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Die Anti-Sklaverei-Bewegung

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Einen besonderen Rang in den Bewegungen der Epoche nahm der Kampf gegen die Sklaverei ein. Hauptschauplätze waren das anglikanisch-protestantische England und die amerikanischen Nordstaaten. In Frankreich war 1794 die Emanzipation der Sklaven gesetzlich festgelegt worden, doch hatte Napoleon am 20. Mai 1802 diese Verordnung wieder aufgehoben. Zur Abschaffung der Sklaverei in Frankreichs Kolonien kam es erst einige Jahrzehnte später im Jahr 1848. Wegen der schwankenden Politik Frankreichs fiel England die Führungsrolle zu. Kirchen- und christentumsgeschichtlich markierte die Anti-Sklaverei-Bewegung einen bedeutsamen Einschnitt. War die kirchliche Tradition seit den Zeiten des Apostels Paulus an der sozialen und menschenrechtlichen Dimension der Sklaverei nicht ziemlich achtlos vorbeigegangen, indem sie immer nur die spirituelle Gleichstellung von Freien und Sklaven betonte? Hatten nicht die Reformatoren des 16. Jahrhunderts, abgesehen von Ulrich Zwingli (1484–1531), Leibeigenschaft und Sklaverei theologisch gerechtfertigt? Unter den spanischen Theologen des 16. Jahrhunderts hatte es Debatten um Recht und Unrecht der Versklavung der indianischen Völker gegeben, doch waren sie wieder versandet. Im 17./18. Jahrhundert sind es – neben manchen Philosophen der Aufklärung – vor allem Denominationen des Protestantismus gewesen, die gegen die Sklaverei protestiert hatten: die Mennoniten 1688 und die Friends, die sogenannten Quäker, mit ihrem Dekret von 1774. 1775 war in Amerika die erste Anti-Sklaverei-Gesellschaft unter maßgeblicher Mitwirkung der Quäker gegründet worden.

In England entstand am 22. Mai 1787 das Committee for the Abolition of the Slave Trade. Seine Führung lag bald in den Händen von Evangelikalen der Established Church: Granville Sharp (1735–1813), Thomas Clarkson (1760–1846), William Wilberforce (1759–1833). Am 12. Mai 1789 hielt Wilberforce im Unterhaus eine flammende Rede zur Abolition. Seit 1801 gaben er und seine Freunde den „Christian Observer“ heraus. Nach mancherlei empfindlichen Niederlagen bei der Durchsetzung einer Abolition Bill gelang es am 1. Mai 1807, den Abolition Act durchzusetzen. Sklavenhandel war seither im Bereich des britischen Empire verboten, freilich noch nicht die Sklavenhaltung. Letztere war erst durch die Abolition of Slavery Bill vom 29. August 1833 untersagt. Sozialkritische Forscher der jüngeren Zeit interpretierten die Anti-Sklaverei-Bewegung als Ausdruck des Wirtschaftswandels: Die freie Arbeit sei ökonomisch effektiver gewesen. Dieser These stehen zwei Tatsachen entgegen: die mit genauen Zahlen belegbare Rentabilität der Sklavenwirtschaft und das allenthalben greifbare christliche und humanitäre Ethos der Sklavereigegner. Es kann schwerlich ein Zweifel daran bestehen, dass die Einsicht, der Sklave sei Mensch und Bruder, beträchtliche Energien jenseits der ökonomischen Kosten-Nutzen-Rechnungen entband. Freilich blieben in den Kirchen die Meinungen geteilt.

In den USA galt der Sklavenhandel seit 1808 als illegal. 1824 schlossen die Vereinigten Staaten mit Großbritannien einen Vertrag zu dessen gemeinsamer Bekämpfung ab. Vier Jahre später existierten 140 Vereinigungen zur Beseitigung der Sklaverei. Sie konzentrierten sich auf die Nordstaaten, während im Süden die Sklaverei weiterhin bejaht wurde. Kirchenspaltungen blieben nicht aus. Die Methodisten und Baptisten der Südstaaten trennten sich 1845 wegen der Sklavenfrage von ihren Glaubensbrüdern im Norden. 1857 fand eine Spaltung unter den Presbyterianern statt. Bei den Kongregationalisten erschien einer radikalen Gruppe die Haltung der Verantwortlichen als zu lasch. Sie antworteten 1846 mit der Bildung der Anti-Slavery American Association.

Einfluss auf die Bekämpfung der Sklaverei nahm Charles Grandison Finney, der ungewöhnlich erfolgreiche Erweckungsprediger. 1832 war er Pfarrer in New York, 1835 Professor am neu gegründeten Oberlin College im Bundesstaat Ohio, außerdem Pfarrer der örtlichen kongregationalistischen Gemeinde. Er brachte das Gewicht seiner geistlichen Autorität zur Unterstützung der Sklavenbefreiungsorganisationen ein. Dabei zog er sogar theologische Ausbildungsstätten im Einflussbereich des Sklaven haltenden Südens in seinen Bann. Berühmt wurde die Anti-Sklaverei-Bewegung im Lane Seminar. Die Studenten traten in Schulen zugunsten der Schwarzen auf, sie organisierten Fluchtwege für entlaufene Sklaven und streuten Propagandamaterial. Finneys „Nein“ zur Sklaverei hing mit seiner Theologie der moralischen Herrschaft Gottes und seiner Erbsündenlehre zusammen. Adams Sünde könne nicht allen Menschen zur Verdammung angerechnet werden. Der Hauptpunkt in Finneys Theologie war die Abschaffung der Sklaverei jedoch nicht. Die Sittlichkeit des Christen konnte sich in der Bekämpfung der Sklaverei äußern, aber nicht in ihr allein. Das machte Finneys Position politisch-sozial ambivalent.

In den Südstaaten meinten viele Christen, die Beziehung zwischen den Sklaven und ihren Herren sei mit dem Christentum vereinbar. Ein „Aufruf der Geistlichkeit der konföderierten Südstaaten an Christen überall in der Welt“ unterstrich während des Bürgerkrieges 1861 bis 1865 diese Haltung. Auf einer Pfarrkonferenz in Richmond entstanden, war der Aufruf von Baptisten, Disciples of Christ, Methodisten, Episkopalisten, Presbyterianern, Lutheranern und anderen unterschrieben worden. „Der Süden“, las man, „hat mehr für die Christianisierung der afrikanischen Rasse getan als irgendein anderes Volk der Erde“ (Weltkirchenlexikon, Stuttgart 1960, 1338). Der American Civil War endete mit der vollständigen Niederlage der Südstaaten. Gelöst war das Sklavenproblem, zumal als Rassenproblem, damit nicht. Die Stellung der farbigen Bürger in der Gesellschaft beschäftigte Amerika weiterhin in oftmals dramatischen Formen.

Eine Folge der Anti-Sklaverei-Bewegung des 19. Jahrhunderts war in Europa die Schärfung des Bewusstseins für die Besonderheiten des „Exportkontinents“ der schwarzen Sklaven, für Afrika. Die Handels-, Entdeckungs- und Missionsaktivitäten verstärkten sich. Viele Missionare drangen auf den Spuren der Kolonialpioniere in das „Herz von Afrika“ vor. Teilweise wurden die Kirchen dabei zu Kämpfern gegen den arabischen Sklavenhandel, dies in Verbindung mit dem Gedanken vom „letzten Kreuzzug“ des christlichen Abendlandes gegen den Islam.

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