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d) Ziele des Seebundes

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Rache

Die Athener gaben nach Thukydides (1,96,1; vgl. 3,10,2) als offizielles Ziel der Bündnisse an, „durch Verwüstungen des königlichen Landes (sc. des persischen Großkönigs) Rache für die eigenen Leiden zu nehmen“. Das Motiv der Rache war ein anerkanntes Prinzip aristokratischer Machtkämpfe und barg ein erhebliches offensives Potential. Im Jahre 478 war es aus rein athenischer Perspektive formuliert worden: Denn mit „den Leiden“, die der Großkönig verursacht hatte, waren die Zerstörung der Akropolis durch Xerxes sowie die Verwüstungen in Athen und Attika gemeint. Dementsprechend zielte die Rache nicht nur auf die Vertreibung der Perser aus der Ägäis, sondern auch auf die Zerstörung und Plünderung ihrer Hoheitsgebiete.

Freiheit

Die kleinasiatischen Poleis hatten jedoch mit Ausnahme Milets weitaus geringere materielle Verluste durch die Perserkriege erlitten. Für sie reichte demnach das Rachemotiv allein nicht aus. Ihnen ging es in erster Linie um die Befreiung von persischer Herrschaft, sie verfolgten das politische Ziel der Freiheit (Thukydides 3,10). Der Begriff Freiheit setzte die Vertreibung der perserfreundlichen Stadtregimenter (Tyrannen) voraus und führte so zu einer Umwälzung der innenpolitischen Machtverhältnisse. Er beinhaltete außenpolisch das Ende der Tributzahlungen an die Satrapen (den Statthaltern |10|des persischen Reiches) und die Unabhängigkeit von persischen Befehlen. Von nun an konnten die Poleis ihren Kurs selbst bestimmen. Allerdings bedeutete die Entscheidung, sofort im Jahre 478 ein Militärbündnis einzugehen, eine nicht geringe Einschränkung der gerade errungenen Freiheit. Es blieb abzuwarten, wie Athen reagieren würde, wenn die Bündner bei einer Änderung der außenpolitischen Verhältnisse ihren Anspruch auf Freiheit auch im Hinblick auf den Seebund wahrnehmen, d.h. sich von der Hegemonie Athens lösen oder aus dem Bund ausscheiden wollten.

Schutz

Dieses Spannungsverhältnis zwischen den Zielen der Hegemonialmacht und denen der Bündner wurde überdeckt, solange die kleinasiatischen Poleis auf den Schutz des Bündnisses angewiesen waren; viele rechneten aufgrund der Erfahrungen des ionischen Aufstandes mit einem persischen Gegenschlag. Auch mit der Forderung nach Rache konnten sich viele Bündner arrangieren, indem sie Rache an denjenigen Mitbürgern nahmen, die mit den Persern kollaboriert hatten. Dies war jedoch eine recht gekünstelte Auslegung, die langfristig ihre Zugkraft verlieren musste. Überhaupt fehlten klare Kriterien, nach denen man entscheiden konnte, ob die proklamierten Ziele erreicht waren.

Unterwerfung von Hellas durch Athen?

Schon Thukydides (6,76; vgl. 6,83) vertrat deshalb die Auffassung, dass die Athener die Idee des Rachefeldzuges als Vorwand benutzt hätten, um entgegen allen Parolen von Freiheit und Schutz die Unterwerfung von Hellas zu betreiben. Es handelt sich jedoch um eine Einschätzung, die Thukydides erst im Nachhinein entwickelte und einem späteren Kriegsgegner Athens (dem Syrakusaner Hermokrates) in den Mund gelegt hat; vieles spricht dafür, dass er Parolen wiedergibt, die erst aufkamen, als die Athener in den 450er Jahren und während des Peloponnesischen Krieges die Zügel straffer anzogen. Sicherlich verfolgten die Athener Ziele, die über die offiziellen Verlautbarungen hinausgingen; ob sie aber bereits 478/7 den Seebund als Instrument zur Aufrichtung einer Herrschaft über die Bündner oder gar über ganz Griechenland zu nutzen gedachten, ist wenig wahrscheinlich und lässt sich auch aus der Kenntnis der bisherigen Fakten nicht entscheiden. Die These des Thukydides muss sich an den folgenden Ereignissen messen.

Athen und Sparta

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