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Der Arier als „Prometheus der Menschheit“

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Hitler wiederholte ständig, dass alle Kultur aus dem Norden komme. In Mein Kampf lieferte der Führer eine Kulturtypologie der Völker und definierte dabei den Arier als den einzigen Kulturbegründer, den er im weiteren Verlauf dem Juden gegenüberstellte, diesem parasitären Vernichter der arischen Kulturen:

Würde man die Menschheit in drei Arten einteilen: in Kulturbegründer, Kulturträger und Kulturzerstörer, dann käme als Vertreter der ersten wohl nur der Arier in Frage. Von ihm stammen die Fundamente und Mauern aller menschlichen Schöpfungen, und nur die äußere Form und Farbe ist bedingt durch die jeweiligen Charakterzüge der einzelnen Völker. Er liefert die gewaltigen Pläne und Bausteine zu allem menschlichen Fortschritt.“43

Wie man sieht, setzt Hitler hier den Arier mit der mythologischen Figur des Prometheus in eins. Er ist „der Prometheus der Menschheit, aus dessen lichter Stirne der göttliche Funken des Genies zu allen Zeiten hervorsprang“44.

Hitler fasste seine Gedanken also in eine griechische Allegorie: Als Feuer- und Lichtträger hat Prometheus den Menschen alle Erleuchtung gebracht, so wie die Griechen, diese nordischen Menschen, den Grund für die westliche europäische Kultur legten.

Die Figur des Prometheus war freilich auch ein immer wiederkehrendes Motiv nationalsozialistischer Bildhauerei. Ab 1937 wurden die Besucher der neuen, von Albert Speer errichteten Reichskanzlei von zwei nackten Kriegern empfangen, die den Haupteingang einrahmten. Der erste war mit einem Schwert bewaffnet und stellte die Wehrmacht dar, der zweite trug eine Fackel, er stand für die Partei. Der Bezug auf Prometheus drückte sich hier nicht explizit im Namen der Statue aus – der lautete eben Die Partei –, aber das mythologische Zitat und der Nachhall der oben angeführten Textstellen manifestierten sich in der Fackel. Es ist auch bekannt, dass Breker sich mit einer 1938 geschaffenen Prometheus-Statue erneut mit dem Thema auseinandersetzte. Die Partei, die für Licht und Feuer sorgt, führt das deutsche Volk heraus aus der Nacht seiner historischen hin zu wiedergefundener Hellsichtigkeit, Würde und Macht. Das Volk gehorcht somit der Aufforderung „Deutschland, erwache!“, die als Devise auf jeder Parteifahne zu lesen ist.


„Ihr seid die Fackelträger der Nation. Ihr tragt das Licht des Geistes voran im Kampfe mit Adolf Hitler“ (Quelle: Die Kunst im Dritten Reich, 1938): Prometheus-Figur von Willy Meller an der Ordensburg Vogelsang in der Eifel. Foto von Heinrich Hoffmann.

Im Jahr 1938 gedachte die Reichspost des fünften Jahrestags der „Machtergreifung“. Sie gab zu diesem Zweck eine Marke heraus, deren Motiv – die Büste eines Athleten mit einer Fackel in der Hand – den Prometheus-Mythos mit der olympischen Idee verband, das Ganze vor dem Hintergrund des Brandenburger Tors, jenes Triumphbogens, der Kraft und Sieg feiert. Solche Darstellungen beschränkten sich nicht auf offizielle Gebäude des Regimes, die nationalsozialistische Ikonographie erfasste auch den privaten Raum. So wurden das Thema des Erwachens und der Tag-Nacht-Gegensatz auch Gegenstand des Prometheus des Bildhauers Josef Wackerle (1939). Er sollte ein Wohnhaus in Jena schmücken: der Mann mit der Fackel erleuchtet und führt eine vor ihm kniende Frau.

Prometheus verdankte seine Stellung im politischen und künstlerischen Diskurs möglicherweise der Vermittlung Goethes. Dessen gleichnamiges Gedicht von 1776, dieses Monument der Weimarer Klassik, besingt den Mut dessen, der aufbegehrt gegen die göttliche Ordnung, um Schmied seines eigenen Glücks zu werden. Auch die Parteischulen wurden unter das Zeichen des Prometheus gestellt, unter die Leuchtkraft und Willensstärke eines Mannes, der allein auf sich gestellt seine Geschichte schreibt. Auch die in den Ordensburgen herangezogenen Eliten der NSDAP wurden aufgefordert, dem steinernen Prometheus, dieser Metapher für die Partei und ihre Rolle im Schicksal Deutschlands, Fleisch und Blut zu verleihen. Den Sonnwendplatz der Ordensburg Vogelsang 45 schmückte ein Prometheus, geschaffen von dem Bildhauer Willy Meller. Eine Inschrift auf der Mauer, an der dieses Werk, eher ein Relief, angebracht wurde, wendete sich an die Schüler dieser Einrichtung: „Ihr seid die Fackelträger der Nation, Ihr tragt das Licht des Geistes voran im Kampfe mit Adolf Hitler.“

Der Nationalsozialismus und die Antike

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