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d) Der Ausbau der Herrschaft durch Generaldekrete

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Viele Forscher sehen deshalb in diesen Dekreten einen Markstein in der Entwicklung des Seebundes von einer Vereinigung gleichberechtigter Partner hin zu einer Herrschaft (arché) der Athener. Tatsächlich basierten wesentliche Bestimmungen der Einzeldekrete auf Generaldekreten (leges generales), die sich auf das gesamte Bundesgebiet bezogen, oder Einzelbestimmungen wurden später in Generalbestimmungen umgewandelt. So bezieht sich die Klausel über die Verweisung von Strafsachen an ein Athener Volksgericht aus dem Chalkisdekret wohl auf ein (vorausgegangenes) Generaldekret, das die Aburteilung von Kapitalsachen durch Athen im gesamten Bundesgebiet regelte. Eine oligarchische Schrift aus den 430er Jahren behauptet nämlich, dass die Athener „die Bündner zwingen, zu Gerichtsverhandlungen nach Athen zu fahren“ (Pseudo-Xenophon 1,16), und betont die Vorteile, die der Demos aus der Tatsache zöge, „wenn in Athen die Gerichtsverhandlungen für die Bündner in Athen abgehalten werden“ (1,17). Ferner sagt der Dichter Antiphon (5,47), es sei keiner Stadt erlaubt, jemanden ohne Zustimmung Athens mit dem Tod zu bestrafen. Demnach haben die Athener offenbar bereits vor 446 schwere Straftaten, die im Gebiet des Bundes verübt wurden, an sich gezogen und durch die Volksgerichte aburteilen lassen. Die Kontrolle der kapitalen Strafgerichtsbarkeit sollte einerseits Athenerfreunde vor einer ungerechten Hinrichtung bewahren, andererseits der laxen Behandlung von athenfeindlichen Gruppen entgegenwirken. Letztlich ging es darum, politische Unruhen im Keim zu ersticken. Deshalb begannen die Athener im Zuge der Eingliederung rebellierender Bündner, auch diejenigen Delikte (wie Verrat, Verweigerung des Treueeides, Vergehen bei der Tributzahlung) bei sich zu monopolisieren, die ihre Herrschaft gefährdeten. Verbesserung der |24|Kontrolle und Steigerung der organisatorischen Effizienz des Seebundes gingen Hand in Hand.

Münzdekret

Eine vergleichbare Tendenz weisen die Maßnahmen auf, die sich auf das Finanzwesen innerhalb des Seebundes beziehen. Das Münzdekret (wohl aus den Jahren 449–445; HGIÜ Nr. 68) sah eine Vereinheitlichung der Maße, Gewichte und Münzen vor und bestimmte die attische Silberwährung als Standardmünze. Zuständig für die Münzumstellung waren die Strategen, die auch Überschüsse beim Geldumtausch in Empfang nahmen. Allerdings gibt es Forscher, die diese und andere leges generales erst in die Zeit des Peloponnesischen Krieges datieren. Dieser gab zwar den Bemühungen der Athener, ihre Kontrollen über den Seebund auszubauen, einen entscheidenden Schub, doch ist es kaum möglich, Entwicklungssprünge punktuell zu markieren. Schon die Zeitgenossen haben sich nicht um Präzision bemüht. So gebraucht Thukydides die Begriffe hegemonia und arché ohne Bedeutungsunterschied für militärische Führung. Der Ausbau der Kontrollmechanismen war ein fließender Prozess, der immer auch auf den Unwillen der Bündner reagierte, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Deshalb kam das „Reich“ überall da zum Vorschein, „wo der Willen Athens und der eines Bündners auseinandergingen“ (A. Heuß).

Athen und Sparta

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