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4. Die Narration von einer Geschichte der Selbsterweise Jhwhs im Horizont des Monotheismus und der Universalität der Religionsgeschichte

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Dass die Geschichte der Gotteserkenntnis Israels Teil einer universalen Erkenntnisgeschichte war, wurde infolge der Auslöschung der israelitischen und judäischen Königreiche durch imperiale Großmächte und ihre Weltherrschaftsrhetorik den israelitischen Gelehrten bewusst. Die schlichte Behauptung, nicht Assur, nicht Marduk, nicht Ahura-Mazda, sondern Jhwh, der Gott Jakobs und Israels, sei der Lenker der Weltreiche und ihrer Geschichte, genügte nicht. Auch die Behauptung, diese Gottheit sei nicht nur der Befreier des Exodus, sondern auch Schöpfer der Welt, vermochte die Herausforderung des Alleinverehrungsanspruchs nicht zu bewältigen. Wollte man aber die |73|These der Ausschließlichkeit der Gotthaftigkeit und Gottheit Jhwhs, also einen strikten monotheistischen Gedanken, bewähren, musste man das deuteronomistische Konzept einer auf Israel ausgerichteten Theologie des Bundes, des Bundesbruches und der Bundeserneuerung gleichfalls erweitern und überbieten. Die Eintragung des monotheistischen Deutungsschemas in das Deuteronomium in Dtn 4,5–8.39 und 32,39–40.43[32] war nur möglich auf der Basis einer Einbeziehung der Geschichte Israels, wie sie die Deuteronomisten entworfen hatten, in eine Universalgeschichte. Und diese bot die Priesterschrift, indem sie die Ursprungsgeschichten Israels in Gestalt der Erzväter- und der Exoduserzählung mit dem kosmischen Mythos der Urgeschichte verband und auf die Einrichtung eines Ortes der Einwohnung der Gottheit inmitten Israels ausrichtete.[33] Dabei bot sie als Integrationsmodell die Konzeption einer gestuften Offenbarungsgeschichte an. In ihm sind mythische, sagen- und legendenhafte Elemente mit historischen Erinnerungskernen zu einer religiös bestimmten Narration einer Heilsgeschichte verschmolzen, die man als narrative Theologie beschreiben kann. Die Schöpfung galt als Werk Gottes Elohîm, dessen Ebenbild der Mensch ist. Gerecht und vollkommen kann der Mensch (Noah, Gen 6,9) sein, weil ihm das was als »gut« gilt mit der Erschaffung des Lichts den Maßstab des Lebensspendenden und -bewahrenden |74|Elements vorgibt, an dem er sich orientiert. »Gut« ist in diesem Sinne die gesamte erschaffene Natur. Dem entspricht eine allgemeine Gotteserkenntnis, der Gedanke, dass die Menschheit insgesamt auf Elohîm ausgerichtet ist. Die Urkatastrophe der Sintflut führt zu einer neuerlichen Manifestation Elohîms, indem er vor Noah als dem Ahnvater des neuen Menschengeschlechts einen Bund mit Mensch, Tier und Erde eingeht, in welchem er den Bestand der Schöpfung zusagt und die Menschheit zur Achtung des Lebens verpflichtet. Aus dem Menschengeschlecht geht sodann Abraham hervor, dem die Gottheit sich neu als El Schaddaj erschließt. Im abrahamitischen Völkerkreis wird es die Nachkommenschaft Isaaks und Jakobs sein, in deren Mitte die Gottheit sich erst gegenüber Mose als Jhwh erschließt mit den Worten »Ich bin Jhwh« (Ex 6,2–8!), der Gott der Väter, der sein Volk als Jhwh-Volk aus der ägyptischen Sklaverei erlöst und so innerhalb der Menschheit einen Orientierungspunkt setzt: Ägypter wie Israeliten sollen Jhwhs Gottheit in ihrem Wesen (seinem Kavôd) durch die Erlösung erkennen (Ex 14,18). Ziel des Erlösungswerkes ist die Einwohnung Jhwhs als Gott Israels in dessen Mitte (Ex 29,46). Unter den Bedingungen des monotheistischen Glaubens kann die Religionsgeschichte nur als eine Geschichte sukzessiver Selbsterschließung der Gottheit verstanden werden, in deren Mittelpunkt die durch diese Gottheit Israel und den Völkern ermöglichte Gotteserkenntnis den Weg in eine versöhnte Zukunft ermöglicht. Wie das urzeitliche Gericht der Sintflut stehen auch die künftigen Völkergerichte unter dem Vorzeichen des noachitischen Bundes, wonach nicht die Vernichtung der Welt und der Menschheit, sondern vielmehr ein universaler Schöpfungsfriede die eschatologische Perspektive aller Geschichte ist.

Dabei differenziert die Priesterschrift zwischen der Perspektive der Textrezipienten, für welche die Identität des El Schaddaj mit Jhwh nunmehr feststeht, und dem Narrativ von den Offenbarungsempfängern, denen diese Identität erst von Mose her zugänglich geworden sein soll. Die Schriftgelehrten des Zweiten Tempels nutzten dieses Narrativ, um es einerseits mit dem deuteronomistischen zu verbinden.[34] Die deuteronomistische Bundestheologie orientierte sich am Gedanken der Verpflichtung Israels auf das Gesetz, das die Grundlage für seine Identität und seine Existenz als Volk Jhwhs bot und ihm zugleich den Maßstab für die Verheißungen Jhwhs als des Gottes Israels |75|gab. Der Gedanke des Scheiterns des Bundes und des Zornesgerichts des eifernden Gottes wurde hier durch den Gedanken der Neubegründung des Bundes aus der Selbstüberwindung Gottes begründet, der die Präponderanz seines gnädigen Wesens zur Grundlage jeglicher Bundeserneuerung machte. Anstelle des dekalogischen »ein eifernder Gott, der da heimsucht […]« steht in der Erzählung vom neuen Bund am Sinai die Gnadenformel an erster Stelle: »Jhwh ein gnädiger und barmherziger Gott, geduldig und voll großer Gnade und Wahrheit« (Ex 32,6). Als conditio humana einer Erneuerung Israels galt, dass Israel das Volk des neuen Bundes war. Durch die Verbindung mit dem priesterschriftlichen Bundesgedanken wird die Existenz Israels ins Zeichen des Erzvaters und seine vorläufige Stellung im »Land der Fremdlingschaft« (Gen 17,8; Ex 6,4), das fremder Herrschaft unterstand, gerückt: Auch im Status einer nichtsouveränen Kultus- und Rechtsgemeinde in der persischen Provinz Jehud hat Israel Anteil an der bleibenden Bundesverheißung Abrahams, die wiederum im Horizont des bleibenden Bundes Gottes mit der Welt steht. Die kombinatorische Narration wird zur Grundlage eines normativen religiösen Narrativs, Theologie vollzieht und bildet sich in komplementärer Lesung divergenter Narrationen. Die Aneignung solcher Theologie geschieht über die Identifikation im Ritual und im Narrativ: Auf die Frage des Kindes nach dem Sinn der Gesetze soll der Israelit antworten: »Wir waren Sklaven […] uns hat Jhwh herausgeführt« (Dtn 6,21). Jede künftige Generation eignet sich auf diese Weise die Heilsgeschichte gleichsam persönlich an und schreibt die Geschichte des eigenen Scheiterns und Neubeginnens auf diese Weise im Lichte des religiösen Narrativs fort.

Dies impliziert freilich, dass die Universalgeschichte nicht ohne die mosaische Unterscheidung des ersten Gebotes verstanden werden kann. Hier findet eine grundlegende Distinktion statt, die aller Integration eine Grenze setzt – die allerdings sowohl mit Hinsicht auf die Vorstellungen über den Ursprung der Menschheitsgeschichte als auch hinsichtlich der Eschatologie unter dem Vorbehalt des Gedankens einer Universalität des Ethos und eines Gottesgedankens steht. Das Phänomen der Religion ist den Schriftgelehrten nicht vorstellbar in einem abstrakten, vom Gottesgedanken selbst losgelösten Sinne, wohl aber hinsichtlich einer mehr oder weniger bestimmten Ausformung. Noah kann gerecht und vollkommen sein, indem er »mit Gott wandelt« (Gen 6,9), also in der schlichten Ausrichtung seiner Existenz auf Elohîm, ohne dass er die Mosaische Tora kennt. Henoch kann gar in die |76|himmlische Gemeinschaft entrückt werden. Hiob kann in der Urzeit mit der Theodizee ringen und alle Formen einer Lehre vom Tun-Ergehen-Zusammenhang zurückweisen, seine Gerechtigkeit erlangt er allein auf einer vor-mosaischen Auseinandersetzung mit dem Schöpfergott.

Eine weitere Besonderheit sahen die Schriftgelehrten im Wesen der Gottheit selbst. Geht man davon aus, dass die Verbindung der im Rahmen der klassischen Urkundenhypothese sogenannten »jahwistischen« und »elohistischen« Erzählungen mit der Priesterschrift nicht blind geschehen ist, sondern dass den nachexilischen Gelehrten die These eine Offenbarung des Jhwh-Namens an Mose vorgegeben war und von ihnen akzeptiert wurde, so stellt sich die Frage, in welchem Sinne dann die Erzählungen zu verstehen sind, die mehr oder weniger explizit vom Wirken Jhwhs bzw. Elohîms an den Erzeltern und den Nichtisraeliten erzählen bzw. in welchem Sinne sie die Rede vom Umgang der Erzeltern mit Jhwh bzw. Elohîm verstehen. Eine wichtige Beobachtung in diesem Zusammenhang ist, dass in den nicht-priesterschriftlichen Passagen zwar erzählt wird, dass Jhwh zu den Erzvätern redet, dass aber – im Unterschied zur priesterschriftlichen Darstellung, nach der er sich mit den Worten »Ich bin El Schaddaj« zu erkennen gibt (Gen 17,1b; 35,11; vgl. Gen 28,3f.; 48,3) – in den anderen Texten in der frühen redaktionellen Stufe der Zusammenführung der Stoffe eine Selbstvorstellungsformel mit Nennung des Jhwh-Namens fehlt (vgl. Gen 12,1–3.7; 13,14–17; 15,2*.7[LXX!].18–21; 18,13f.; 22,16; 26,2.24; 31,3)![35] Am deutlichsten ist dies in der Moseerzählung der Fall. In der nicht-priesterschriftlichen Berufungserzählung Ex 3 gibt sich Jhwh zunächst als »Gott deines Vaters«[36] und als »Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs« zu erkennen. Auf die Frage, was sein Name sei, verweigert die Gottheit die Auskunft und verweist auf die Souveränität ihrer Existenz: »Ich bin, der ich bin!« Damit bleibt die Spannung der Erzählung bis Ex 6 erhalten: Erst sub contrario in Ägypten erfährt Mose den Gottesnamen. Das war einem späteren Schriftgelehrten so unerträglich, dass er in Ex 3,15 erklärend |77|nachgetragen hat: »Und dann sprach Elohim nochmals zu Mose und sagte: ›So sollst du zu den Israeliten sagen: Jhwh, der Gott eurer Väter, […] hat mich gesandt.‹« Damit nimmt er aber nur vorweg, dass der Name erst in Ägypten offenbar werden soll, und liefert gleichsam eine explizite göttliche Erklärung für das, was nach seiner Sicht in Ex 3,14 impliziert ist.[37]

Eine Korrektur des Bildes, das durch die Komposition aus Erzählungen der Priestergrundschrift mit den vor-exilischen Väter- und Exoduserzählungen entstanden ist, bildet der Eintrag in Gen 4,26b, der feststellt, dass man schon in der Urzeit begonnen habe, »den Namen Jhwh anzurufen«. Versteht man diese Wendung explizit, so steht sie im Widerspruch zu Ex 6,2–8, und man muss annehmen, dass der Eintrag eine Gegenposition gegen P in die Urgeschichte einfügt und eine synchrone Lesung des Pentateuch nicht beabsichtigt.[38] Eine solche Gedankenlosigkeit ist den ansonsten durchaus reflektiert handelnden Schriftgelehrten nicht zu unterstellen. Die Alternative zu dieser Position besteht nun allerdings in der Annahme, dass die Wendung eine implizite Deutung der Formel repräsentiert. Das würde bedeuten, dass der Verfasser festhalten will, dass die Gottesverehrung in der Urzeit ihre Wurzeln hat, und dass sie sich auch unter dem Vorzeichen eines allgemeinen Gottesgedankens und des Monotheismus nur an den einen Gott Jhwh gerichtet hat, gerade auch dann, wenn man die Vorstellung einer urzeitlichen Gerechtigkeit des Menschen für möglich hält. Das fügt sich zu der Beobachtung, dass die Wendung in der weiteren Erzählung des Pentateuch nur noch für Abraham (Gen 12,8; 13,4; 21,33) und Isaak (Gen 26,25) ausgesagt wird.[39] In Gen 28,11–12.17–19.20–21a.22a |78|wird von der Entdeckung einer heiligen Städte Elohîms erzählt und von dem Gelübde, ein Haus für Elohîm zu errichten; analog zu der Ergänzung von Ex 3,14 in 3,15 wird auch in Gen 28,13–16 die Offenbarungserzählung durch eine Jhwh-Theologie korrigiert und vereindeutigt. Diese Deutung fließt auch in das Gebet Jakobs Gen 32,10 ein. Jakob nennt aber den Ort, an dem Elohîm zu ihm redet, Bet-El (Gen 35,15). Hagar hat zwar das Wort Jhwhs empfangen, nennt seinen Namen aber El-Roi – Gott, der mich sieht (Gen 16,13). Nur von Abraham heißt es Gen 22,14, er nenne den Ort seines Opfers für den Erstgeborenen »Jhwh sieht«, gleichsam in prophetischer Voraussicht auf den erwählten Ort auf dem Berg Jhwhs selbst, obschon dieser ihm seinen Namen nicht offenbart hat. Der Berg wird in 2 Chr 3,1 mit dem Tempelberg assoziiert. In der Melchisedek-Legende (Gen 14,18–20) wird diese prophetische Rolle des Abraham geradezu mystifiziert.

Weitere Spolien dieser jahwistischen Bearbeitung des Pentateuchs finden sich in Gen 29–31. Auch den Erzmüttern ist in den Fortschreibungen der Geburtssagen über die Stammväter Israels solches prophetische Wissen um den Gottesnamen zugeschrieben worden (Gen 29,32.33.35; 30,24), und auch von ihrem Vater Laban wird erzählt, er habe den Namen Jhwhs ausgesprochen, wenn er bekennt, dass er um Jakobs willen Segen empfangen habe und Jakob selbst gesegnet sei (Gen 30,27.30; 31,49). Überhaupt wird erst an dem Segen auf den Erzvätern für Fremde das Wirken Gottes als ein Wirken Jhwhs sichtbar (Gen 39,3.5.21).

Die in der neueren exegetischen Diskussion vertretene Ansicht, die ältesten Schichten der narrativen Überlieferung des Penateuch beruhten auf der Quelle eines »Elohisten«,[40] ist also dadurch bedingt, dass die nachexilischen Schriftgelehrten bei dem Einbau der vor-exilischen Erzählungen in die Priesterschrift diese im Sinne einer universalen Elohîm-Theologie bearbeiteten. Die Texte, die daran anschließend die Gottheit des Uranfangs mit Jhwh explizit identifizieren, führen auf die Selbstvorstellung Jhwhs an Mose (Ex 6,2, P) und Israel (Ex 20,2, Dtr) hin, nehmen sie aber nicht vorweg! Besonders |79|anschaulich wird die Vorstellung einer allgemeinen Gotteserkenntnis nach der Elohîm-Theologie[41] in der Josefsnovelle. Das göttliche Wirken erschließt sich sogar dem Pharao, vermittelt durch den einsichtigen Josef, in welchem der Pharao die Ruach Elohîm erkennt, also das Wirken des göttlichen Geistes (Gen 41,38), während sich die Frau des Potiphar der Gottesfurcht gegenüber verschlossen zeigt, als Josef sie auf die große Sünde wider Gott hinweist (Gen 39,9).[42] Im Gegensatz zu dem relativ exklusivistischen Israelglauben der Deuteronomisten und dem gestuften und konzentrischen Offenbarungsgedanken der Priesterschrift ergibt sich aus der Hinzufügung der alten Väter- und Exoduserzählungen eine Elohîm-Theologie, auf deren Basis eine Integration Fremder anschaulich wird. Da redet der Engel Gottes zu der ehemals in Ägypten versklavten arabischen Stammmutter Hagar und verheißt ihrem Sohn Ismael eine große Zukunft auch gegenüber seinen abrahamitischen Brüdern.[43] Da empfängt der Philister Abimelech im Traum göttliche Botschaften, ja, da wird ihm durch Abrahams Fürbitte gar Jhwhs Segen zuteil.[44] Da entdecken die Väter in den alten Orakelstätten von Bet-El, Sichem, Pnu-El und Mamre Ort, die in tiefer Verbundenheit zu Jhwh stehen, und an denen sich die Himmelswesen und fremdartigen dämonischen Gestalten in den Kreis der Jhwh dienenden Wesen einfinden, da werden aus diesen Orten gar heilige Stätten, an denen Jhwh sich erschließt und näher erfahren und erkennen lässt.[45] Da gewährt der Priester Midians dem Mose Schutz, verschwägert sich mit ihm und erkennt am Ende das Befreiungswirken Elohîms als Wirken des Gottes Jhwh an, wonach |80|er gemeinsam mit den Israeliten am Gottesberg ein Opferfest feiert.[46] Da folgen Fremde der Exodusschar und treten mit ihr in den Bund des Mose ein.[47] Kurzum: Vermittelt über die Elohîm-Theologie wird eine Integration der nicht erwählten Völker in die israelitische Kultusgemeinde ermöglicht. Im Mosesegen heißt es schließlich:

»2 Jhwh kommt vom Sinai und leuchtet ihnen auf vom Seir, er strahlt auf vom Gebirge Paran und kam von Meribat Kadesch, von seiner Rechten ein Feuer der Dat.[48] 3a Er liebt die Völker, […] 5 Er wurde König in Jeschurun,[49] als die Häupter des Volkes sich versammelten […] 19 Völker laden sie ein auf den Berg, dort bringen sie rechte Opfer dar.« (Dtn 33,2–19)

Zugleich reflektiert der Pentateuch in seiner Endgestalt auch die Bedingungen der Existenz des Jhwh-Volkes in der Fremdlingschaft, d.h. im Raum von Völkerschaften, deren Religion sich von der eigenen unterscheiden. Der midianitische Schwiegervater des Mose gibt seine Religion nicht auf, Zippora wird mit Mose verheiratet und dieser lebt als fremder Schutzbürger unter dem arabischen Gastrecht, so wie einst die Brüder Josefs unter ägyptischem Gastrecht. Darum erlaubt das Qahalgesetz in Dtn 23,8 die Aufnahme von Ägyptern in den Qahal. Gegenüber den Edomitern, deren Vorfahr sich von der Isaaksippe entfernt hat, wiegt das Band der Bruderschaft stärker und ermöglicht darum ebenfalls eine problemlose Integration. Dass in der achämenidischen Epoche durch internationale Regeln des Gastrechts und des Respekts vor der Religion des anderen man sich den Gesetzen und Sitten des schutzgewährenden Aufenthaltsortes anpasste, war nicht nur für die Völker des Perserreiches Regel und geltende Rechtsordnung, es war auch unter den Bedingungen der israelitischen Religion selbstverständlich. Niemand wäre umgekehrt allerdings dann auf die Idee gekommen, dass der Fremde seine ursprüngliche religiöse Bindung verleugnen müsste oder dass er sich der Religion des Gastgebers in der Kultpraxis vollkommen fügen musste.[50]

|81|Mit der Achämenidenzeit assoziieren die Narrationen des Nehemiabuches die Benennung des Gottes Israels als Jhwh Elohej ha-schamajim – Himmelsgott[51] – (Neh 1,4; 9,6), der im Angesicht des heidnischen Königs lediglich Elohej ha-schamajim angeredet wird (Neh 2,4.20). In der Chronik wird in radikaler Abrogation das Bekenntnis formuliert: »Alle Götter der Völker sind Elilim, Jhwh aber hat den Himmel gemacht!« (1 Chr 16,26). Dieses Bekenntnis soll auch die Völker erfassen: Jhwh ist König (1 Chr 16,31; 29,11), der Himmel kann ihn nicht fassen (2 Chr 2,5). Wenn anders die Verehrung anderer Gottheiten durch die Völker nicht zu verleugnen ist, gilt doch die alte Unvergleichlichkeitsformel: »Jhwh, Gott Israels, kein Gott ist dir gleich, nicht im Himmel und nicht auf der Erde« (2 Chr 6,14). So lobt denn auch der Phönizier Churam den Gott Israels (2 Chr 2,11). Kyros bekennt, dass Jhwh, der Himmelsgott, ihn erwählt hat (Esr 1,2; 2 Chr 36,23). Im Tempelweihgebet betet Salomo, »Du allein kennst das Herz aller Menschen« (2 Chr 6,30), und er bittet ihn, die Gebete auch der fremden Völker zu erhören, die sich an ihn wenden (2 Chr 6,33). Im 3. Jahrhundert ist man in Jerusalem der festen Überzeugung, dass Jhwh über alle Königtümer und Nationen herrscht (2 Chr 20,6).

Die Elohîm-Theologie ist demnach ein Zeugnis der geistigen und religiösen Bewältigung des Umstands, dass die monotheistisch ausgerichteten Israeliten sowohl in der Diaspora als auch in den Provinzen Jehud und Samaria in einem multikulturellen und einem religiös vielfältigen Umfeld leben mussten. Gerade dies ermöglichte und erzwang die geschärfte Reflexion der eigenen religiösen Deutungskultur. Es ermöglichte aber auch das Aushalten großer Spannungen und Kontraste. Neben der Josua-Schriftrolle, die die vollständige Erfüllung der Landverheißung und Landnahme behauptete, konnte eine Richter-Schriftrolle liegen, die das schiere Gegenteil vertrat. Neben dem Deuteronomium mit seiner religiösen Theorie von einer Bannweihe des verheißenen Landes hält sich hartnäckig die Sage davon, dass die erste Kanaanäerin, welche den Israeliten Schutz gewährte, eine Prostituierte war, die sich und ihrer Familie das Überleben sicherte, |82|indem sie sich zu Jhwh bekannte. Eines der markantesten Beispiele eines Nebeneinanders von exklusiver und inklusiver Religionstheologie bietet die Erzählung von Naeman, dem nach seiner Bekehrung zu Jhwh erlaubt wird in Damaskus Jhwh Opfer darzubringen und gleichwohl mit seinem aramäischen Dienstherrn den Tempel des Gottes Rimmon zu besuchen (2 Kön 5,17–19).[52]

Die »Endlosschleife« der schriftgelehrten Deutungskultur ergibt sich demnach dadurch, dass in der Schriftensammlung des Tanakh für widersprüchliche und kontingente Sachverhalte Beispiele existieren, die eine theologische Bearbeitung nach mehreren Aspekten erzwingen und auch die Erörterung kontroverser Positionen einschließen.[53] Im schon zitierten prophetischen Lied des Mose kann es heißen:

»37 Wo sind ihre Götter, der Fels, der ihre Zuflucht war, 38 die das Fett ihrer Opfer aßen, den Wein ihres Trankopfers tranken! Sie mögen sich aufmachen und euch helfen, sie mögen ein Schirm sein über euch. 39 Seht nun, dass ich, ich es bin, und dass es keinen Gott gibt neben mir. Ich töte und ich mache lebendig, ich habe zerschlagen, ich werde auch heilen.« (Dtn 32,37–39)

|83|Und zugleich von der primordialen Ordnung der Welt:

»Als das Erbland zuteilte der Höchste den Völkern, als er die Söhne Adams voneinander unterschied, setzte er fest die Gebiete der Völkerschaften nach der Zahl der Söhne Gottes.« (Dtn 32,8)[54]

Elemente der Assimilation und der Dissimilation, der Attraktion und der Abstoßung religiöser Deutungskonzepte aus dem Umfeld der Religionen, mit denen Israel in Kontakt stand, sind zu beobachten. Der Grad der Verwerfung konnte in höchstem Maße rigoristisch sein und die Theoreme von Bann und Bannweihe begründen, von Ikonoklasmus und Synkretismusverbot, die Abgrenzung gegenüber den Unreinen und Unbeschnittenen konnte gänzlich rigoristisch vollzogen werden und die Frommen in Isolation und Verarmung führen. Die außerbiblischen Dokumente der Lebenspraxis in neubabylonischer Zeit sowohl aus Mesopotamien wie aus Elephantine zeigen aber auch, wie es gelang, sich mit der Existenz heterogener Religionskulturen zu arrangieren. Gerade die späten Schichten des Jesajabuches offenbaren eine große Bereitschaft zur Öffnung der Kultusgemeinde für Menschen aus kulturell heterogenen Bindungen. Selbst den Eunuchen wird hier Yad wa-Schem im Bethaus für alle Völker gewährt (Jes 56,4–7). Aber auch hier gibt es dann wieder Gegentendenzen aus Kreisen frommer Charedîm, die das Gericht Gottes fürchten angesichts von Praktiken aus dem Einfluss des griechischen Kulturkreises wie etwa dem Hantieren mit Schweineblut und Hunden (Jes 66,2–5) in heiligen Hainen und Gräberfeldern (Jes 65,3–6) oder von anderen, in der Golah erworbenen Praktiken (Esr 9,4).

Der Streit um die Frage des Synkretismus spaltet das nachexilische Israel. Die Aufnahme des Synkretismusverbotes in Dtn 12,2–7 führt zu einer Scheidung zwischen der Kultusgemeinde in Samaria und Jehud, die Errichtung eines zweiten Heiligtums neben dem Jerusalemer Tempel auf dem Garizim führte dazu, dass es fortan zwei Linien gab, die das Erbe der israelitischen Religion verwalteten und zwei grundsätzliche Fassungen des Pentateuch. Weitere Spaltungen sind nach dem Fall des zweiten Tempels erfolgt, deren gewichtigste wohl die Trennung von Kirche und Synagoge war.

Die in Weisheit, Prophetie und Tora in unterschiedlichen Gattungen gesammelten und schließlich kodifizierten Narrative sind kanonisch nur in einem diskursiven Sinne. Sie stehen zugleich in einem |84|Gegenüber zu der infiniten Möglichkeit weisheitlicher und religiöser Welterschließung in Gestalt der erforschenden Lehre und der religiösen Unterweisung, die im Spannungsfeld zwischen dem Zeugnis des Universums (Ps 19) und der Universalität der Tora möglich ist. Darum rechnet das Judentum mit dem Phänomen des Wiedererscheinens des Propheten (Mal 3,23–24), um die bis dahin entstandenen Widersprüche zwischen »Vätern und Söhnen« miteinander auszugleichen.

Einheit und Maß religiöser Erkenntnis und Aussagemöglichkeit wird dabei aus der Mitte der Religion selbst gewonnen, aus der Selbsterschließung dessen, der da sagt »Ich bin, der ich bin«. An ihm ist Sagbares und Nichtsagbares zu messen. Er ist der archimedische, Orientierung verleihende Punkt aller weiteren Erzählung, und zwar in seiner Relation zu Israel und zur Welt. Die sich hieraus erschließenden Gesetze dienen der Wahrung der Freiheit, denn es ist der Gott des Exodus aus der Sklaverei. Daraus resultiert einerseits die Ausformung von Schriften als Explikation dieser Tora und zur geistigen Orientierung. Neben diese Schriften tritt gleichwohl der Gedanke einer Verinnerlichung »von ganzem Herzen«, also durch das religiöse Bewusstsein. Dieses wird von Dtn 18,18 und Jer 1,9 eingefasst in ein Bild der Prophetie, wonach die Gottheit dem Propheten ihr Wort in den Mund legt und somit neben die Verschriftung die Oralität der Toraerteilung tritt, auf welche wiederum deren neuerliche Verschriftung folgen kann usw. Ein zweiter Gedanke besteht im Prozess der Aneignung durch Lehre (Dtn 6,6–9.20–25) und also der Ausprägung eines an der Tora geschulten religiösen Bewusstseins (hebr. lebab), in welchem dann gleichsam eine spirituelle Neuverschriftung der Bundesgebote stattfindet, vgl. Jer 31,33: »Denn dies wird der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen werde nach jenen Tagen (Orakel Jhwhs): Ich werde meine Tora in ihr Inneres geben und auf ihre Herzen werde ich sie schreiben, so werde ich ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.« Dieser Gedanke wird in der nach-exilischen schriftgelehrten Prophetie des Ezechielbuches bekanntlich dahingehend fortgeschrieben, dass zu der Bewusstseinsorientierung des Herzens auch der Prozess der geistigen Erneuerung hinzutritt, also eine Erneuerung von Herz (lebab) und Geist (ruach),[55] sowohl im Kreise besonders Erwählter (Num 11; Josua, Dtn |85|34,9), als auch als einer Bewegung, die die gesamte Religionsgemeinde erfasst (Ez 36), ja, die sich über die Gesamtheit aller Glaubenden erstreckt (Joel 3). Gleichwohl findet dieser spirituelle Prozess in der verschrifteten Form der Mosetora immer wieder seinen Anhaltspunkt und muss mit ihr komplementär zusammengedacht werden. So wird die Transformation theologischer Konzeptionen ermöglicht und gleichzeitig deren Identitätskern gesichert. Das gilt natürlich auch für das Neue Testament, insofern nach dessen Überlieferung Jesus selbst in diesen Prozess eintritt, sei es durch seine prophetische, seine rabbinische oder seine messianische Orientierung auf das Königreich Gottes. Evangelien und Apostolische Schriften und Apokalypsen transformieren also die Religion der Hebräischen Bibel in eine neue Form der christlichen Religionskultur, ohne dabei den Urgrund ihrer Religion verlassen zu können, es sei denn um den Preis der Selbstaufgabe.[56]

So deutet – um nur ein Beispiel zu nennen – Mk 12,26–27 die theologische Grundlage des Auferstehungsglaubens unter Verweis auf Ex 3,15: »Was aber die Toten betrifft, wenn sie auferweckt werden, habt ihr nicht gelesen im Buch des Mose in der Geschichte vom Dornbusch, wie Gott zu ihm gesagt hat: Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Er ist nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebenden.« Und es folgt der Verweis auf das Hauptgebot der Gottesliebe und der Nächstenliebe nach der Tora (Dtn 6,4–5 und Lev 19,18). Von Exodus 3,14 her erschließt sich somit die Mitte der Schrift sowohl in der Perspektive der Hebräischen Bibel selbst als auch in der kanonischen Einheit Alten und Neuen Testaments.

Die Rede von Gott Vater und Gott Heiligem Geist als Glaubensaussage

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