmung der Bevölkerung ist gut und den Deutschen gegenüber freundlich. Die litauische Bevölkerung lebt in der Erwartung, daß ihr vom Führer eine etwa der Slowakei ähnliche Selbständigkeit genehmigt wird. Die Weißruthenen sind noch sehr eingeschüchtert und zurückhaltend, die Polen befürchten, daß sie bei einer Lebensmittelverknappung durch die litauischen Stadtbehörden besonders benachteiligt werden. Die Ernährungslage in Wilna ist keineswegs befriedigend, die Fleischvorräte reichen angeblich nur noch für wenige Tage. Da Wilna und Umgebung als landwirtschaftliches Zuschußgebiet gilt und durch die Stockung des Bahnverkehrs mit dem Heranbringen von Lebensmitteln aus den anderen litauischen Gebieten z. Zt. nicht zu rechnen ist, wird mit einer Verschlechterung der Ernährungslage gerechnet. Vor den wenigen Lebensmittelausgabestellen stehen lange Menschenschlangen, woran die Wilnaer Bevölkerung jedoch seit der sowjetrussischen Besetzung gewohnt sein soll. Eine Erhöhung der Zahl dieser Lebensmittelausgabestellen ist seitens des in Wilna befindlichen Einsatzkommandos veranlaßt worden. In Wilna erscheint neben einer deutschen Frontzeitung „Panzerfaust“ eine unter der Zensur der Feldkommandantur stehende litauische Zeitung „Neues Litauen“ (Auflage ca. 10000). Seit der Besetzung dieses Gebietes durch die deutschen Truppen ist ein verstärkter Kirchenbesuch festzustellen. Die katholische Geistlichkeit soll nach litauischen Angaben stark unter polnischem Einfluß stehen und deutschfeindlich eingestellt sein, insbesondere der Erzbischof Jelsykowski, während der Weihbischof Reinis Nationallitauer ist, die litauischen Belange wahrnimmt und deutschfreundlich sein soll.

2) Es sind eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden, zum Teil in Zusammenarbeit mit der Feldkommandantur Wilna, um die politische Aktivität der Litauer einzuschränken und um zu verhindern, daß durch Schaffung von Tatsachen einer späteren Entscheidung litauischerseits vorgegriffen wird: a) Das litauische Stadtkomitee wird etwa als provisorischer Magistrat dem Feldkommandanten unterstellt (der selbst den Vorsitz übernehmen will) und durch Weißruthenen ergänzt. b) Öffentliche Bekanntmachungen litauischer Stellen, die bisher nur in deutscher und litauischer Sprache erfolgten und vielfach den litauischen Text an erster Stelle hatten, fallen fort. Bekanntmachungen werden in Zukunft nur noch vom Feldkommandanten bezw. in sicherheitspolizeilichen Angelegenheiten vom Führer des EK gezeichnet und in deutscher, litauischer, weißruthenischer und polnischer Sprache abgefaßt. c) Die demonstrative Beflaggung der Stadt mit litauischen Fahnen wird beendet mit dem Hinweis, daß „die litauische Bevölkerung nunmehr genügend ihrer Freude über die Befreiung Ausdruck gegeben habe“. d) Die litauische Polizei, die ebenso wie die übrigen Polizeisparten auf Anordnung der Feldkommandantur arbeitsmäßig dem Einsatzkommando unterstellt worden war, wird nunmehr als Behörde aufgelöst, die fachlich guten Kräfte derselben zur Verfügung des Einsatzkommandos gestellt.13 e) Die Feldkommandantur veranlaßt ihrerseits, daß die litauische Kommandantur und der litauische Befehlshaber verschwinden. Soweit litauisches Militär für Bewachungszwecke benötigt wird, wird es den einzelnen deutschen Truppenteilen unterstellt, ohne zentrale litauische Spitze. Ferner wird das litauische Militär daraufhin untersucht werden, ob sich in seinen Reihen noch Polen befinden. Diese werden entwaffnet und aus ihrer Militärpflicht entlassen. f) Die vielfach von der Flucht zurückkehrenden Litauer, die zum Teil an den russischen Grenzbefestigungen gearbeitet haben, werden auf Anordnung des AOK IX durch die GFP abgefangen und als Arbeitskräfte gesammelt.

3) Polizeiliche Angelegenheiten: Die dem Einsatzkommando unterstellten litauischen Polizeisparten in Wilna sind beauftragt worden, laufend Namenslisten der Wilnaer Juden, zuerst die Intelligenzschicht, politische Aktivisten und wohlhabende Juden aufzustellen.14 Daraufhin sind laufend Durchsuchungs- und Festnahmeaktionen durchgeführt [worden] und am 4.7. wurden 54, am 5.7. 93 Juden liquidiert,15 das greifbare Judenvermögen wurde sichergestellt. Mit Hilfe der litauischen Polizeibeamten wurde eine Fahndung nach Kommunisten und NKWD-Agenten eingeleitet, die jedoch zum großen Teil geflohen sein sollen. Gleichfalls ist eine Fahndung nach den Waffenlagern der polnischen geheimen Militärorganisationen eingeleitet worden, worüber noch nicht überprüfte Angaben von der litauischen Polizei gemacht wurden. Die Errichtung eines Judenviertels wird vorbereitet. Auf Vorschlag des EK wird das hauptsächliche Judenviertel von der Feldkommandantur als Sperrgebiet für die Wehrmachtsangehörigen erklärt werden.16

III) Militärische Ereignisse:

Gegner zieht sich unter heftigen Nachhutkämpfen weiter zurück, verfolgt von unseren schnellen Truppen. An manchen Stellen leistet Gegner Widerstand bis zur Vernichtung. Unsere Truppen haben Brückenköpfe am Pruth, Dnjepr und Düna verbreitert und befestigt. Die Wirkung unserer Flugblattpropaganda ist sehr gut. Abgeworfene Passierscheine haben zahlreiche Russen zum Ergeben gebracht.

Verteiler:

RFSS und Chef der Deutschen Polizei

Chef der Sicherheitspolizei und des SD

Chef der Ordnungspolizei

Alle Amtschefs I, II, III, V, VI, VII

SS-Oberstubaf. Rauff

IV D, IV D 1, IV D 2, IV D 3, IV D 4

IV E, IV E 5

II A 2

Pol.Rat Pommerening

IV-GSt. (3 Stück)

IV A l d (5 Reserve)

Aus: BAB, R 58/214


1 Vgl. Bericht Vormarsch EG B v. 19.7.1941, NARB, 655–1–3.

2 Max von Schenckendorff (1875–1943) war von 1941 bis Anfang Juli 1943 Berück Rußland-Mitte; vgl. Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion, S. 73–95, 206ff., 474–522.

3 Nebe hob kurze Zeit später hervor, daß die HGr. Mitte unter ihrem OB, GFM Fedor von Bock, seinen „Maßnahmen das vollste Verständnis entgegenbrachte“: „Durch persönliche Fühlungnahme u. sachliche Arbeitsleistung habe ich erreicht, dass die Tätigkeit meiner Einsatzgruppe von sämtlichen Wehrmachtstellen in jeder Weise anerkannt u. gefördert wird. Ich war von Anfang an bemüht zu erreichen, daß zumindest die Sonderkommandos Anschluß an die kämpfende Truppe fanden, um rechtzeitig eine umfangreiche u. vollständige Objektsicherung vornehmen zu können.“ Da die im Heydrich-Wagner-Abkommen zwischen RSHA u. OKH festgelegten Bestimmungen „nach Auffassung der Heeresgruppe nur formelle Bedeutung haben“, seien auch Beschwerden über dessen Nichteinhaltung durch zu schnelles Vorgehen der EK u. SK nichtig. Mehr noch: „Die Zusammenarbeit der EKs mit den Sicherungsdivisionen, den Feld- u. Ortskommandanturen ist ausgezeichnet. […] Die Zusammenarbeit mit der GFP u. den Abw. III-Trupps, die im Bereich der Heeresgruppe Mitte unter Führung von Major Tarbuk stehen, ist die denkbar beste. […] Die GFP stellt sogar Trupps zur Unterstützung unserer Liquidierungen ab“, alle Zit. Tätigkeitsbericht EG B für 23.6.–13.7. v.14.7.1941, NARB, 655–1–3.

4 Am 8.7.1941 erschien Himmler in Bialystok. Während er mit den Kdr. der PB 316 u. 322 tafelte, erschossen deren Männer sowie ein Kdo. des EK 8 auf einem offenen Feld nahe Pietraszek mindestens 1000, möglicherweise 4000 jüdische Männer; Urteil LG Karlsruhe v. 21.7.1961, BAL, B 162/14193; dto. LG Freiburg v. 12.7.1963, BAL, B 162/14155; dto. LG Bochum v. 6.6.1968, BAL, B 162/14431; vgl. Konrad Kwiet: Auftakt zum Holocaust. Ein Polizeibataillon im Osteinsatz, in: Wolfgang Benz/Hans Buchheim/ Hans Mommsen (Hrsg.): Der Nationalsozialismus. Studien zur Ideologie und Herrschaft, Frankfurt/M. 1993, S. 191–208; Andrej Angrick/Martina Voigt/Silke Ammerschubert/Peter Klein: „Da hätte man schon ein Tagebuch führen müssen“. Das Polizeibataillon 322 und die Judenmorde im Bereich der Heeresgruppe Mitte während des Sommers und Herbstes 1941, in: Grabitz/Bästlein/Tuchel: Die Normalität des Verbrechens, S. 325–385; Mallmann/Rieß/Pyta: Deutscher Osten 1939–1945, S. 136–143; Martin Hölzl: Walter Nord – Polizeisoldat und Weltanschauungskrieger, in: Mallmann/Paul: Karrieren der Gewalt, S. 166–175. Es liegt nahe, daß dies im Einvernehmen mit dem Berück Mitte erfolgte, der in seiner 10-Tagesmeldung an das OKH v. 9.7.1941 berichtete, daß „unter Zuhilfenahme der dem Befehlshaber zur Verfügung stehenden Kräfte der Ordnungspolizei u. des Sicherheitsdienstes (SD) […] mit dem systematischen Durchsuchen der größeren Ortschaften, insbesondere von Bialystok u. Brest, begonnen worden“ sei, BA-MA, RH 22/227.

5 Das VKM wurde Anfang Juli 1941 in Posen aufgestellt u. der EG B zugeordnet, da es für die Sicherung der Aktenbestände in der sowjetischen Hauptstadt vorgesehen war; Abschlußbericht ZSL v. 10.1.1964, BAL, B 162/4126, Bl. 225ff.

6 Dr. Franz Alfred Six, geb. 1909, Studium von Staats- u. Zeitungswissenschaft, Geschichte u. Volkswirtschaft, 1929 NS-Schülerbund, 1930 NSDAP, 1932 SA, 1934 Dr.phil. u. Hauptabt.leiter Presse, Buch u. Propaganda in der Reichsführung der Deutschen Studentenschaft, 1935 SS u. als Ustuf. ins SD-HA, 1936 Habilitation, 1938 Staf. u. Prof. für Zeitungswissenschaft an der Universität Königsberg, Leiter des SDEK Österreich u. Amtschef II (Inland) im SD-HA, im RSHA 1939 zunächst Amtschef II (Gegnerforschung), 1940 dann Amtschef VII, Dekan der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin u. designierter EG-Kdr. für Großbritannien, Kdr. VKM bis Ende August 1941, dann zurück ins RSHA, Nov. 1941 Oberf., März 1943 als Leiter der Kulturpolitischen Abt. ins AA, 1945 Brif., 1948 im Nürnberger EG-Prozeß zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1952 Haftentlassung, Verlagsgeschäftsführer, dann Werbeleiter der Porsche-Diesel-Motorenbau GmbH in Friedrichshafen, gest. 1975; BAB, BDC, SSO Dr. Franz Alfred Six; GVP RSHA Stand 1.3.1941, BAB, R 58/240; Affidavit Dr. Franz Alfred Six v. 29.7.1947, IfZ, Nbg.Dok. NO-4546; Lutz Hachmeister: Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, München 1998; falsche Angaben bei Reitlinger: Die Endlösung, S. 216; vgl. Ronald Wheatley: Operation Sea Lion. German Plans for the Invasion of England 1939–1942, Oxford 1958, S. 122ff.

7 Zur Kontroverse über die Befehlsgebung der EG: Alfred Streim: Zum Beispiel: Die Verbrechen der Einsatzgruppen in der Sowjetunion, in: Adalbert Rückerl (Hrsg.): NS-Prozesse. Nach 25 Jahren Strafverfolgung: Möglichkeiten – Grenzen – Ergebnisse, Karlsruhe 1971, S. 65–106; ders.: Zur Eröffnung des allgemeinen Judenvernichtungsbefehls gegenüber den Einsatzgruppen, in: Eberhard Jäckel/Jürgen Rohwer (Hrsg.): Der Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg. Entschlußbildung und Verwirklichung, Stuttgart 1985, S. 107–119; Helmut Krausnick: Hitler und die Befehle an die Einsatzgruppen im Sommer 1941, ebd., S. 88–106; Alfred Streim: The Tasks of the SS Einsatzgruppen, in: SWCA 4(1987), S. 309–328; Erwiderung Krausnick, ebd. 6(1988), S. 311–329; Erwiderung Streim, ebd., S. 331–347; Ronald Headland: The Einsatzgruppen: The Question of their Initial Operations, in: HGS 4(1989), S. 401–412; Ralf Ogorreck: Die Einsatzgruppen und die „Genesis der Endlösung“, Berlin 1996.

8 Zur Emigrantenproblematik: Bettina Dodenhoeft: „Laßt mich nach Rußland heim!“ Russische Emigranten in Deutschland von 1918 bis 1945, Frankfurt/M. 1993; Karl Schlögel (Hrsg.): Russische Emigration 1918–1941, Berlin 1995.

9 Zu den widersprüchlichen Konzeptionen deutscher Besatzungspolitik: Alexander Dallin: Deutsche Herrschaft in Rußland, Düsseldorf 1958.

10 Vgl. David Marples: Western Ukraine and Western Bielorussia under Soviet Occupation: The Development of Socialist Farming, 1939–1941, in: Revue Canadienne des Slavistes 27(1985), S. 158–177.

11 Das deutsche Wi.Kdo. hielt fest: „Es gibt kaum ein Haus, aus dem nicht irgend ein Angehöriger von den Bolschewisten herausgerissen u. verschleppt wurde. […] Die Reaktion blieb bei solch grausamem, ja bestialischem Verhalten nicht aus. Beim Einzug der deutschen Truppen erhob sich die Volksseele der Litauer gegen die Verräter von Haus, Weib u. Kind – und es blieb kein Jude übrig“, Arbeiten Wi.Kdo. im Wilnaer Bezirk unter Berücksichtigung Nationalitätenfrage (undat./1941), BA-MA, RW 30/79.

12 Vgl. Michael MacQueen: Polen, Litauer, Juden und Deutsche in Wilna 1939–1944, in: Benz/Neiss: Judenmord in Litauen, S. 51–68; Piotr Niwinski: Die nationale Frage im Wilnagebiet, in: Chiari: Die polnische Heimatarmee, S. 617–634.

13 Vgl. Michael MacQueen: Einheimische Gehilfin der Gestapo. Die litauische Sicherheitspolizei in Vilnius 1941–1944, in: Bartusevicˇius/Tauber/Wette: Holocaust in Litauen, S. 103–116.

14 Das KTB Sich.Div. 403/Ia notierte am 16.7.1941, daß die Litauer „mit brutaler Rücksichtslosigkeit“ vorgingen: „Ihr Polen- u. Judenhass bedarf der Überwachung“, BA-MA, RH 26–403/2.

15 Damals begannen die Exekutionen in Ponary (Paneriai), einem 10 km entfernten Waldgebiet an der Straße nach Grodno; vgl. Klee/Dreßen/Rieß: Schöne Zeiten, S. 44–51; Christina Eckert: Die Mordstätte Paneriai (Ponary) bei Vilnius, in: Bartusevicˇius/Tauber/Wette: Holocaust in Litauen, S. 132–142; Rachel Margolis/Jim G. Tobias (Hrsg.): Die geheimen Notizen des K. Sakowicz. Dokumente zur Judenvernichtung in Ponary, Nürnberg 2003.

16 Zu den ersten antijüdischen Maßnahmen u. zur Ghettoisierung in Wilna: Yitzhak Arad: Ghetto in Flames. The Struggle and Destruction of the Jews in Vilna in the Holocaust, New York 1982, S. 41ff.; Die Juden von Wilna. Die Aufzeichnungen des Grigorij Schur 1941–1944, hrsg. v. Wladimir Porudominskij, München 1999, S. 33 ff.; Joachim Tauber: Die litauische Verwaltung und die Juden in Vilnius, 1941–1943, in: Johannes Hürter/Jürgen Zarusky (Hrsg.): Besatzung, Kollaboration, Holocaust. Neue Studien zur Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, München 2008, S. 103–114.

Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941

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