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Die Gemeinschaftsbewegung

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Das Täufertum, der Barock-Pietismus und die Erweckungsbewegungen des frühen 19. Jahrhunderts waren in der Forschung lange vernachlässigt. Sie sperrten sich gegen gängige (Wunsch-)Bilder vom Gang der evangelischen Kirchengeschichte. Nur allmählich erfolgte die historiografische Integration dieser Phänomene. Nachholbedarf besteht noch immer bei der Gemeinschaftsbewegung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Sie war der bislang jüngste große Frömmigkeitsaufbruch des Protestantismus in Deutschland und in ihren Erfolgen durchaus vergleichbar mit der Erweckungsbewegung. Mit ihr verbinden sich Begriffe wie „Gnadauer Verband“ und „Landeskirchliche Gemeinschaft“ sowie Namen wie Eduard Graf von Pückler (1853–1924), Friedrich Fabri (1824–1891) und Ernst Modersohn (1870–1948). Die wichtigsten Gründergestalten waren zwei Württemberger, der Afrikamissionar und Reiseprediger Elias Schrenk (1831–1913) und der Gründer des westdeutschen Zweiges der Evangelischen Allianz, der Bonner Theologieprofessor Theodor Christlieb (1833–1899).

1887 lud Graf von Pückler, ein durch den deutsch-amerikanischen Evangelisten Friedrich von Schlümbach (1842–1901) angeregter Jurist, gemeinsam mit zwei weiteren Adeligen, Jasper von Oertzen (1833–1893) und Andreas Graf von Bernstorff (1844–1907), zu einer „freien Conferenz christlicher Männer aus ganz Deutschland“ ein: „Wer auf diese Zeichen der Zeit achtet“, meinte er, „wird finden, dass überall im Reiche Gottes scharfe Gegensätze sich geltend machen. Während die großen Massen im Allgemeinen dem Christentum noch gleichgültig gegenüberstehen, lässt sich unter dem Einfluss gläubiger Predigt, die von vielen Kanzeln heute erschallt, in kleineren und größeren Kreisen unseres Vaterlandes ein geistliches Erwachen verspüren“ (Ohlemacher, Hg., Gemeinschaftsbewegung 24). Es war die Generalkonferenz des Deutschen Evangelisationsvereins, die am 13./14. April im Bonner Johanneum die Dinge in die Hand nahm. Sie erarbeitete das Konzept einer Konferenz für die Pfingstwoche 1888 in Gnadau bei Magdeburg. Die Zahl der konzepttragenden Personen und Institutionen war beachtlich. Der Deutsche Evangelisationsverein, der 1883 unter Theodor Christlieb das Johanneum als Ausbildungsstätte für Evangelisten erworben hatte, wurde zur Vorläuferorganisation der Gemeinschaftsbewegung. Vorbereitet war der Boden für den neuen Frömmigkeitsaufbruch durch geistliche Austauschprozesse zwischen der deutsch-protestantischen Welt und den anglo-amerikanischen Freikirchen, durch Wicherns Programm der Inneren Mission, durch regionale Missionsvereine und die allmähliche Herausbildung von „Evangelisten“. Der erste freie Evangelist Deutschlands war Elias Schrenk. In Gnadau waren 142 Teilnehmer versammelt, davon 74 Nichttheologen und 68 Theologen. Verstehen wollte sich die neue Initiative als Bibel- und Reich-Gottes-Bewegung. Wenig förderlich war die mitunter scharfe Abweisung der wissenschaftlichen Theologie. 1891 trat das „Deutsche Komitee für evangelische Gemeinschaftspflege“ ins Leben, seit 1897 „Deutscher Verband für evangelische Gemeinschaftspflege und Evangelisation“, kurz: Gnadauer Verband genannt.

Eine Krise trat in der Auseinandersetzung mit der Pfingstbewegung ein. Zwischen 1905 und 1910 kam es zu schweren Spannungen. Waren Glossolalie und Ekstase mit der Gemeinschaftsfrömmigkeit und -theologie vereinbar? Eine Erklärung von 1909, die sogenannte Berlin-Erklärung, unterzeichnet von 56 Repräsentanten der Evangelischen Allianz, leitete mit der Abweisung der Pfingstbewegung einerseits eine neue theologische Festigung der Gemeinschaftsbewegung ein, andererseits ihre organisatorische Schwächung. Nicht nur die Pfingstler, auch sogenannte Neutrale gingen jetzt ihre eigenen Wege. Das Ziel der Gemeinschaftsbewegung, ein volkskirchlich zuverlässiger und dennoch geistmächtiger Partner zu sein, erlitt durch die pfingstlerischen Streitigkeiten Schaden.

Die Gemeinschaftsbewegung im kaiserzeitlichen Deutschland war Teil jener vielfältigen Formen des Fellowship Movement, das in mehreren Ländern Europas erweckte Christen zur Heiligung ihres persönlichen Lebens und zur Durchdringung der etablierten Kirchen mit dem Reich-Gottes-Glauben zusammenführte. Der organisatorische Rahmen, die Gemeinschaftsbildung, brachte mit dem Anspruch, die eigentliche Heilsgemeinde zu sein, gesamtkirchliche Spannungen hervor. Viel gelesene Blätter der Gemeinschaftsbewegung waren „Heilig dem Herrn“ und „Licht und Leben“.

Ökumenische Kirchengeschichte

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