Читать книгу Handbuch Bibeldidaktik - Группа авторов - Страница 55

Die antike Welt als ‚fremdes Land‘

Оглавление

„The past is a foreign country. They do things differently there“.[1] Diese Erfahrung machen auch SuS bei der Begegnung mit Zeugnissen antiker Kulturen. Für die SuS wirken die biblischen Texte und die Welt, in der sie verankert sind, fremd: „Das schwierigste didaktische Problem, aber auch die vielversprechendste Aufgabe theologischer Arbeit besteht darin, die Fremdheit der Texte als Chance für den Unterricht zu nutzen und sie zumindest ansatzweise vom Makel des Uncoolseins zu befreien. (…) Texte (…) sollten grundsätzlich als fremde Welten gelesen werden, die wir ganz neu erkunden müssen (…). Wir kennen die Gesetze der fremden Welten nicht, und wir müssen unbedingt damit rechnen, dass die Gesetze und Regeln, die in diesen fremden Welten herrschen, andere sind, als die, die unsere Welt bestimmen. Das Lesen jedes Textes und erst recht das Lesen biblischer Texte muss zu einer Entdeckungsreise werden“.[2] Diese Entdeckungsreise, die auf eine Überwindung der historischen wie kulturellen Distanz zielt, kann durch die Beschäftigung mit dem sozialen und kulturellen Kontext der Verfasser und der Erstrezipienten in der antiken mediterranen Welt erfolgen.

Die Sozial- und Kulturgeschichte untersucht die sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Gegebenheiten, die die frühen Christen und somit die Verfasser der ntl. Schriften geprägt haben. Bereits zu Beginn des 20. Jh.s erschienen Untersuchungen zur antiken Volkskultur und Palästinakunde sowie zur Ausbreitung des frühen Christentums,[3] die formgeschichtliche Schule verortete Textformen und ihre Entwicklung in bestimmten sozialen Situationen („Sitz im Leben“). Einen Aufschwung erlebte die Beschäftigung mit der Sozial- und Kulturgeschichte der Antike im Rahmen der Leben-Jesu-Forschung: Das sozialgeschichtliche Interesse der „Third quest“ gründete in dem Bestreben, Jesus in seinem historischen Kontext zu situieren und somit die Bedeutung der Jesusbewegung und ihrer sozialen und religiösen Botschaft sowie Jesu Stellung zum antiken Judentum und zur Besatzungsmacht besser kontextualisieren zu können. |52|Voraussetzung dafür war die Erforschung der sozialen, kulturellen und religiösen Gegebenheiten und der Lebenswirklichkeit in der jüdischen Gesellschaft des 1. Jh.s n. Chr. im östlichen Römischen Reich. Unter dem Einfluss der „Cultural Turn“ ist seit den 1960er Jahren ein Wandel in der Sozial- und Kulturgeschichte zu erkennen, der die sich parallel zu der Geschichte der politisch-kulturellen Eliten entwickelnde Sicht des ‚kleinen Mannes‘ betont und die Grundlagen einer ‚Geschichte von unten‘ eruiert.[4] Im Bereich der ntl. Wissenschaft wurde verstärkt der prägende Einfluss der historischen Gegebenheiten berücksichtigt und Erkenntnisse der Anthropologie, der Alltags- und Geschlechtergeschichte rezipiert. In diesem Zusammenhang sind v.a. die sozialgeschichtlichen Analysen von G. Theißen[5] sowie E.W. und W. Stegemann[6], der feministisch-befreiungstheologische Ansatz von L. Schottroff[7] und der sozialanthropologische Ansatz von B.J. Malina zu nennen.[8] Die „Context Group“[9] erweiterte den deskriptiven Ansatz der Sozialgeschichte um sozialwissenschaftliche und soziokulturelle, theoriegeleitete Fragestellungen und analysierte die Verhaltensmuster und Einstellungen in antiken Gesellschaften („honor-shame“, „kinship“, „purity codes“, „gender“, „patron-client relationship“ etc.). In den letzten Jahren wurden insbesondere kulturanthropologische Fragestellungen im Rahmen feministischer, postkolonialer, befreiungstheologischer Hermeneutiken vermehrt an die ntl. Texte herangetragen.

Handbuch Bibeldidaktik

Подняться наверх