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6.2.1 Umweltfaktoren

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Wie im vorherigen Abschnitt schon erwähnt, finden sich viele Hinweise darauf, dass genetische Faktoren einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen nehmen. Dennoch ist die Studienlage hier in Bezug auf die Ätiologie noch uneinheitlich. Weitestgehend unverstanden bleibt, wie exogene Faktoren im Zusammenspiel mit genetischen und epigenetischen Phänomenen zu jenen physiologischen Veränderungen führen, die mit der Autismussymptomatik in Verbindung stehen. Zu den exogenen Risikofaktoren zählt auch das Alter der Eltern bei der Geburt (Maimburg u. Vaeth 2006). Ab einem Alter der Mutter von 40 Jahren erhöht sich das Risiko für eine ASS-Diagnose um das zehnfache. Auch bei Vätern ab einem Alter von 50 Jahren erhöht sich das Risiko um das zehnfache (Reichenberg et al. 2006). Ein als psychosozialer und biologischer Wirkmechanismus ebenfalls kaum untersuchter Faktor ist die Migrationsgeschichte von Eltern: Kommt ein Kind nach erfolgter Migration nicht im Heimatland der Eltern zur Welt, dann steigt das Risiko für die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung um das bis zu dreifache (Hultmann et al. 2011; Haglund u. Kallen 2011). Auch ein schlechter sozioökonomischer Status und geringe schulische Bildung so wie somatische, neurologische und psychiatrische Vorerkrankungen der Eltern erhöhen das Risiko. Mit der Einnahme von Valproaten oder Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern während der Schwangerschaft erhöht sich ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für eine ASS-Diagnose des Kindes. Insbesondere bei den Valproaten liegt das Chancenverhältnis bei über 17. Das heißt, dass sich die Möglichkeit einer ASS-Diagnose des werdenden Kindes bei einer Frau, die in der Schwangerschaft Valproate einnimmt, um das 17-fache erhöht. Bei den Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Geburt ergibt sich ein Problem der Kausalität: Es ist unklar, ob die genetische Grunderkrankung Ursache nicht nur für die ASS-Diagnose ist, sondern auch die Geburtskomplikationen verursacht (Bölte et al. 2019). Grundsätzlich erhöht Frühgeburtlichkeit die Wahrscheinlichkeit für die Diagnose einer ASS um das Zweifache (Buchmayer et al. 2009; Williams et al. 2008b; Lampi et al. 2012). Ebenfalls als Risikofaktor für ASS ausgeschlossen werden können Nahrungsmittelunverträglichkeiten und gastrointestinale Erkrankungen des Kindes (Buie et al. 2010).

Viruserkrankungen wurden zwar als Ursache für ASS benannt, diese Hypothese ist jedoch bisher nur durch Einzelfallbeschreibungen, nicht aber durch systematische Studien belegt. Auch die Vermutung, dass Vitamin- und Mineralstoffmangel eine Ursache für ASS sei, konnte durch bisher durchgeführte Studien nicht belegt werden. Eine wissenschaftlich klar widerlegte Hypothese, die aber leider immer wieder in den Fokus medialer Öffentlichkeit gerät, ist die falsche Behauptung, dass der Dreifachimpfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln zu einem erhöhten Autismus-Risiko führe. Ebenfalls widerlegt ist das Argument, dass in Impfstoffen enthaltenes Quecksilber das Risiko für ASS erhöhe (Fombonne 2006; Hiviid et al. 2003; Taylor 2014)

Als psychosoziale Risikofaktoren werden extreme Formen der Deprivation im ersten Lebensjahr angenommen. Eine Langzeitstudie, die den Entwicklungsverlauf von Kindern aus Kinderheimen in Rumänien untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass bei einer extremen Deprivation über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren die autismustypischen Verhaltensweisen deutlich erhöht sind (Rutter et al. 2007). Derartig schwere Formen der Deprivation sind aber bei dem überwiegenden Teil der mit ASS diagnostizierten Personen anamnestisch nicht festzustellen. Auch die noch in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts vertretene Meinung des Psychoanalytikers Bettelheim, Autismus entstehe durch fehlende Zuwendung der Mutter, wurde durch eine Vielzahl an Zwillings- und Familienstudien eindeutig widerlegt (Freitag 2007).

Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter

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