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b) Angelsächsische Missionare – das Beispiel des heiligen Bonifatius

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Neben den irischen waren es im 7. / 8. Jahrhundert insbesondere angelsächsische Mönche, die als heimatlose Wanderer, Gelehrte, Prediger, Missionare, organisierende Bischöfe und Klostergründer tätig waren.

Die Stationen auf dem Lebensweg des Bonifatius (672 / 75 – 754) zeigen, deutlicher noch als es bei Columban dem Jüngeren der Fall war, den notwendigen Zusammenhang zwischen klösterlicher Sozialisation und missionarischer Tätigkeit sowie die enge Verknüpfung zwischen Mission, römischer Kirchenorganisation und Konstellationen der politischen Herrschaft. Um 672 / 75 in der Nähe von Exeter geboren und auf den Namen Wynfreth getauft, wurde er bereits als Kind in die Obhut eines Klosters gegeben, dort ausgebildet und auf eine klösterliche Karriere vorbereitet. Gut vierzigjährig jedoch entschloss er sich zur peregrinatio. Seine erste Missionsreise nach Friesland 716 war ein Fehlschlag, er musste erfolglos nach England zurückkehren. Zwei Jahre später, 718, brach er erneut auf, dieses Mal allerdings zunächst nach Rom. Dort ließ er sich seine Pläne von höchster Stelle absichern – er erhielt einen offiziellen päpstlichen Missionsauftrag für Thüringen von Gregor II. (715 – 31) und seinen neuen Namen Bonifatius. Nach einem weiteren Zwischenspiel in Friesland mit dem dortigen Missionar Willibrod begann er, etwa ab 721, die Mission in Thüringen. Eine erneute Romreise machte aus dem ehemaligen Mönch und nunmehrigen Missionar einen Bischof. Bonifatius wurde von Papst Gregor III. (731 – 41) mit weltkirchlichen Befugnissen ausgestattet, die ihm z. B. neben der Gründung von Klöstern auch die Organisation der kirchlichen Institutionen und die Einsetzung kirchlicher Amtsträger in den neu christianisierten Landen erlaubte. Darüber hinaus erbat er sich von Karl Martell (688 – 741), dem fränkischen Hausmeier und eigentlichen politischen und militärischen Führer des Frankenreiches, einen Schutzbrief, der seine Aktivitäten von herrschaftlicher Seite absicherte.

Wort- und Tatmission machten aus dem ehemaligen, einst hinter Klostermauern zurückgezogenen Mönch einen aktiven Streiter für den Gott der Christen. Er predigte, er taufte, er bekehrte vielleicht Einzelne zu seinem Glauben. Und er „bewies“, dass sein Gott stärker und mächtiger war als andere Götter, indem er gleich zu Beginn seiner Missionsarbeit ein überzeugendes Zeichen setzte: Er fällte 723 die Donareiche bei Geismar, ohne dass der so geschändete Gott darauf irgendeine Reaktion gezeigt hätte.

Die Überlegenheit der eigenen Religion durch die Zerstörung fremder Heiligtümer offenkundig zu machen und gleichzeitig den Gegner in seiner Identität und seinem Selbstwertgefühl zu treffen, war keine Erfindung des Bonifatius. Schon römische Befehlshaber hatten germanische Kultstätten zerschlagen lassen: Germanicus ließ z. B. den Tempel der von den Marsern verehrten Tamfana ausgerechnet am Festtag dieser Göttin zerstören, wie Tacitus in seinen Annalen (1, 51) erzählt. In den späteren Sachsenkriegen Karls des Großen zu Ende des 8. Jahrhunderts wurde dieses Mittel zur Demoralisierung der Gegner, etwa durch die Zerschlagung der Irminsäule, ebenfalls angewandt. Dies sind nur zwei Beispiele von vielen, die den Symbolwert verdeutlichen, der identitätsstiftenden, gruppenverbindenden Zeichen innewohnt, und die für verschiedene gesellschaftliche Bereiche und alle geschichtlichen Epochen zahllos fortgeführt werden könnten.

732 wurde Bonifatius zum Erzbischof ernannt und 738 / 39 zum Legaten Germaniens, also zum päpstlichen Beauftragten für das ganze Gebiet. Fast ein viertel Jahrhundert lang agierte Bonifatius als Weltkleriker, als Reisender in Sachen der Glaubensverbreitung und -festigung, bevor er 744 in Fulda ein Kloster gründete, dem er selbst als Abt vorstand und mit dem er seiner Missionstätigkeit ein festes Zentrum gab. Dort wurden künftige Missionare und Priester ausgebildet, dort strebte man danach, liturgische Texte in einheitlicher Form zu verfassen, dort vergegenständlichten und visualisierten sich in der Kirche und den anliegenden Gebäuden für die erst oberflächlich christianisierte Umgebung die Vorteile, die der christliche Glaube der Elite seiner Anhänger, den Mönchen, brachte: Es waren dies v. a. körperliche und materielle Sicherheit in einer wohlorganisierten Gemeinschaft und die Teilhabe an einem heilbringenden Mysterium.

Als Erzbischof und Abt agierte Bonifatius weiterhin im Spannungsfeld kirchlicher Institutionen und weltlicher Herrschaft, wobei nach dem Tod Karl Martells 741 und der Abdankung Karlmanns 747 dessen Bruder Pippin (Hausmeier ab 741, König ab 751) die Organisation der kirchlichen Institutionen durchaus als seine eigene königliche Aufgabe ansah. Bonifatius starb 754, als er auf einer erneuten Missionsreise nach Friesland bei Dokkum von Räubern erschlagen wurde.

Bonifatius war kein Einzelkämpfer. Auf seinen Missionsreisen begleiteten ihn zahlreiche gleichgesinnte Gefährten. Sein Kloster Fulda sowie weitere klösterliche Gemeinschaften besetzte er mit Mönchen und Nonnen, deren monastische Lebensformen ihm völlig vertraut waren – er berief sie aus verschiedenen südenglischen Klöstern. Mit ihren Äbten und Äbtissinnen stand er in brieflichem Kontakt, um über Glaubensdinge zu diskutieren, kirchliche Rechtsangelegenheiten zu überdenken, Bücher auszutauschen oder Abschriften in Auftrag zu geben, Ermahnungen auszusprechen oder Fragen zum monastischen Gemeinschaftsleben zu beantworten. Die fast 90 erhaltenen und edierten Briefe des Bonifatius zeigen einen äußerst regen Schriftverkehr, der ihn mit diversen Klöstern, anderen Klerikern, dem päpstlichen Stuhl und dem reisenden Hof der fränkischen Herrscher vom Norden bis in den Süden Europas verband. Die Briefe erreichten ihre Adressaten und die Absender erhielten Antworten – ein ausgebildetes Straßennetz gab es nicht, aber innerhalb der schreibenden Elite funktionierte die Kommunikation offenbar problemlos.

Wichtig scheint Bonifatius insbesondere auch der Aufbau von Frauenklöstern gewesen zu sein. Er berief 735, also fast zehn Jahre vor seiner eigenen Gründung von Fulda, drei Nonnen aus adeligem Geschlecht in sein Missionsgebiet, die vermutlich alle ihre Erziehung und Ausbildung im südenglischen Doppelkloster Wimborne erhalten hatten. Lioba († 782) stand in verwandtschaftlichem Verhältnis zu Bonifatius, der ihr die Leitung des neugegründeten Nonnenklosters Tauberbischofsheim übertrug. Mit Lioba reiste ihre Verwandte Thekla († ca. 790) auf den Kontinent. Thekla lebte zunächst ebenfalls in Tauberbischofsheim, wurde dann jedoch von Bonifatius erst zur Äbtissin des Klosters Ochsenfurt ernannt, später noch zur Äbtissin von Kitzingen erhoben. Eine dritte von Bonifatius berufene Nonne war Walburga (ca. 710 – 790), die ab 761 das Doppelkloster Heidenheim bei Eichstätt leitete.

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