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h) Die Flotte und das Konzept des mare clausum

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Die Verlagerung des Wehrpotentials verfolgte ein nach innen und außen gerichtetes Ziel: Athen schuf sich einerseits Militärstützpunkte, um bei günstiger Gelegenheit über das Gebiet des Seebundes vorzustoßen und andererseits der Flotte zusätzliche Anlaufpunkte zu verschaffen, von denen aus sie Nachschub, frische Ruderer und Materialien aufnehmen und in der Ägäis aktiv werden konnte. In beiden Fällen bildete die Flotte die Grundlage der athenischen Herrschaft: Nicht die Spartaner, sondern die Athener haben sich seit den Perserkriegen mit ihrer Flotte von bis zu 300 Schlachtschiffen die mächtigste Kriegsmaschinerie geschaffen, die die griechische Welt bis dahin kannte, und sie haben sie konsequent zum Machterhalt und zur Machterweiterung eingesetzt. Jedes Jahr wurden 20 Trieren gebaut, Perikles ließ jedes Jahr für acht Monate 60 Schiffe in der Ägäis kreuzen (Plutarch, Perikles 11,4), hinzu kamen die Flottillen der Strategen, die von Bündnern Tribut einzogen. Dieses Verfahren lässt sich erstmals aus der Liste des Jahres 453/2 erschließen, später hat man es insbesondere während des Peloponnesischen Krieges angewandt.

Machtanspruch in der Ägäis

Die Athener demonstrierten durch die Flottenpräsenz ihren Machtanspruch in der Ägäis, sie konnten schneller als jede Landmacht an jedem Ort des Bundes aktiv werden und viel effektiver Städte blockieren oder erobern. Voraussetzung war die Unterdrückung konkurrierender Seestreitkräfte. Seit der Gründung des Seebundes ist der Kreis der schiffestellenden Bundesgenossen nicht mehr erweitert worden, jedem neuen Mitglied wurde der Unterhalt einer Flotte verboten, wiedereingegliederte Poleis mussten ihre Schiffe abgeben und Tribute zahlen. Mitte des Jahrhunderts |30|stellten so nur noch Lesbos, Chios und Samos Schiffe für die Bundesflotte. 440 führte Perikles einen großen Feldzug gegen Samos an der kleinasiatischen Küste, das angeblich den Athenern die Seeherrschaft streitig machen wollte. Nach neunmonatiger Belagerung war eine der letzten konkurrenzfähigen Seemächte in die Knie gezwungen.

Kontrolle der Seehandelswege

Der Sieg über rebellierende Seemächte verschaffte den Athener meist auch die Kontrolle über deren Häfen. Zusammen mit den Kleruchien und Kolonien bekamen sie so die wichtigsten Anlaufpunkte und Seewege der Ägäis in die Hand. Am Hellespont überwachten Hellespontophylakes („Wächter des Hellespont“) mit Unterstützung der Flotte den Schiffsverkehr aus den getreideproduzierenden Ländern der Schwarzmeerregion. Inschriftliche Zeugnisse (HGIÜ Nr. 104: Dekret für Methone und Makedonien 430/29–424/3 und HGIÜ Nr. 107 für Aphytis 427/6) bestätigen, dass Athen in der Zeit des Peloponnesischen Krieges Poleis oder Einzelpersonen vertraglich erlaubte, Getreide durch den Hellespont einzuführen und die Ägäis zu befahren. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Athen anderen Poleis dieses Recht verweigerte und ihnen maritime Verkehrsbeschränkungen auferlegte. Diese Maßnahmen zielten darauf ab, im Krisenfall rebellierende Bundesgenossen von der Zufuhr wichtiger Importgüter abzuschneiden sowie die Handelströme über See in den Piräus zu konzentrieren. Seit den 450er Jahren hatte sich Athen zum nahezu einzigen Absatzmarkt für Schiffsbauholz, Eisen, Kupfer, Flachs und Wachs entwickelt. So verpflichtete sich König Perdikkas II. von Makedonien, Ruderholz nur an Athen oder an dessen Bundesgenossen auszuführen, wenn diese es an Athen lieferten (HIGÜ Nr. 121). Ps.-Xenophon (2,11–12) sagt: „Aber den Überfluss der Griechen und Nichtgriechen vermögen allein die Athener an sich zu ziehen. Denn wenn irgendeine Stadt Überfluss hat an Schiffsbauholz, wo wird sie es absetzen, wenn sie nicht den Herrn des Meeres dafür gewinnt? (…) Überdies werden sie gar nicht erlauben, es anderswohin zu verfrachten, oder unsere Widersacher werden nicht mehr die Meere befahren dürfen. Und so habe ich, ohne einen Finger zu rühren, alle Erzeugnisse des Landes über das Meer zur Verfügung.“

mare clausum

M. I. Finley hat dieses Konzept als mare clausum bezeichnet, es bildet eines der wichtigsten Prinzipien athenischer Außenpolitik seit der Mitte des Jahrhunderts: Der gesamte Ägäisraum sollte durch die Inbesitznahme der wichtigsten Küsten und Häfen und durch die Kontrolle der für den Schiffbau notwendigen Materialien zu einem athenischen Binnenmeer werden, in dem allen Versuchen zum Aufbau fremder Seestreitkräfte der Boden entzogen war.

Athen und Sparta

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