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Ein blonder Konfuzius mit blauen Augen oder:
Nichts Großes geschieht ohne die Arier

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So ließe sich jedenfalls – in parodistischer Anspielung auf Hegels Diktum, „daß nichts Großes in der Welt ohne Leidenschaft vollbracht worden ist“46 – eines der Grundprinzipien der nationalsozialistischen Praxis des Umschreibens der Geschichte veranschaulichen. Dessen Logik ist zirkulär: Das Prinzip „Nichts Großes geschieht ohne die Arier“ ist ein Postulat, das die historische Erzählung anhand von Beispielen zu belegen vorgibt. Wenn die germanische Vorgeschichte einen Liebhaber großer Zivilisationen, der die mediterranen Kulturen der Antike von der Berliner Museumsinsel kannte, auch nicht zu überzeugen vermochte, so wurde das nationale Identitäts bewusstsein jedoch gestützt durch die Überzeugung, dass alle Hochkulturen der Weltgeschichte der arischen oder indogermanischen Doktrin zufolge genuine Schöpfungen des nordischen Geistes sind. Wenn der deutsche Norden jahrtausendelang kulturell zurückgeblieben war, dann lag das nach Hitler wohl am rauen Klima, das weniger geeignet ist für die Entfaltung der nordischen Schöpferkraft, oder an anderen historischen Umständen, die man in winkeladvokatischer Manier als Argumente heranzog.

Die Rede vom nordischen Ursprung aller Kultur gestattete es jedenfalls, alles Prestige, allen Ruhm und alle Größe, die sich die mediterranen und orientalischen Kulturen in Jahrtausenden erworben haben, der nordischen Rasse zuzuschreiben. Wir beschränken uns auf Griechen und Römer, weil sie diejenigen sind, mit denen sich der ideologische Diskurs sowie Kunst und Geschichtsschreibung am meisten befassten, aber es mag durchaus reizvoll – da wohl noch verblüffender – sein, der Frage nachzugehen, wie man mit dem alten Ägypten oder, in selteneren Fällen, dem alten China umging.47

Sobald man irgendwo auf eine Kultur von Rang stieß, waren nordische Ur-Eliten am Werk, sie kamen, sahen, siegten und schufen Welten voller Reichtum und Raffinement, Kunstwerke, Armeen, Staaten, Pyramiden und Große Mauern. Gewiss, diese Eroberer- und Schöpfer-Eliten wurden zwar später von anderen, minderwertigen, aber zahlenmäßig überlegenen Bevölkerungsgruppen überfremdet, was die etwas dunklere Hautfarbe der heutigen Ägypter erklärt sowie die schlechte Angewohnheit der Chinesen, eine gelbliche Haut und Schlitzaugen zu haben. Gleichwohl blieb festzuhalten, dass man den kulturellen Reichtum und die historische Größe dieser Zivilisationen nur dann begreifen könne, wenn man in ihnen ein nordisches Schöpfungsprinzip am Werk sehe. Für Hitler gab es nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Ägypter Arier waren, bevor eine deplatzierte Rassenmischung mit asiatischen und semitischen Elementen ihre schöne weiße Haut verdunkelte. In einem seiner Privatgespräche begeisterte Hitler sich für die Schönheit des ägyptischen Körpers, der dem der Griechen vergleichbar gewesen sei:

„Sehen wir auf die Griechen, die auch Germanen waren, so finden wir eine Schönheit, die hoch über dem liegt, was wir heute aufzuweisen haben […] Wenn ich nun weiter zurückschaue, die Ägypter in der Epoche vorher, es sind Menschen von der gleichen Hoheit.“48

Die Ägypter waren also ursprünglich große blonde Langschädel mit blauen Augen, ganz so wie die Chinesen übrigens. In einem Büchlein zur vergleichenden Rassenkunde verpasste Richard Darré Lykurgs Spartanern und den Chinesen des Konfuzius, deren Abstammung er wie folgt beschreibt, die gleiche Herkunft:

Es spricht alles dafür, daß mindestens diese herrschende Schicht in China blond und blauäugig, also arisch-indogermanischen Ursprungs war. […]“49 50

Das bloße physische Argument mochte den Leser vielleicht nicht restlos überzeugen, und so schob Darré kulturelle Belege hinterher: die Chinesen verfügten über ein patriarchalisches Rechtssystem, so wie jedes anständige arische Volk, und sie legten großen Wert auf die musikalische Erziehung ihrer Sprösslinge, so wie die Spartaner. Quod erat demonstrandum.

Der Nationalsozialismus und die Antike

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