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Die Bibel in Kult und Fest

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In biblischer Zeit wurden die Kenntnisse von Inhalten religiös autoritativer Schriften vor allem durch die familiäre Sozialisation und durch die persönliche Teilnahme an Wallfahrtsfesten am Jerusalemer Tempel vermittelt. Daneben hatte sich bereits seit der Zeit des babylonischen Exils mit dem öffentlichen Toravortrag in der Synagoge (vgl. 2 Kor 3,14f.; CIJ 1404CIJ 1404) eine eigenständige (allerdings noch nicht fest strukturierte) Form des jüdischen Gottesdienstes herausgebildet, die zum zentralen Kennzeichen jüdischer Religion und Frömmigkeit wurde und in der – als die biblische Tradition vermittelndes Element – bis heute die Zukunft verheißende Geschichte mit Gott gefeiert wird. Auch Jesus und seine Anhänger nahmen an synagogalen Gottesdiensten teil (Mk 1,21.23Mk 1,21.23par.; 3,1Mk 3,1par.; 6,2Mk 6,2par.; Joh 6,59Joh 6,59); ebenso begegnet die Synagoge in stereotyper Weise als Ausgangspunkt der paulinischen Mission (Apg 13,5Apg 13,5.14Apg 13,14; 14,1Apg 14,1; 17,1f. u.ö.).

Nach der Tempelzerstörung des Jahres 70 n. Chr. und dem Ende des jüdischen Opferkultes wurden zahlreiche Attribute des Tempelopfers auf die Tora als Medium des Gottesverhältnisses Israels übertragen. Dieser Übertragung entspricht die Entwicklung, dass die nun entstehenden Netzwerke rabbinischer Gelehrter das Studium, die aktualisierende Auslegung und die Applikation der Tora sukzessive an die Stelle des Tempelopfers gesetzt hatten und beidem eine vergleichbare religiöse Bedeutung beimaßen. Die zentrale Stellung der Tora kommt auch in der synagogalen Liturgie und in der Einrichtung des Synagogenraumes |61|zum Ausdruck. Von den während des regelmäßigen Gottesdienstes zur Lesung aufgerufenen Gemeindegliedern wurden Abschnitte der Tora vorgetragen (vgl. Apg 15,21Apg 15,21). Erst im frühen Mittelalter entwickelten sich feste Lesezyklen, wobei die gesamte Tora in traditionellen Gemeinden in 52 fortlaufenden Wochenabschnitten in einem Jahr (babylonische Tradition), in Reformgemeinden in kürzeren Abschnitten in drei Jahren (palästinische Tradition) zum melodiösen Vortrag kommt. Die einzelnen Wochenabschnitte sind mit einem Stichwort aus dem ersten Vers der jeweiligen Toralesung benannt. Mit der babylonischen Leseordnung korrespondiert ein besonderer Feiertag (Simchat Tora), der den Beginn des jährlichen Zyklus markiert. Dem (anfangs wohl freien) Toravortrag folgte bereits in der Antike eine Auslegung in Gestalt der Übertragung des hebräischen Bibeltextes in die Alltagssprache; eine regelmäßige begleitende Prophetenlesung (vgl. Lk 4,15–20Lk 4,15–20) ist indes unsicher.

Auch nachträgliche explizite oder implizite Bezugnahmen auf die biblische Tradition konnten konstitutive Bedeutung für das jüdische Festgeschehen erlangen. Nach der Tempelzerstörung wurde die gemeinsame häusliche Mahlzeit, der Sederabend, zum Hauptereignis des Pesachfestes. Die Pesach-Haggada enthält die genaue Beschreibung einer solchen Mahlfeier, bei der verschiedene Nahrungsmittel mit zeichenhafter Bedeutung gereicht werden, wobei die Feiernden gemeinsam den Weg der Exodusgeneration in symbolischen Handlungen mitgehen. Gerade an Pesach wird so die lebensstiftende religiöse Tradition des Judentums mittels generationenübergreifender Kommunikation erfahrbar. Das Fest ermöglicht, gemeinsam den Weg der Exodusgeneration in symbolischen Handlungen mitzugehen, und gibt zugleich der Hoffnung auf die zukünftige Erlösung Ausdruck. Übergreifenden Bezug auf die biblische Geschichte (2 Kön 252 Kön 25, KlglKlgl) nimmt der 9. Av, der seit rabbinischer Zeit (Juli/August) als ein Tag tiefster Trauer und strengen Fastens begangen wird. Der Tag dient der Erinnerung an die Zerstörung beider Tempel im Jahre 587/586 v. Chr. und 70 n. Chr. sowie aller weiterer Unglückstage. Seine Bedeutung liegt im gemeinschaftlichen Gedenken an das Leiden des Gottesvolkes in seiner Geschichte. Durch die Festlegung aller katastrophalen Ereignisse auf einen einzigen Termin verlieren diese ihren zufälligen Charakter. Als Teile des – auf Bewahrung und Erlösung zielenden – Geschichtsplans Gottes gelten sie vielmehr in tröstender Weise als seinem Willen untergeordnet.

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