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Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD Berlin, den 20. Juli 1941
IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. [Stempel: Geheime Reichssache!]

36 Ausfertigungen, 27. Ausfertigung

Ereignismeldung UdSSR Nr. 28

I) Politische Übersicht:

a) Im Reich:

Staatspolizeileitstelle Posen meldet: In den Nachmittagsstunden des 17.7.1941 wurden in Posen 7 Flugblätter in polnischer Sprache gefunden. Der Inhalt besteht aus Radionachrichten über Kämpfe an der Ostfront in der Zeit vom 8.–11.7.41. Es wird behauptet, dass die Russen den Deutschen sehr grosse Verluste zufügen, dass sie 2 deutsche Panzerdivisionen auseinandergeschlagen und mehrere Infanteriebataillone völlig vernichtet haben. Weiterhin beschäftigt sich das Flugblatt mit der Stellung Polens zu dem deutsch-russischen Krieg. Bei einem Siege Russlands wird Polen eine Änderung der Behandlung der Polen, eine Ausbesserung der Schäden und des Unrechts verlangen. Den Kommunismus wird Polen nie unterstützen, aber man hofft auf eine SinnesÄnderung in Russland.

b) Übrige besetzte Gebiete:

a) Frankreich:

Auswirkungen des Russlandkrieges in Frankreich: 1.) Der deutsch-russische Krieg ist als Ursache anzusehen, dass die Gegner der Kollaborationspolitik wieder einen heftigen Vorstoss machen. Man glaubt, die deutsche Wehrmacht werde durch den Krieg gegen die Sowjets stark geschwächt. 2.) Frankreich wartet deswegen jetzt wieder die Entwicklung ab, man strebt nach Entspannung im Verhältnis England und Vichy-Frankreich, wobei der Waffenstillstand in Syrien der erste Schritt ist. 3.) Der Druck der kollaborationsfeindlichen Clique in Vichy hat zu einer Regierungskrise geführt. Man spricht sogar davon, dass ein zweiter 13. Dezember (seinerzeitige Absetzung Lavals) zu erwarten sei. Weygand wird als der Intrigant bezeichnet. 4.) Zu diesen Vorgängen liegt auch aus Kreisen der Deutschen Botschaft eine Stellungnahme vor. Dort beurteilt man die Lage so, dass lediglich eine Regierungsumbildung ins Auge gefasst sei, die folgende Personen betreffe: a) Absetzung Achards, dessen Ressort Jacques Leroy Ladurie übernehmen soll. b) Pucheu soll Innenminister werden (bisher Darlan). c) Benoist Mechin erhalte das Aussenministerium (ebenfalls bisher Darlan). Offiziell sei diese Regierungsumbildung jedoch noch nicht beschlossen. Darlan bleibe stellvertretender Ministerpräsident.

b) Jugoslawien:

Am 18.7.41 in den Nachmittagsstunden wurde auf der Strecke zwischen Uzice und Valjevo auf den deutschen General Lomtscha [Lomscha], Divisionsgeneral von Uzice, durch Banditen geschossen. Der General blieb unverletzt, sein Adjutant wurde durch einen Brustschuss getroffen. Auf Weisung des Militärbefehlshabers in Serbien wurde im Zusammenwirken mit der serbischen Gendarmerie und der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD am 19.7.41 durch zwei Kompanien des deutschen Schutzpolizeikorps und die in Uzice liegenden Truppen eine Aktion in dem ganzen Gebiet nach herumziehenden Banditen begonnen. Es werden Maßnahmen getroffen, damit der Bevölkerung sämtliche Rundfunkapparate weggenommen werden. Des weiteren ist beabsichtigt, die Ernährungsgrundlage zu beschränken und eine wirtschaftliche Hilfeleistung an die in den Wäldern befindlichen Banden durch die Bevölkerung zu verhindern. Sperrstunde in diesem Gebiet wird für 19.00 Uhr angesetzt. Wer sich nach 19.00 Uhr auf der Strasse aufhält, wird erschossen. Ausserdem werden in jedem Dorf 10 Geiseln festgesetzt. Die Maßnahmen werden durch Anschlag in den Dörfern bekanntgegeben. Ausserdem muss die Bevölkerung die in diese Gebiete entsandten deutschen Truppen für die Zeit der Aktion ernähren.

II) Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:

Einsatzgruppe A: Standort Pleskau.

Die Einsatzgruppe Aübersandte die in der Anlage in Abschrift und im Auszug beigefügte NKWD-Geheiminstruktion zur Durchführung der Aussiedlung anti-sowjetischer Elemente aus Litauen, Lettland und Estland (Anlage 1).

Von der Einsatzgruppe B liegen keine besonderen Meldungen vor.

Einsatzgruppe Shitomir. Lagebericht der Einsatzgruppe C:

I. Nach einer Rücksprache mit der Heeresgruppe Süd besteht auch weiterhin Einigkeit darüber, dass sämtliche Einsatzkommandos und auch der Gruppenstab sich möglichst in der Nähe der kämpfenden Truppen bewegen. Es ist damit gewährleistet, dass die Vorkommandos und auch die Hauptkommandos bei der bevorstehenden Einnahme von Kiew mit dem Gruppenstab baldmöglichst dort einrücken werden.

II. Die Arbeit der Einsatzkommandos verläuft planmäßig. Überall wird aber nach wie vor die Feststellung gemacht, dass einmal die führenden Funktionäre mit den flüchtenden Russen zurückgegangen sind und sich zum andern die hier tätig gewesenen Bolschewisten verborgen halten. Im allgemeinen ist es so, dass die Bolschewisten tagsüber sich in den Wäldern aufhalten und abends mit Einbruch der Dunkelheit entweder in die Stadt zurückkehren oder aber die in der Umgegend liegenden Dörfer überfallen und sich unter Androhung von Gewaltmaßnahmen Lebensmittel verschaffen. So gelang es in Rowno am 9.7.41 bei Einbruch der Dunkelheit unter Hinzuziehung der Miliz, 130 Bolschewisten, darunter Funktionäre und Zuträger des NKWD, festzunehmen, die zwischenzeitlich liquidiert wurden. Nach vorliegenden Informationen betätigen sich diese Gruppen vorwiegend als Heckenschützen und organisieren planmäßig einen Kleinkrieg. Sie sind es auch, die versprengte russische Truppen mit Lebensmitteln versehen. In einem Dorfe in der Nähe von Rowno haben Kommunisten hinter ukrainischen Hütten hervor auf deutsche Truppen geschossen. Auf Grund dessen wurden mehrere Dörfer eingeäschert.

III. Durch Meldung eines Volksdeutschen war bekannt geworden, dass eine bolschewistische Terrorgruppe nächtliche Versammlungen abhalte und einen Anschlag auf Volksdeutsche sowie die Stadt Rowno plane. Mit Hilfe einer planmäßigen Fahndungsaktion gelang es, den Bandenführer festzunehmen und in dessen Besitz befindliches Schriftenmaterial sowie eine grössere Anzahl völlig unbenutzter Flugblätter zu erfassen. Nach der Aussage eines russischen Obersten und Oberleutnants, die beide langjährige Bolschewisten waren, sind in der russischen Armee sämtliche Offiziere vom Oberleutnant aufwärts grundsätzlich zugleich auch Parteimitglieder. Damit haben diese Offiziere als politische Funktionäre zu gelten.1 Nach dem Bericht eines Augenzeugen aus Tarnopol ist dort ein deutscher Fliegeroffizier von den russischen Milizsoldaten vor dem Einzug der deutschen Truppen durch die Stadt geführt und von einer grossen Anzahl von Juden verfolgt, beschimpft und misshandelt worden. Überhaupt ist man in der Bevölkerung der Auffassung, dass vorwiegend Juden für die überall verübten Greueltaten verantwortlich zu machen sind. Über die Verhältnisse im russischen Militär hat ein volksdeutscher Kriegsgefangener, im Zivilberuf Lehrer, interessante Angaben gemacht. Danach sind in den Jahren 1934 bis 1939 Volksdeutsche nicht zur russischen Armee zugelassen worden. Erst seit August 1939 erfolgte auch ihre Einberufung. Die Verpflegung, Bekleidung und Unterbringung sei sehr schlecht gewesen. Die westlichen Garnisonen seien infolge der Verlegung der Ostarmee nach dem Westen derartig überfüllt gewesen, dass oftmals für 3 Mann nur 1 Strohsack zur Verfügung gestanden habe. Funktionäre seien bemüht gewesen, die an sich gedrückte Stimmung in der Armee zu heben und die Truppen zu begeistern. Auf eine Abteilung von etwa 200 Mann sei ein politischer Leiter nebst Gehilfen entfallen, die für die Aufrechterhaltung der Stimmung in der Truppe verantwortlich gewesen seien. In der Woche habe es etwa 6– 10 Stunden politischen Unterricht über die Fortschritte der Sowjetunion auf allen Gebieten der Wirtschaft gegeben unter gleichzeitiger Hervorhebung der angeblichen Verbesserungen gegenüber der früheren Zeit. Urlaub habe es in der russischen Armee nicht gegeben; lediglich bei besonders wichtigen Ereignissen sei ein Urlaub von ein paar Tagen gewährt worden.

IV. In Rowno wurden bis jetzt insgesamt 240 Exekutionen durchgeführt. Es handelt sich vorwiegend um jüdische, bolschewistische Agenten und Zubringer des NKWD. Ein z. b. V.-Kommando aus Lublin ist gestern hier eingetroffen und wird nunmehr mit der Miliz die weitere Durchkämmung in der Stadt und deren Umgebung vornehmen. Wie jetzt bekannt wird, haben die Russen auch hier vor ihrem Abzug die ukrainische Intelligenz entweder verschleppt oder hingerichtet bzw. ermordet. Man nimmt an, dass in den letzten Tagen vor dem Abzug der Russen etwa 100 maßgebliche ukrainische Persönlichkeiten ermordet worden sind. Die Leichen sind bislang noch nicht gefunden, eine Suchaktion ist eingeleitet. In Kremenez sind etwa 109 bis 150 Ukrainer von den Russen ermordet worden. Zum Teil sollen diese Ukrainer in Kessel mit siedendem Wasser geworfen worden sein; Anhaltspunkte haben sich dadurch ergeben, dass die Leichen bei ihrer Exhumierung ohne Haut aufgefunden worden sind. Die Ukrainer haben im Wege der Selbsthilfe als Vergeltung 130 Juden mit Knüppel totgeschlagen.2 In Dubno, wo die Aktionen im wesentlichen beendet sind, erfolgten insgesamt 100 Exekutionen.3 Hierunter befand sich 1 Ukrainer, der seit Anfang 1940 laufend für den NKWD arbeitete und zugestandenermaßen durch seine Meldungen für die Ermordung bzw. Verschleppung von Ukrainern in das Innere Russlands verantwortlich ist, ferner 2 kommunistische Funktionäre und Vertrauensmänner des NKWD, die zum Heckenschützenkrieg aufgefordert haben, des weiteren 1 Kommunist, der in seinem Heimatdorfe jede Tätigkeit ukrainischer Nationalisten den Russen verraten und die Aussiedlung sowie Verschleppung zahlreicher ortsansässiger Familien in die Wege geleitet hat. Schliesslich befanden sich unter den Festgenommenen noch 2 Russen, bei denen Schulterklappen, Lederzeug und Wehrmachtsunterwäsche deutscher Soldaten aufgefunden wurden. Vor ihrem Abzug haben die Russen in gleicher Weise wie in Lemberg ein schweres Blutbad in Dubno angerichtet. In Tarnopol wurden insgesamt 127 Exekutionen durchgeführt. Dort selbst hatten die Russen vor ihrer Flucht in ähnlicher Weise wie in Lemberg und Dubno gewütet. Bei den Ausgrabungen wurden insgesamt 10 Leichen deutscher Soldaten festgestellt. Sie hatten fast alle die Hände auf dem Rücken mit Draht zusammengebunden, die Körper wiesen Spuren schwerster Verstümmelungen auf; so waren Augen ausgestochen, Zungen abgeschnitten und Glied maßen vom Körper getrennt. Die Zahl der von den Russen ermordeten Ukrainer, unter denen sich auch Frauen und Kinder befinden, wird endgültig auf etwa 600 beziffert. Juden und Polen sind von den Russen verschont worden. Von den Ukrainern wird die Gesamtzahl ihrer Opfer seit der Besetzung der Ukraine durch die Russen auf etwa 2000 eingeschätzt. Noch im Jahre 1939 begann die planmäßige Verschickung und Verschleppung der Ukrainer. Es gibt in Tarnopol kaum eine Familie, in der nicht ein oder mehrere Familienangehörige verschwunden sind. In der Stadt, die ungefähr 40000 Einwohner hat, darunter 12000 Ukrainer, 18000 Juden und 10000 Polen, sind etwa 10000 Ukrainer nicht mehr vorhanden. Die gesamte Intelligenz der Ukrainer ist vernichtet. Seit Kriegsbeginn wurden allein 160 Angehörige der ukrainischen Intelligenz ermordet oder verschleppt. Bewohner der Stadt haben am 1.7.41, frühmorgens, eine Kolonne von etwa 1000 Zivilpersonen beobachtet, die von Polizei und Militär aus der Stadt getrieben wurden. In den Kellern des Gerichtsgebäudes wurden, wie auch bereits in Lemberg, Folterkammern entdeckt. Auch hier hat man offenbar zur Folterung kochendheisse und kalte Brausen verwendet. Es wurden nämlich mehrere Leichen vollkommen nackt aufgefunden, denen die Haut an vielen Stellen geplatzt und abgerissen war. In einem anderen Raum war etwa 1 m über dem Erdboden ein Drahtrost gespannt, unter dem Aschenreste entdeckt wurden. Nach der Aussage eines ukrainischen Ingenieurs, der ebenfalls ermordet werden sollte und sich lediglich durch Beschmieren des Gesichts mit dem Blut eines bereits Erschlagenen vor dem Tode rettete, waren auch Schmerzensschreie von Frauen und Mädchen zu hören. Die durchziehenden Truppen, die Gelegenheit hatten, diese Scheusslichkeiten und vor allen Dingen auch die Leichen der ermordeten deutschen Soldaten zu sehen, erschlugen insgesamt etwa 600 Juden und steckten ihre Häuser an.4


Nr. 14: Vom NKWD Ermordete in Tarnopol

V. Nach einem weiteren Bericht sind die Lebensverhältnisse der Bauern in Sowjetrussland heute äusserst dürftig und unglücklich. Nachdem die Bauern in den Jahren 1929/1930 gezwungenermaßen ihre Viehbestände abgeliefert hatten, mussten sie für das Kollektiv arbeiten. Die Anzahl ihrer Arbeitstage wurde notiert. Ein sehr fleissiger Kollektivarbeiter erhält nach einer Jahresleistung im Herbst etwa 400 Rubel und etwas Weizen. Auf den Arbeitstag entfällt 1 bis 1,20 Rubel; dagegen kostet ein Paar lederne Schaftstiefel 400 Rubel. Bei diesem Verdienst mussten die Bauern hungern und konnten sich überhaupt nur die Arbeitskleidung leisten. Auf einen besseren oder Sonntagsanzug mussten sie verzichten. Früher wurden die Kollektivleiter von der Bauerngemeinde selbst auserwählt; in den letzten Jahren jedoch wurden sie durch Kommunisten aus dem Osten abgelöst. In dem Raume von Rowno gibt es neben einzelnen kleinen Landwirtschaften sogenannte Staatslandwirtschaften (Sowchosy), die früher im Eigentum des Grossgrundbesitzers standen. Die Verwaltung der Volksmiliz gibt sich Mühe, diese Güter im Interesse einer besseren Bewirtschaftung in ihrer Gesamtheit zu erhalten. Bei dem Besuche einer solchen Staatslandwirtschaft zeigte sich, dass die Felder vollkommen verunkrautet sind und, sofern nicht baldigst entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, die Ernte gefährdet ist. Die zurückgebliebenen ukrainischen Arbeiter lehnen eine Weiterarbeit ab mit der Begründung, dass sie nicht wüssten, von wem sie für ihre Arbeit bezahlt würden. Es ist bereits auf den Erlass einer Anordnung hingewirkt worden, wonach sämtliche Ukrainer unter Androhung schwerster Maßnahmen zur Aufnahme ihrer Arbeit aufgefordert werden unter gleichzeitigem Hinweis, dass ihnen zumindest ihre bisherigen Bezüge gewährleistet bleiben. Als Anlage II füge ich einen Bericht über die Zustände im sowjetrussischen Staatsgefängnis Dubno und über das Blutbad vom 24. u. 25. 6. 41 bei.

Von der Einsatzgruppe D liegen keine besonderen Meldungen vor.

III) Militärische Ereignisse:

Heeresgruppe Süd:

Feind: An der rum. Front hat sich der Feind mit der Masse hinter den Dnjestr zurückgezogen. Auf dem rechten Flügel in der Linie Kischinew–Orhei noch Gegenangriffe. Nördl. des Dnjestr ist der Feind im vollen Rückzug aus der Stalin-Linie nach Osten. Vor dem Nordflügel der linken Armee weicht der Feind mit Masse bei Korosten aus. An der Bessarabischen Front ist der Dnjestr an mehreren Stellen überschritten, Brückenköpfe Jaruga südostw. und nordwestl. Mogilew-Podolsk gebildet. Nördl. des Dnjestr ist die rechte Armee nach Durchbruch durch die Stalin-Linie in der Verfolgung, auch der Südflügel der linken Armee ist im Vorgehen gegen weichenden Gegner. Erreichte Linie: Rechte Armee: 8 km nordost. Smitkov–Noskowzy–Schmerinka–Gniwan (hier kleiner Brückenkopf, Brücke unversehrt)– Brahilow–10 km nordostw. Wolkowinzy–10 km südostw. und 5 km nordostw. Letitschew. Linke Armee: Südgruppe: Pikow–10 km nordostw. Pikow–Kasatin. Nordgruppe: 9 km ostw. Goroschni–5 km westlich Höhe 252–Barschi–südlich Emiltschino. Panzergruppe: Tetijev (Brücke unversehrt)–6 km ostnordostw. Kaschperewka– Wolodarka–Belaja-Zerkow–Irpen-Abschnitt westl. Kiew–Makarow–Radomysl.

Heeresgruppe Mitte:

Feind: Feind kämpft in unzusammenhängenden Gruppen und zwar in den Räumen südl. Smolensk nordostw. Orscha und Eisenbahn-Dreieck Newel–Polozk–Witebsk. Panzerarmee: Kampf gegen die Feindgruppen besonders stark im Raum nordostw. Orscha und südl. Smolensk. Rechte Armee: Marschbewegungen der AK’s gegen den Dnjepr planmäßig. Linke Armee: Teile wurden über die Düna vorgeworfen im Angriff zur Vernichtung der eingeschlossenen Feindgruppen. Erreichte Linie: Rechte Panzergruppe: Ostw. Kritschew–Moljatitschi–Potschino–Smolensk. Linke Panzergruppe: Mikulino–Vorausabtlg. in Dubrowka-Syro (30 km nördlich Smolensk)–Jarzewo–Duchowschtschina–im Raum Ustje–Werdinp–Kresty–Gorodek–Newel. Kessel durch Verbindungsaufnahme mit einer über Polozk vorgegangenen Division geschlossen. Rechte Armee: Soadryn–südwestl. und westl. Shlobin–westl. Rogatschew im Aufschliessen gegen den Dnjepr. Linke Armee: Dobromysl–Witebsk–Polozk–Trud–10 km nordostw. Dretun.

Heeresgruppe Nord:

Angriffe zur Entlastung der ostw. Pushkinskije–Goro abgeschlagenen Feindgruppe wurden bei Novorzew unter Verlusten für den Feind abgewiesen. Panzergruppe: Gegen starke Feindangriffe wurde der Südflügel in eine Abwehrstellung Borowitsi–Sitnja–4 km nordostw. Zvad zurückgenommen, Angriffe abgewiesen. Teile der Gruppe im Angriff südostw. und ostw. Porhov und gegen Dno. Übrige Teile 10 km nördlich Zapolje, Gdov wurde genommen, nördlich Gdov noch Kampf. Rechte Armee: Teile der Armee ostw. der Bahnlinie Polozk–Idritza und bei Loskowo verengen den Ring von Westen, Norden und Osten. Vorausabteilungen im Kampf um Kudever. Pushkinskije-Goro genommen. Linke Armee: Bei der Einnahme von Gdov zahlreiche Beute. In Estland konnten Teile der Armee Poltsamaa gewinnen. Vorausabteilungen haben Laupa erreicht.

Verteiler:

RFSS und Chef der Deutschen Polizei

Chef der Sicherheitspolizei und des SD

Chef der Ordnungspolizei

OK W-Führungsstab–Oberstleutnant Tippelskirch

Alle Amtschefs

Gruppe II D

II A 1

Gruppe II B

II B 3

Gruppe VI C

IV A 2

IV A 4

IV D, IV D 1, IV D 2, IV D 3, IV D 4

IV E,IV E 5

Einsatznachrichtenführer

Pol.Rat Pommerening

IV Gst.

IV A 1 d (5 Reserve)

Anlage I: Auszugsweise Übersetzung. Streng geheim: Instruktion zur Durchführung der Aussiedlung der antisowjetischen Elemente aus Litauen, Lettland und Estland:

1. Allgemeine Lage: Die Aussiedlung der antisowjetischen Elemente aus den baltischen Republiken ist eine Aufgabe von großer politischer Bedeutung. Die erfolgreiche Durchführung ist davon abhängig, wie die für die einzelnen Kreise zuständigen Aussiedlungskommandos und die Operationsstäbe in der Lage sind, den Aussiedlungsplan sorgfältigst aufzustellen und durchzuführen. Dabei ist davon auszugehen, daß die Aktion ohne Lärm und Panik vor sich geht, und zwar so, daß Ausschreitungen seitens der Auszusiedelnden und auch von Teilen der benachbarten Bevölkerung, die dem Sowjetstaat gegenüber feindlich eingestellt sind, nicht zugelassen werden. Die nachstehende Verordnung über die Art der Durchführung ist zu befolgen, jedoch können die beauftragten Beamten zur Durchführung der Aktion in besonderen konkreten Fällen andere Maßnahmen ergreifen, die jedoch auf das gleiche Ziel ausgerichtet sein müssen: ohne Lärm und Panik die gestellten Aufgaben durchzuführen.

2. Instruktionsordnung–Auszug: Die Instruktion der Kommandos in den einzelnen Kreisen erfolgt erst am Vorabend der Aktion. Die Bereitstellung von Fahrzeugen für die Auszuweisenden wird in Zusammenarbeit mit den örtlichen Parteistellen durchgeführt. Bei der Anweisung der örtlichen Parteistellen ist darauf hinzuweisen, daß die Auszusiedelnden als Feinde des Sowjetvolkes anzusehen sind und daher bewaffnete überfälle ihrerseits nicht ausgeschlossen erscheinen.

3. Aushändigung der Dokumente: Nach der allgemeinen Instruktion der Kommandos sind die Listen mit den Namen der Auszusiedelnden den Kommandos auszuhändigen. Die Personalakten der Auszusiedelnden sind vorher einzusehen, damit keine Verzögerungen entstehen. Der Kommandoleiter muß sich mit den Familienverhältnissen bekannt machen. Dabei wird die Zahl der Familienmitglieder festgestellt.

4. Durchführung der Aussiedlung: Auf den Dörfern und in den Gemeinden ist mit dem Vorsitzenden, dem Sekretär und den Mitgliedern der Dorfräte Verbindung aufzunehmen. Dabei ist der genaue Aufenthaltsort der auszusiedelnden Familien festzustellen. Das Vermögen der Auszusiedelnden ist mit einem örtlichen Vertreter der Partei festzustellen und zu beschlagnahmen. Die Aktion setzt im Morgengrauen ein. Beim Eindringen in das Haus sind alle anwesenden Personen in einem Zimmer zusammenzufassen, wobei besondere Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Ausschreitungen zu treffen sind. Darauf sind die Anwesenden darauf hinzuweisen, daß sie ihre Waffen abliefern müssen. Ohne Rücksicht auf Erfolg oder Nichterfolg dieser Aufforderung ist das Haus auf Waffen zu durchsuchen. Ebenso ist über antisowjetische Literatur und über eventuelle Valutafunde ein Durchsuchungsakt aufzustellen. Über geflüchtete und kranke Personen sind besondere Akten anzulegen. Nach der Durchsuchung ist den Auszusiedelnden zu eröffnen, daß sie nach anderen Gebieten der Sowjetunion verschickt werden. Die Auszusiedelnden können bis 100 kg Gepäck mitnehmen. Alle Personen, die sich während oder kurz nach der Durchsuchung in das Haus der Auszusiedelnden begeben, sind sofort zu verhaften, wobei besonders festzustellen ist, ob es sich nicht um Flüchtlinge aus den Kreisen der früheren Polizei und ähnliche Leute handelt. Uninteressante Personen sind nach der Aktion wieder freizulassen. Jede Familie muß in spätestens 2 Stunden ausgesiedelt werden und ist sofort in jedem Falle bei Tage zur Sammelstelle an die Station in Marsch zu setzen.

5. Die Trennung der Familien vom Familienoberhaupt: Trotzdem ein großer Teil der Auszusiedelnden verhaftet und in besondere Lager verschickt wird und die Familien dagegen in abgelegenen Gebieten der Sowjetunion in besonderen Siedlungen zusammengefaßt werden, ist ihnen die Trennung nicht bekannt zu geben. Die Akten für das Familienoberhaupt und für die Familien werden getrennt geführt. Bis zur Station ist die Familie gemeinsam zu bringen, erst dort wird der Mann abgesondert. Während der Durchsuchung und beim Packen der Sachen ist darauf hinzuweisen, daß die Sachen der Männer wegen der durchzuführenden Desinfektion getrennt gepackt werden müssen.

zu 6.: Uninteressant. zu 7.: Die Zugordnung. Die Stationen und Haltepunkte müssen durch NKWD-Truppen abgesperrt werden. Die Türen der Waggons werden abgeschlossen.

Der Stellvertreter des Volkskommissariates für die Staatssicherheit der UdSSR/NKGB5/ Kommissar III. Ranges. gez.: Serow6

Anlage II: Bericht über das sowjetrussische Staatsgefängnis Dubno und über das Blutbad vom 24. und 25.6.19417:

Das Staatsgefängnis Dubno liegt am südöstlichen Stadteingang. Es steht auf dem Gelände einer ehemaligen Mühle. Als diese niederbrannte, benutzten die Polen die Reste der Grundmauern und legten den Grundstein zum drittgrößten Gefängnis Polens, das nach modernsten Gesichtspunkten errichtet werden sollte. Ende des Jahres 1936 begann der polnische Staat mit dem Bau. Noch bevor aber das Gefängnis fertig war und seiner Bestimmung übergeben werden konnte, fiel dieser Teil Polens an Sowjetrußland. Die Sowjets bauten das Gefängnis fertig, stellten an den vier Ecken der Umfassungsmauer je einen hölzernen Wachturm mit MP-Posten auf und benutzten das Gefängnis seit Dezember 1939 als Sammellager für diejenigen zu mehrjähriger Zwangsarbeit Verurteilten, die nach Sibirien deportiert werden sollten. In das Gefängnis wurden mit Ausnahme einiger weniger Ordnungsstrafenhäftlinge, die nur eine mehrmonatige Gefängnis-Ordnungsstrafe z. B. wegen Zuspätkommens zur Arbeit, nicht pünktlicher Steuerzahlung usw. zu verbüßen hatten, nur politische Häftlinge aufgenommen, während man kriminelle Häftlinge, die zur Deportation kommen sollten, im Gefängnis von Kremenez sammelte. Zu beiden Seiten des Gefängnisses hatten die Polen zwei Kapellen für die Häftlinge gebaut, die von den Russen in Klublokale für ihre sowjetischen Angestellten umgewandelt wurden. Die Umfassungsmauer des Gefängnisses ist durchweg etwa 4 1/2 m hoch; sämtliche Fenster, die verhältnismäßig groß sind, sind stark vergittert und haben Scheiben aus verschmiertem Glas, so daß es einem Häftling unmöglich ist, aus einem dieser Fenster hinauszusehen. Das Gefängnis besitzt ein Kellergeschoß, Erdgeschoß, ein 1. und ein 2. Obergeschoß; außerdem hat es – ein Novum für Dubno – eine eigene Wasserleitung. Der Fußboden ist durchweg parkettiert. Anfang 1941 wurde in Dubno bekannt, daß sich im Kellergeschoß einige Wasserzellen befinden, die vornehmlich zur Geständniserpressung verwandt wurden. In diesen Wasserzellen befindet sich ein Hocker. Normalerweise war der Wasserstand so, daß ein auf dem Hocker stehender Häftling noch bis zu den Fußknöcheln im Wasser stehen mußte. Darüber hinaus konnte je nach der Zweckbestimmung das Wasser in beliebiger Höhe gestaut werden. Nach durchaus glaubwürdigen Aussagen der letzten überlebenden Gefängnisinsassen betrug der Aufenthalt eines zu Vernehmenden in einer solchen Wasserzelle 5 bis 7 Tage. Entweder war der Häftling nach dieser Zeit zu jeder Aussage bereit oder aber er ertrank oder verfiel in schweres körperliches und geistiges Siechtum. Auch Frauen gegenüber wurde diese Wasserzellenmethode angewandt. Das Gefängnis stand unter der Aufsicht des NKWD. Direktor war der NKWD-Major Genosse Winokur; seine Privatsekretärin und bevollmächtigte Vertreterin war die Jüdin Bronstein. Auch Winokur ist Jude. Stellvertretender Gefängnisdirektor war der Genosse Viktor Czerewko, der örtliche Führer des NKWD von Dubno. Außerdem saß noch in der Gefängnisdirektion der Genosse Iwan Czelmokow, der nicht NKWD-Beamter, sondern politischer Führer in der kommunistischen Partei war. Als Bürovorsteherin der Gefängnisverwaltung fungierte die Genossin Rachil Goifler. Die hier genannten Personen hatten die volle Gewalt über das Gefängnis. Außer einigen Dunkel-Einzelzellen, die gerade so groß sind, daß ein mittelgroßer Häftling knapp darin liegen kann, besitzt das Gefängnis meist große Massenzellen, in denen zwischen 3 und 40 Häftlinge untergebracht wurden. Normalerweise waren in dem Gefängnis durchschnittlich etwa 1500 Gefangene, von denen bis zu 250 Frauen und etwa 50 Kinder im Alter zwischen 12 und 15 (Knaben und Mädchen) waren. Lediglich kurz vor der Einnahme Dubnos durch die deutschen Truppen waren nur etwa gegen 600 Gefangene vorhanden, da kurz zuvor drei große Transporte nach Sibirien abgegangen sind, ohne daß Nachschub-Häftlinge eingeliefert wurden. In gewissen Andrangszeiten sollen aber in diesem Gefängnis bis über 3000 Häftlinge eingepfercht gelegen haben. Der Transportweg nach Sibirien ging von hier über Kiew. Ob in Kiew nochmals ein längerer oder kürzerer Aufenthalt war, ließ sich hier nicht feststellen. Die Transporte gingen mit Regelmäßigkeit wöchentlich einmal am Montag-Dienstag ab. Im Laufe der letzten zwei Monate vor der Einnahme Dubnos waren nur 10 Juden in dem Gefängnis. Die Verpflegung und die sanitäre Betreuung der Häftlinge war trotz der vorhandenen Wasserleitung höchst unzureichend. Zum Frühstück gab es ausnahmslos täglich 1/2 Liter etwas gesüßten, schwarzen Malzkaffee und dazu für die bereits Abgeurteilten 700 Gramm Brot und für die noch nicht Abgeurteilten 600 Gramm Brot als Tagesration. Mittags gab es mit höchst seltenen Abweichungen eine dünne Hirsesuppe; die gleiche Suppe gab es zum Abendbrot. Wenn es einmal keine Hirsesuppe gab, wurden den Gefangenen stinkender Fisch oder sonstige ungenießbare Küchenabfälle gereicht. Den Häftlingen blieb daher nichts weiter übrig, als von der Morgenration zu leben. Eine einheitliche Gefangenenkleidung gab es nicht. Nur die bereits zu einem Sibirien-Transport Zusammengestellten erhielten als Kennzeichen eine Armbinde mit einer Nummer. In jeder Zelle befand sich ein Kübel, in den die Notdurft verrichtet werden mußte; außerdem wurden die Häftlinge jeden Tag einmal auf die Aborte geführt. Pritschen oder Strohsäcke gab es nicht. Die Gefangenen mußten auf dem blanken Fußboden in ihre Decken gewickelt schlafen. In der Frauenabteilung waren die sanitären Betreuungen noch dürftiger, zumal den Frauen während der Menstruation nichts, keine Watte, kein Lappen oder Papier gegeben wurde. Auch schwangere Frauen wurden genau wie die übrigen Gefangenen inhaftiert. Sie bekamen das gleiche Essen, mußten ebenfalls auf dem Fußboden schlafen und wurden auch nur täglich einmal 7 bis 10 Minuten zum Rundgang auf den Gefängnishof geführt. Erst etwa 8 bis 10 Tage vor der zu erwartenden Entbindung wurden die Schwangeren in die Spitalabteilung gebracht, wo sie erstmalig durch eine Hebamme untersucht wurden. Schon 14 Tage nach der Entbindung wurden die Mütter mit ihren Säuglingen zusammen wieder in die alten Zellen gesperrt. Ohne Rücksicht auf eine bereits erfolgte Entwöhnung des Säuglings (die Säuglinge erhielten durch das Gefängnis keinerlei Nahrung und waren ausschließlich auf die Muttermilch angewiesen) wurden dann die Mütter, wenn der Transport fällig war, nach Sibirien geschickt, während man die Kinder in einem Sowjetheim unterbrachte.

Nach den übereinstimmenden Aussagen von drei von dem Unterzeichneten vernommenen Überlebenden des Blutbades vom 24. und 25.6.1941 sind etwa 550 Häftlinge, darunter etwa 100 Frauen, umgebracht worden. Bei Aufnahme der Ermittlungen durch den Unterzeichneten waren nur noch 4 Überlebende, die zur Zeit in verschiedenen Dubnoer Lazaretten liegen, anzutreffen, während 4 weitere Überlebende bereits aus den Krankenhäusern entlassen waren. Zur Schilderung der Ereignisse vorn 24. und 25. 6. sei ein Bericht über die Vernehmung des überlebenden Total Tschirwa, Pastor der ukrainisch-evangelischen Kirche in Kustyn, 4.12.05 in Kustyn bei Rowno geboren, und ein Bericht über die Vernehmung der überlebenden Walentyna Lepieszkiewicz, Ehefrau, keine Kinder, 17.8.17 in Rostow am Don geboren, in Rowno wohnhaft gewesen, angefügt. Außer den beiden Genannten wurde noch der überlebende Bauer Piotr Morosiuk, 18.5.10 in Radziwillow geboren, vernommen. Seine Aussage deckt sich völlig mit der des Pastors Tschirwa. Die 4. noch im Dubnoer Lazarett befindliche überlebende 23-jährige Ehefrau Peworonia Pindwiuk, in Jaroslawicze geboren, ist auch heute noch vernehmungsunfähig, da sie durch die Erlebnisse im Dubnoer Gefängnis wahnsinnig geworden ist und völlig teilnahmslos in ihrem Krankenbett liegt. Der P. mußte der rechte Arm amputiert werden. Diese 23-jährige Frau, die nach Angabe von Bekannten eine junge, hübsche Frau gewesen sein soll, hat jetzt das Aussehen einer 50-jährigen, irren Greisin. Angaben des Pastors Tschirwa: Tsch. ist Vater von 3 Kindern, Ukrainer und seit langem Angehöriger der OUN. Wegen seiner Zugehörigkeit zur OUN wurde er durch die Denunziation eines seiner Kollegen und eines NKWD-Spitzels im September 1940 festgenommen und zunächst dem Gefängnis in Rowno zugeführt. Seine Vernehmungen in Rowno wurden unter Zuhilfenahme von Spezialhandfesseln durchgeführt, die an der Innenseite mit Eisenstacheln versehen waren und bei der geringsten Bewegung der Hände in die Gelenke stachen; außerdem wurde er mit einem Gummiknüppel verprügelt. Die Verhandlung gegen ihn fand am 27. 3. 41 in Rowno statt, wo er zu 8 Jahren Zwangsarbeit (Deportation nach Sibirien), zu 5 Jahren Rechtsverlust und zur Konfiskation seines Vermögens verurteilt wurde. Im Juni 1941 sollte sein Transport nach Sibirien erfolgen. Aus diesem Grunde wurde er nach Dub-no überführt. Am 21.6.1941 stand er verladefertig auf dem Bahnhof; plötzlich wurden alle Häftlinge wieder ins Gefängnis zurückgebracht. Er kam in eine Zelle des obersten Stockwerks und lag mit 30 politischen Häftlingen zusammen, die sämtlich Ukrainer waren, gegen die zum Teil aber noch nicht verhandelt worden war, und die man alle wegen konterrevolutionärer Bestrebungen festgenommen hatte. Am 24. 6. abends befahl man den Häftlingen, sofort nach dem Abendessen schlafen zu gehen, sich aber nicht wie sonst an die beiden Seitenwände ihrer Zelle zu legen, sondern an die Fensterseite, der Tür gegenüber. Schon eine halbe Stunde später wurde durch die Luke in der Zellentür, durch die sonst das Essen gereicht wurde, der Lauf einer Maschinenpistole geschoben und mehrere Feuerstöße wurden abgegeben. Sogleich warfen sich die Häftlinge an die Türwand auf den Boden, so daß für den MP-Schützen kein Ziel mehr vorhanden war. Daraufhin wurde die Zellentür geöffnet, und es erschien ein Sowjetjude mit der Maschinenpistole sowie 2 Sowjetjüdinnen mit Nagan-Revolvern (die Jüdin Bronstein und die Jüdin Goifler), die ein wildes Feuer auf die am Boden Liegenden eröffneten. Tsch. hatte das Glück, nach einer Schußverletzung am rechten Fuß sofort in eine Ecke zu fallen, wo mehrere Erschossene auf ihn fielen. Ebenso wie er kamen 4 Verwundete unter Erschossene zu liegen, so daß aus seiner Zelle 4 Häftlinge mit dem Leben davon kamen. Als die Russen in der Meinung, daß alles tot sei, wahllos noch einige Schüsse in den Leichenhaufen abgegeben hatten, verließen diese die Zelle und schlossen die Tür wieder hinter sich ab. Die 4 krochen nun unter den Leichen hervor, verbanden mit abgerissenen Hemdenstreifen notdürftig ihre Wunden und warteten die ganze Nacht. Am frühen Morgen des 25. 6. begann im Gefängnis jedoch erneut das Schießen, worauf sich die 4 wieder unter die Leichen verkrochen. Jetzt erschienen nur die beiden Frauen mit den Revolvern und gaben mehrere Schüsse in den leblosen Haufen hinein ab. Danach zogen sich die jüdischen Weiber zurück und verschlossen die Zellentür. Nunmehr rafften die 4 ihre letzten Kräfte zusammen, rissen die Heizkörper der Zentralheizung von der Wand und rannten mit diesen gegen die Tür, bis diese nachgab und aufsprang. In dieser Weise rammten sie noch mehrere Zellentüren, um gegebenenfalls noch Überlebende aus anderen Zellen retten zu können. Sie stürmten dann ins Freie, überkletterten die Gefängnismauer und rannten nach allen Himmelsrichtungen auseinander. Tsch. blieb nach etwa 100 m in einem Kornfeld völlig entkräftet liegen. Hier wurde er am 26. 6. von deutschen Soldaten, die ihn sofort einem Lazarett zuführten, aufgefunden. Der Überlebende Morosiuk sagte hierzu noch aus, daß er mit 9 Häftlingen in einer anderen Zelle lag. M. war seit dem 15. 6. 41 im Gefängnis, ohne daß er vernommen worden ist und ohne daß man ihm bisher den Grund zu seiner Festnahme bekanntgegeben hat. In seiner Zelle haben nur die beiden Judenweiber geschossen; er ist von seinen Mitgefangenen der einzige Überlebende und konnte sich nur dadurch retten, daß er sich nach 2 Beinschüssen tot stellte, ebenfalls unter bereits Erschossenen lag und sich, als die Weiber fort waren, mit Leichenblut und Leichenwasser über und über beschmierte. So hat er 2 Nächte und 2 Tage unter den Leichen und unter mehrfachen Kontrollen durch die Judenweiber liegen müssen, bis er von deutschen Soldaten am 26. 6. aus der Zelle gerettet wurde. Angaben der Ehefrau Walentyna Lepieszkiewicz: Die L. ist gebürtige Ukrainerin und mit einem polnischen Geschäftsführer einer Buchhandlung in Rowno verheiratet. Am 23.8.1940 wurde sie mit ihren Mannvom NKWD festgenommen, weil man in ihrerWohnung Waffen gefunden hatte, die sie nach ihren durchaus glaubwürdigen Angaben bei einem Krieg der Deutschen gegen die Russen, den sie als einzige Rettungsmöglichkeit vor der sowjetischen Hölle ersehnten, gegen die Sowjets verwenden wollten. 3 Monate nach der Festnahme fand in Rowno die Verhandlung gegen ihren Ehemann statt, der zu 8 Jahren Zwangsarbeit (Sibirien) verurteilt wurde und auch Anfang 1941 deportiert worden ist. Die L. hat jede Hoffnung aufgegeben, ihren Ehemann jemals lebend wiederzusehen. Sie nimmt an, daß er längst umgekommen oder von den Russen erschlagen worden ist. Gegen sie selbst hat man noch nicht verhandelt, sie ist auch noch nicht vernommen worden. Sie ist heute auch ganz froh darüber, daß sie nicht vernommen worden ist, da sie von ihren Mithäftlingen weiß, daß die Frauen fast ausnahmslos bei den Vernehmungen von den Kommissaren oder Vernehmungsrichtern vergewaltigt werden. Sie führte dazu aus, daß die Frauen derartig verängstigt sind, teils durch Drohungen, teils durch Folterungen, daß sie niemals wagten, den Gelüsten der Vernehmenden irgendwelchen Widerstand entgegenzusetzen. Die L. lag zusammen mit 8 Frauen in einer Zelle. Am Abend des 24. 6. hörten sie ein sich näherndes Schießen und Schreien. Ihre Ahnung, daß sie alle umgebracht werden sollten, wurde zur Gewißheit, als sich die Zellentür öffnete und mehrere NKWD-Männer teils mit Maschinenpistolen, teils mit Karabinern bewaffnet eintraten und sofort das Feuer auf die sich verängstigt in einer Zellenecke zusammendrängenden Frauen eröffneten. Die L. erhielt als erste Frau einen Oberschenkel-und einen Beinschuß und fiel sofort um. Auf sie stürzten die anderen. Als die Schießerei aufhörte, wurde von den Beamten die Zellentür wieder verschlossen. Sie kroch nun hervor und rief nach anderen noch Lebenden. Es kamen 2 weitere Frauen, eine nur leichtverletzte Frau von 19 Jahren und die Frau Pindwiuk, die irrsinnig geworden ist, hervor. Die verwundeten Frauen warteten nun die ganze Nacht. Am nächsten Morgen näherten sich wieder Schüsse. Es traten 2 jüdische NKWD-Beamte mit Karabinern ein, die in aller Seelenruhe ihre Bajonette aufpflanzten. Zunächst stach ein Beamter der Leichtverletzten direkt ins Herz. Die Frau war sofort tot. Beim Herausziehen des Bajonetts verlor der Jude das Bajonett, und während der andere Jude auf die Frau P. einstach, diese aber nur am Arm und Bein verletzte, da sie am Boden lag, ertönte bereits der Lärm der mit den Heizkörpern gegen die Zellentür rennenden männlichen Häftlinge. Dadurch zur Eile angetrieben, erhielt die L. nur zwei verhältnismäßig leichte Stiche mit dem Bajonett in den Hals und die beiden Beamten flohen. Die Zellentüre blieb offen. Infolge der seelischen Aufregung und der körperlichen Schwäche war es aber den beiden noch lebenden Frauen nicht möglich, die Zelle zu verlassen; zudem zeigten sich bei der P. die ersten Anzeichen des beginnenden Wahnsinns. So verbrachten beide Frauen noch den ganzen 25. 6. und den halben 26. 6. neben den übrigen Leichen in der Zelle, völlig entkräftet und geschwächt durch den Blutverlust, bis sie am 26. 6. durch deutsche Sanitäter einem Lazarett zugeführt wurden.

Aus:BAB, R 58/214


1 Dies ist als Aufforderung zu werten, den Kommissarbefehl auf Offiziere ab diesem Rang anzuwenden; vgl. Felix Römer: Der Kommissarbefehl. Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42, Paderborn u.a. 2008.

2 In Kremenez (Krzemieniec) lebten 1941 etwa 15000 Juden, darunter 4000 Flüchtlinge. Ebenso wie in Dubno waren die NKWD-Morde beim sowjetischen Abzug Anlaß für ein Judenprogrom; EdH, Bd. 2, S. 812.

3 Im wolhynischen Dubno lebten 1941 etwa 12000 Juden. Einigen Hundert von ihnen gelang die Flucht vor dem deutschen Einmarsch; EdH, Bd. 1, S. 372; zu den Erschießungen in Dubno: Verbrechen der Wehrmacht, S. 123–127.

4 „Ich habe selbst gesehen, daß deutsche Wehrmachtsangehörige auf dem Hofe des dortigen Gefängnisses mehrere jüdische Opfer in eine Ecke getrieben und dann Handgranaten in die Gruppe geworfen haben, wodurch diese Menschen auf der Stelle zerfetzt wurden“, Vern. Lothar Fendler v. 19.3.1962, BAL, B 162/1552, Bl. 196 ff.; zum Pogrom in Tarnopol: Verbrechen der Wehrmacht, S. 100–106.

5 Narodnyi kommissariat gosudarstvennoj besopastnosti (NKGB–Volkskommissariat für Staatssicherheit), am 3.2.1941 aus dem NKWD ausgegliedert u. am 20.7. wieder zusammengelegt; Christopher Andrew/Wassili Mitrochin: Das Schwarzbuch des KGB. Moskaus Kampf gegen den Westen, Berlin 1999, S. 686.

6 Generaloberst Iwan Alexandrowitsch Serow (1905–1990), 1937–1950 Deputierter des Obersten Sowjet, Febr. 1939 Leiter der NKWD-Hauptabt. für Miliz, Juli 1939 stellv. Leiter der Hauptverwaltung des NKWD, Sept. 1939 Volkskommissar des Innern in der Ukraine, Febr.–Juli 1941 1. stellv. Volkskommissar für Staatssicherheit, danach bis Febr. 1947 stellv. NKWD-Chef, 1945–Nov.1946 stellv. OB der Sowjetischen Militäradministration in der SBZ, März 1954 Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR, 1958 Leiter der Hauptabt. Aufklärung u. stellv. Chef des Generalstabs der Streitkräfte; vgl. Lukasz Kaminski/Krzysztof Persak/Jens Gieseke (Hrsg.): Handbuch der kommunistischen Geheimdienste in Osteuropa 1944–1991, Göttingen 2009, S. 138.

7 Zu den NKWD-Morden im Gefängnis von Dubno, in dem sich unmittelbar vor dem deutschen Angriff etwa 600 Gefangene befanden: Musial: Konterrevolutionäre Elemente sind zu erschießen, S. 119–122. Nach Musial lassen sich die Tatumstände der in den Gestapo- u. SD-Berichten behaupteten (u. in der Nachkriegszeit bisweilen kritiklos wiederholten) Beteiligung von Juden an den Erschießungen in Dubno nicht mehr eindeutig klären; dennoch geht er davon aus, daß „zumindest ein Teil der Berichte zutrifft“. Einschränkend gibt er zu bedenken, NKWD-Funktionäre hätten als „Angehörige des sowjetischen Terrorapparats“ nicht als Juden (so sie welche waren) gehandelt, während gleichzeitig die Deutschen auf der Suche nach Vorwänden für die Verfolgung u. Ermordung von Juden gewesen seien; ebd., S. 270 ff. Die Verbrechen des NKWD in Dubno wurden in 2 Beiträgen der Propagandakomp. 637 mit den Titeln „Bolschewistischer Massenmord in Dubno“ (29.6.1941) u. „Im Blutkeller der GPU“ (10.7.1941) ausgeschlachtet. Dafür machte man Photos vom Ort des Geschehens u. Portraitaufnahmen „roter Verbrecher“ – Stereotypen des Juden u. des Politkommissars –, die „als Spitzel laufend der GPU die Opfer ans Messer lieferten“; erhalten im Bestand des Vertreters des AA beim AOK 6, PAAA, R 60762; vgl. Marco Carynnyk: The Palace on the Ivka-Dubne, September 18th, 1939 and June 24th, 1941, in: Barkan/ Cole/Struve: Shared History–Divided Memory, S. 263–301.

Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941

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