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3. Vom »markellischen« Romanum (zurück) zu den frührömischen Tauffragen 3.1. Markell von Ankyra als Urheber des Romanums? Eine rezente Debatte

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Rufin ist einer der ältesten Zeugen für das Romanum, und er ist zudem der erste, der die Vielfalt der Bekenntnisse in der westlichen Kirche ausdrücklich reflektiert.[39] In der zitierten Passage nimmt er |31|darüber hinaus Bezug auf die Riten der traditio und redditio symboli: Vor der Taufe, entweder noch im Zusammenhang des katechetischen Unterrichts oder bereits während des liturgischen Ritus, mussten die Täuflinge das Bekenntnis »zurückgeben«, d.h. auswendig rezitieren, das ihnen der Bischof oder Katechet zuvor »übergeben«, nämlich vorgesprochen und ausgelegt hatte.[40] Um das Jahr 400 war das in Aquileia, Rom, Mailand und Hippo ein fest etablierter Usus. Diese Praxis verband sich mit der »Arkandisziplin«, mit der rein mündlichen Weitergabe des Glaubens, damit dieser nicht von unberufenen Ohren mitgehört und dadurch profaniert würde. Schon vor den ersten ausdrücklichen Zeugnissen aus dem Westen des Reiches ist dieser Brauch auch in Jerusalem nachzuweisen: Dort bezeugt die Pilgerin Egeria für die 380er Jahre die traditio und redditio symboli,[41] ebenso Bischof Kyrill (†387) in seinen 351 gehaltenen Tauf- und den vermutlich späteren Mystagogischen Katechesen.[42] Um die Mitte des 4. Jahrhunderts ist aber auch in Rom bereits der Ritus und damit die Verwendung eines Glaubensbekenntnisses nachweisbar, sofern man der allerdings erst um 400 verfassten Darstellung in Augustins Confessiones in dieser Hinsicht Glauben schenken darf:

»(Das Glaubensbekenntnis) pflegt von denen, die (als Täuflinge) hintreten zu deiner Gnade, in Rom in festgesetztem Wortlaut, der dem Gedächtnis eingeprägt worden ist, von erhöhtem Ort im Angesicht des Volkes abgelegt zu werden.«[43]

Welcher Text wurde bei diesem öffentlichen Akt verwendet? Augustin selbst bietet keine eingehenderen Informationen und zitiert das |32|Bekenntnis auch nicht. Nach Rufin wäre es das von ihm selbst bezeugte Romanum. Doch schreibt auch er ein halbes Jahrhundert nach der Zeit, in der Augustins Bericht von der Taufe des Marius Victorinus spielt, in dessen Zusammenhang Augustin den katechetischen Brauch erwähnt.[44] Es gibt freilich noch eine frühere Textform des Romanums, die in der Forschung seit jeher eine große Rolle gespielt hat, und dies seit mehr als dreihundertfünfzig Jahren.

Schon im Jahr 1647 identifizierte der Erzbischof von Armagh, James Ussher,[45] als ältesten Zeugen für das Romanum einen 341 auf Griechisch verfassten Brief des Markell von Ankyra (†374) an Bischof Julius von Rom (†352).[46] Markell, in den auf das Konzil von Nizäa folgenden Auseinandersetzungen kirchenpolitisch ins Abseits geraten und seines Bischofsamtes enthoben, suchte Rehabilitation mithilfe römischer Autorität.[47] Eine Synode behandelte seine Causa im Frühjahr 341. Julius schrieb den in Antiochien versammelten Gegnern Markells, dieser habe, »als er von uns gebeten wurde, über seinen Glauben zu sprechen, mit einer solchen Freimütigkeit geantwortet, daß wir erkannten, daß er nichts außerhalb der Wahrheit bekannte.«[48] Markell selbst verfasste im Anschluss an die Synode eine theologische Darlegung, die er dem Synodalbrief beizulegen bat.[49] Vieles spricht dafür, dass er in diesem Schriftstück zusammenfasste, was er bereits auf der Synode vorgetragen hatte, um seine |33|Orthodoxie zu untermauern.[50] Und hierin findet sich ein Abschnitt, der dem von Rufin bezeugten Romanum und dem späteren Apostolikum frappierend ähnelt:[51]

Romanum (R) Romanum nach Markell (griechisch)
Credo in deo, patre omnipotente, Πιστεύω οὖν εἰς θεὸν παντοκράτορα
et in Iesu Christo, unico filio eius, domino nostro, καὶ εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν, τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ, τὸν κύριον ἡμῶν,
qui natus est de spiritu sancto ex Maria virgine, τὸν γεννηθέντα ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου,
crucifixus sub Pontio Pilato et sepultus, τὸν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου σταυρωθέντα καὶ ταφέντα
tertia die resurrexit; καὶ τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ ἀναστάντα ἐκ τῶν νεκρῶν,
ascendit in caelos; sedet ad dexteram patris; ἀναβάντα εἰς τοὺς οὐρανοὺς καὶ καθήμενον ἐν δεξιᾷ τοῦ πατρός,
inde venturus iudicare vivos et mortuos; ὅθεν ἔρχεται κρίνειν ζῶντας καὶ νεκρούς·
et in spiritu sancto, καὶ εἰς τὸ ἅγιον πνεῦμα,
sanctam ecclesiam, ἁγίαν ἐκκλησίαν,
remissionem peccatorum, ἄφεσιν ἁμαρτιῶν,
carnis resurrectionem. σαρκὸς ἀνάστασιν, ζωὴν αἰώνιον.

Dieser Text ist für die Frage nach dem Werden des Apostolikums von größtem Interesse, weil es sich um den ältesten erhaltenen Bekenntnistext aus dem Westen des Römischen Reiches handelt. Zwar war bereits von der Synode von Nizäa (325) ein Glaubensbekenntnis formuliert worden, dem in den 340er und besonders in den 350er Jahren eine ganze Reihe ähnlich gebauter Formeln folgen sollte. Solche deklaratorischen Texte, die der Sicherung des Glaubens in einer knappen Formel dienten, waren im Westen aber offenbar weder gebräuchlich noch überhaupt bekannt: Noch 359 informierte Hilarius von Poitiers (†367) gallische, germanische und britische Bischöfe über die Existenz und Notwendigkeit solcher Glaubensbekenntnisse, |34|die diesen bislang noch gar nicht untergekommen seien.[52] In Rom gab es zu diesem Zeitpunkt immerhin schon eins – aber was für einen Text haben wir da vor uns?

Die Frage, die sich nun stellt, ist letztlich die nach der Henne und dem Ei: Zitierte Markell um der Anerkennung seines rechten Glaubens willen ein Bekenntnis, das die römischen Synodalen als ihr eigenes erkennen würden? Das ist die klassische These, die von Ussher bis Kelly vertreten und in der neueren Diskussion von Westra bekräftigt worden ist.[53] Der Brief und das darin enthaltene Bekenntnis wurden auf Griechisch verfasst, damit beides den Adressaten im Osten zugänglich wäre. Der griechischsprachige Markell hätte dann ein lateinisches Bekenntnis selbst übersetzt (oder übersetzen lassen) oder auf einen Text zurückgegriffen, der aus der Zeit stammt, als die Liturgiesprache in Rom noch das Griechische war, also vermutlich aus dem 3. Jahrhundert oder gar noch früher. Oder übernahm die römische Gemeinde für den katechetischen Gebrauch ein Credo, das Markell ad hoc formuliert und der Synode vorgelegt hatte? Das ist die These, die Markus Vinzent 1999 vorstellte und die gut ein Jahrzehnt lang die Diskussion über die Entstehung des Romanums bzw. des Apostolikums befeuert hat.[54] Dann wäre zu überlegen, wann und von wem ein von Markell selbst auf Griechisch formuliertes Bekenntnis ins Lateinische übersetzt worden wäre, um in die römische Taufunterweisung integriert zu werden.

Was die Übersetzungen in die eine oder andere Richtung anbelangt, gibt es m. W. keine plausiblen Hypothesen. Gestritten wurde aber engagiert über die Vinzent’sche These eines markellischen Ursprungs des Apostolikums. Verhielte es sich so, wäre das nicht zuletzt durch den Umstand bemerkenswert, dass das meistgebrauchte Bekenntnis im Westen, das Apostolikum, von einem Theologen stammt, |35|dessen Vorstellung einer eschatologischen Wiederzusammenfassung der heilsgeschichtlich entfalteten Trias zur uranfänglichen Monas im 381 abgefassten Nizäno-Konstantinopolitanum mit scharfem Widerspruch bedacht wird.[55] Das mag auf sich beruhen. Wichtiger für die hier verfolgte Fragestellung ist, dass Vinzent nicht als erster beobachtet, aber die weitestgehenden Schlüsse daraus gezogen hat, dass das Romanum unstrittig erstmals bei Markell zu finden ist und vor dem Jahr 341 als Text keine unmittelbare Vorgeschichte hat – jedenfalls keine, die in der heute zugänglichen Überlieferung Spuren hinterlassen hätte. Dann bestünde konsequenterweise das Apostolische am Apostolikum nicht in einer personalen Traditionskette, sondern in der kreativen und letztlich sehr erfolgreichen Zuschreibung neuerer Lehrbildungen an die Apostel. Es gäbe dreihundert Jahre nach dem Ausschwärmen der Apostel über den Erdkreis also durchaus ein Werden des Apostolikums, das aber nicht zuerst in Rom und nicht als Romanum, sondern gewissermaßen als »Markellum« das Licht der Welt erblickt und dann in Rom Karriere gemacht hätte.[56]

Diese These hat nur zum Teil Anklang gefunden; die Diskussion ist mittlerweile wieder abgeebbt.[57] Uta Heil hat in Auseinandersetzung |36|mit Vinzent die Vermutung vorgetragen, dass möglicherweise die römische Synode, die sich mit Markells Orthodoxie befasste, selbst ein Bekenntnis formulierte und ihm vorlegte, das dann dieser übernahm (und nicht andersherum).[58] Träfe dies zu, trüge »diese Passage aus Markells Brief doch zu Recht den Namen Romanum«.[59] Wenn freilich auf dieser Synode »die Theologie Markells verhandelt wurde«, erklärt dies m.E. – gegen die These Uta Heils – gerade nicht, »warum in diesem Text die im Osten heftig umstrittenen Begriffe und Thesen kaum vorkommen«. Ihr zufolge sei »traditionelles Material«, teils aus frühchristlichen regulae fidei, und Informationen aus der Frühphase des trinitarischen Streites (von Alexander von Alexandrien übermittelt) verarbeitet worden. Dass der meinungsstarke und literarisch produktive Markell als Protagonist der jetzt laufenden Debatte, der eindeutig die Sympathien der römischen Synode genoss, keinen Einfluss auf die inhaltliche Präzisierung gehabt hätte, erscheint jedenfalls erklärungsbedürftig, zumal die verwendete Gattung des Bekenntnisses im Westen offensichtlich neu war. Man hätte daher auch, wenn man Uta Heil folgt, eher mit einem neuen Romanum als einem traditionellen Text zu rechnen.

Die Rede von Gott Vater und Gott Heiligem Geist als Glaubensaussage

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