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Die Wonnen der Liebe

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Heloise war damals 17 oder 18 Jahre alt, ein unschuldiges junges Mädchen, das sich jedoch bis über beide Ohren in den smarten Abaelard verliebt hatte. Sonderlich große Verführungskünste musste der Philosoph daher nicht anwenden. Wenn es stimmt, was er in seinen Erinnerungen schreibt, dann entdeckte er mit Heloise die Wonnen der Liebe, während Onkel Fulbert glaubte, er erteile seiner Nichte Philosophieunterricht. Doch davon konnte keine Rede sein: der Küsse waren mehr als der Sprüche.

Natürlich blieb es nicht beim Küssen allein, wie Abaelard uns recht detailliert mitteilt: Unter dem Deckmantel der Wissenschaft gaben wir uns ganz der Liebe hin. Die Unterrichtsstunden verschafften uns die Gelegenheit zu den geheimnisvollen Gesprächen, wie sie Liebende herbeisehnen; die Bücher waren geöffnet, aber in den Unterricht mischten sich mehr Worte der Liebe als der Philosophie, mehr Küsse als weise Sprüche; nur allzu oft verirrte sich die Hand von den Büchern weg zu ihrem Busen, und eifriger als in den Schriften lasen wir in des anderen Augen … Was soll ich noch sagen? Die ganze Stufenleiter der Liebe machte unsere Leidenschaft durch, und wo die Liebe eine neue Erzückung erfand, haben wir sie genossen.

Doch auch Heloise befand sich ganz im Taumel der Sinneslust: Welche Fürstin, welche hohe Dame beneidete mich nicht um meine Freuden, um das Lager meiner Liebe?, schrieb sie Jahre später in einem ihrer Briefe. Jene Wonnen der Liebenden, die wir miteinander genossen, waren mir so süß, dass sie mir weder missfallen noch aus dem Gedächtnis schwinden können. Wohin ich mich wende, immer stehen sie mir vor Augen und wecken sehnsüchtiges Verlangen. Mitten im feierlichen Hochamt, wo das Gebet reiner sein soll als sonst, haben mein armes Herz so ganz jene wollüstigen Fantasiegebilde eingenommen, dass ich nur für ihre Lüsternheit offen bin, nicht für das Gebet.

Für Abaelard hatten die erotischen Erlebnisse aber auch eine Schattenseite: Je mehr mich die Leidenschaft der Sinnesfreuden überschwemmte, desto weniger dachte ich an Studium und Schule. Es war für mich ein gewaltiger Verdruss, dorthin zu gehen oder dort zu bleiben. Meine Nächte gehörten der Liebe, meine Tage der Arbeit. Meine Vorträge waren gleichgültig und matt. Ich wiederholte fast nur meine alten Lesungen, und wenn ich dann und wann noch imstande war, ein Lied zu dichten, so war es Minne, nicht die Philosophie, die es mir eingab.

Die Nächte gehörten der Liebe? Und Onkel Fulbert soll nichts von dem sinnlichen Treiben mitbekommen haben, das sich da unter seinem Dach abspielte? Kaum vorstellbar, aber ganz offenbar ist es so gewesen. Entweder hatte er einen besonders tiefen Schlaf oder sein Vertrauen in Heloise und den illustren Pensionsgast war so groß, dass er alle Signale übersah und überhörte. Vielleicht war beides der Fall. Oder auch nicht? Eines Tages nämlich erwischte der Onkel das heimliche Liebespärchen in flagranti! So unverhofft und unmissverständlich mit den nackten Tatsachen konfrontiert, brach für Fulbert eine Welt zusammen oder, wie es Abaelard formulierte: Ach, wie zerriss diese Entdeckung dem Oheim das Herz!

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