Читать книгу Warum Mozart Babys nicht schlauer macht - Scott O. Lilienfeld - Страница 6

Vorwort

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Psychologie ist allgegenwärtig. Jugend und Alter, Vergessen und Erinnern, Schlafen und Träumen, Liebe und Hass, Glücklichsein und Traurigkeit, psychische Erkrankungen und Psychotherapie – im Guten wie im Schlechten gehören diese Dinge zu unserem alltäglichen Leben. Nahezu jeden Tag bombardieren uns die Medien, Fernsehsendungen, Filme und das Internet mit Behauptungen bezüglich einer Vielzahl psychologischer Themen – dazu gehören die Funktionsweise des Gehirns, parapsychologische Medien, außerkörperliche Erfahrungen, zurückgewonnene Erinnerungen, Lügendetektortests, Liebesbeziehungen, Kindererziehung, sexueller Kindesmissbrauch, psychische Störungen, Verbrechen und Psychotherapie, um nur einige Themen zu nennen. Auch bei einem Spaziergang durch eine beliebige Buchhandlung präsentieren sich uns mindestens Dutzende, oft sogar Hunderte von Büchern zu den Themen Selbsthilfe, Beziehungen, Genesung und Abhängigkeit, die uns mit guten Ratschlägen auf unserem steinigen Weg durch das Leben führen sollen. Für jene, die psychologische Ratschläge umsonst erhalten wollen, gibt es diese im Internet unbegrenzt. Die Industrie der populären Psychologie formt die Welt des 21. Jahrhunderts in unzähligen Arten.

Aber zu einem überraschend großen Anteil ist das, was wir in der Psychologie für wahr halten, oft falsch. Auch wenn uns Unmengen von Quellen bezüglich populärer Psychologie in Buchläden und im Internet zur Verfügung stehen, so sind diese doch voller Irrtümer und Missverständnisse. In unserer schnelllebigen Welt mitsamt der Informationsüberflutung sind Fehlinformationen zum Thema Psychologie mindestens genauso weit verbreitet wie korrekte Informationen. Leider gibt es nur wenige Bücher, die dabei behilflich sind, die schwierige Aufgabe der Unterscheidung zwischen Wahrheit und Fiktion in der populären Psychologie zu bewältigen. Stattdessen sind wir Selbsthilfe-Gurus, Talkshowmoderatoren und selbsternannten Gesundheitsexperten für psychische Erkrankungen ausgeliefert. Viele von ihnen verteilen psychologische Ratschläge, die aus einer verwirrenden Mischung von Wahrheiten, Halbwahrheiten und völligen Unwahrheiten bestehen. Ohne einen verlässlichen Reiseführer, der uns hilft, psychologische Irrtümer von der Wirklichkeit zu unterscheiden, sind wir gefährdet, uns in einem Dschungel von Missverständnissen zu verirren.

Viele der bekanntesten Irrtümer der populären Psychologie führen uns nicht nur was die menschliche Natur betrifft in die Irre, sie verleiten uns auch dazu, unkluge Entscheidungen in unserem Alltag zu treffen. Diejenigen, die fälschlicherweise glauben, dass Leute gewöhnlich Erinnerungen an schmerzhafte Erfahrungen unterdrücken (siehe Irrtum 11), könnten viel Zeit in ihrem Leben damit verbringen, sinnlose Versuche zu unternehmen, um traumatische Kindheitserinnerungen an Ereignisse zutage zu bringen, die nie stattgefunden haben. Diejenigen, die glauben, dass Glücklichsein von äußeren Umständen abhängig ist (siehe Irrtum 18), könnten sich ausschließlich auf die Umwelt anstatt sich selbst konzentrieren, um die perfekte „Formel“ für langfristige Zufriedenheit zu finden. Und diejenigen, die glauben, dass sich Gegensätze in Liebesbeziehungen anziehen (siehe Irrtum 20), könnten einen Großteil ihres Lebens damit verbringen, einen Seelenverwandten zu suchen, der sich in seiner Persönlichkeit und seinen Werten stark von ihnen unterscheidet – nur um zu spät festzustellen, dass solche Verbindungen selten gut funktionieren. Irrtümer sind von großer Bedeutung.

Wie der Wissenschaftspädagoge David Hammer (1996) anmerkte, haben wissenschaftliche Missverständnisse vier Eigenschaften. Sie sind (1.) stabile und häufig innere Überzeugungen über die Welt, sie werden (2.) durch etablierte Beweise widerlegt, (3.) beeinflussen sie, wie Menschen die Welt sehen und müssen (4.) korrigiert werden, um ein korrektes Wissen zu erlangen. Für unseren Zweck ist der letzte Punkt von besonderer Bedeutung. Unserer Meinung nach sollte das Widerlegen dieser Irrtümer eine essentielle Komponente in der psychologischen Ausbildung sein, weil Irrglauben, der sich tief in einer Person festgesetzt hat, verhindern kann, dass ein Student die menschliche Natur begreift.

Es gibt zahlreiche Definitionen des Wortes „Irrtum“ in Lexika, aber diejenigen, die aus dem American Heritage Dictionary (2000) stammen, eignen sich für unsere Zwecke am besten: „ein weit verbreiteter (aber falscher) Glaube oder eine solche Geschichte, der/die mit einer Person, einer Einrichtung oder einer Begebenheit in Verbindung gebracht wird“ oder „eine Erfindung oder Halbwahrheit, insbesondere eine, die einen Teil einer Weltanschauung bildet“. Die meisten Irrtümer, die wir in diesem Buch präsentieren, sind weit verbreitete Annahmen, die offenkundig psychologischen Forschungsergebnissen widersprechen. Andere wiederum sind Übertreibungen und verzerrte Darstellungen von Behauptungen, die aber ein Körnchen Wahrheit beinhalten. So oder so, sind die meisten Irrtümer in diesem Buch so fesselnd, weil sie in das Menschheitsbild passen, das viele Leute einleuchtend finden. Zum Beispiel verzahnt sich die falsche Annahme, dass wir nur 10 % unserer Gehirnkapazitäten verwenden (siehe Irrtum 1), mit dem Glauben, dass viele Menschen ihr intellektuelles Potential nicht völlig realisiert haben. Der Irrglaube, dass geringes Selbstbewusstsein ein Hauptgrund für eine Verhaltensstörung ist (siehe Irrtum 23), passt zu der Annahme, dass wir alles erreichen können, wenn wir nur an uns selbst glauben.

Viele psychologische Mythen sind nachvollziehbare Versuche, unserer Welt einen Sinn zu geben. Wie der deutsche Soziologe und Wissenschaftstheoretiker Klaus Manhart (2005) feststellte, haben Irrglauben in der Geschichte zentrale Funktionen erfüllt: Sie stellen den Versuch dar, das sonst Unerklärliche zu erklären. Tatsächlich sind viele Irrtümer, die in diesem Buch besprochen werden, Versuche, sich mit einigen beständigen Mysterien des Lebens auseinanderzusetzen. Hierunter fällt zum Beispiel auch der Glaube, dass Träume symbolische Bedeutung haben, was in diesem Fall die zugrunde liegende Bedeutsamkeit unserer nächtlichen Seelenwelt zum Inhalt des Rätsels macht.

Unser Buch ist das erste, das die volle Bandbreite populärer Psychologie und zugleich verbreitete psychologische Missverständnisse unter das wissenschaftliche Mikroskop nimmt. Damit hoffen wir, gängige, aber falsche Annahmen ausräumen und die Leser mit korrektem Wissen ausrüsten zu können, mit dem sie bessere Entscheidungskriterien zur Hand haben. Unser Tonfall ist zwanglos, einnehmend und manchmal respektlos. Wir haben uns besonders bemüht, das Buch für Studierende der ersten Semester sowie Laien zugänglich zu gestalten. Es wird kein psychologisches Fachwissen vorausgesetzt. Darum haben wir allgemeinsprachliche Ausdrücke in ihrer Anzahl gering gehalten. Fachleute wie auch Laien können dadurch gleichermaßen an diesem Buch Gefallen finden.

Wir beginnen mit einer Erkundung der überwältigenden Welt der populären Psychologie, der Gefahren, die psychologische Irrtümer darstellen, und mit den zehn Hauptursachen für die Mythen. Später untersuchen wir 25 Irrtümer der populären Psychologie. Für jeden Irrglauben diskutieren wir sein Vorkommen in der allgemeinen Bevölkerung, besprechen erläuternde Beispiele aus der weiten Welt der populären Psychologie und ihre potentiellen Ursprünge sowie Forschungsergebnisse, die sich darauf beziehen. Auch wenn eines unserer Hauptziele ist, Irrtümer zu zerstreuen, werden wir die Mythen nicht nur aufdecken. Bei jedem Irrglauben werden wir auch diskutieren, was an ihm der Wahrheit entspricht. Dabei werden wir psychologisches Wissen vermitteln, welches die Leser aufnehmen und in ihrem alltäglichen Leben anwenden können. Einige der 25 Irrtümer werden von kurzen „Mythenkiller: Ein genauer Blick“-Kästen begleitet, in dem ein ähnlicher Irrglauben erläutert wird. Um deutlich zu machen, dass die Wahrheit in der Psychologie ebenso faszinierend ist, wenn nicht sogar faszinierender als ein psychologischer Irrtum, bietet das Buch ein Postskriptum mit einer im David-Letterman-Stil gehaltenen „Top 10“-Liste interessanter psychologischer Befunde, die sich wie Mythen anhören, aber tatsächlich wahr sind.

Dieses Buch, so meinen wir, wird verschiedene Leserkreise ansprechen. Studenten in Einführungsveranstaltungen und Seminaren zu Forschungsmethoden genauso wie Dozenten dieser Kurse werden das Buch besonders interessant finden. Viele Studierende beginnen solche Kurse mit falschen Vorstellungen, die eine ganze Reihe psychologischer Themen betreffen. Diesen Missverständnissen ins Auge zu sehen, ist meistens ein wichtiger Schritt, um korrektes Wissen vermitteln zu können. Weil wir das Buch rund um acht Arbeitsbereiche gestaltet haben, die für gewöhnlich im Grundstudium abgedeckt werden, wie zum Beispiel die Funktionsweisen des Gehirns und der Wahrnehmung, das Gedächtnis, Lernen und Intelligenz, Emotionen und Motivation, Sozialpsychologie und Persönlichkeit, kann dieses Buch entweder als alleinstehendes oder als ergänzendes Lehrbuch für diese Kurse eingesetzt werden. Dozenten, die dieses Buch in Kombination mit einem Standardlehrbuch zum Thema Einführung in die Psychologie verwenden, können einige oder alle Irrtümer aus den Kapiteln leicht dem dazugehörigen Thema des verwendeten Lehrbuches hinzufügen.

Laien, die daran interessiert sind, mehr über Psychologie zu erfahren, werden dieses Buch als unschätzbares und leserfreundliches Hilfsmittel und als unterhaltsames Handbuch für Psychologiewissen zu schätzen wissen. Praktizierende Psychologen, andere Berufstätige mit qualifizierter Ausbildung (etwa Psychiater, Krankenpfleger/-schwestern in psychiatrischen Krankenanstalten, psychologische Berater und Sozialarbeiter), Psychologiedozenten, Forscher des Fachbereichs Psychologie und Studierende sowie Doktoranden des Faches Psychologie werden das Buch als angenehme Unterhaltung empfinden, genauso wie es auch für sie eine wertvolle Hinweisquelle sein wird. Schließlich glauben wir, dass das Buch allen Journalisten, Autoren und Dozenten, deren Arbeit auch die Psychologie miteinschließt, empfohlen (wenn nicht sogar nahegelegt) werden sollte. Dieses Buch sollte auch sie davor schützen, genau den psychologischen Missverständnissen zum Opfer zu fallen, vor denen wir unsere Leser so eindringlich warnen.

Dieses Projekt hätte niemals ohne die Hilfe von verschiedenen talentierten und engagierten Personen zu einem guten Abschluss kommen können. Zuallererst möchten wir uns sehr herzlich bei unserer Lektorin bei Wiley-Blackwell, Christine Chardonne, bedanken, über die wir nicht genug Gutes sagen können. Chris hat unschätzbare Führung durch das Projekt hindurch geboten und wir sind ihr für ihre Unterstützung und Ermutigungen zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir schätzen uns selbst besonders glücklich darüber, dass wir mit einem so kompetenten, freundlichen und geduldigen Menschen wie Chris zusammenarbeiten durften. Als Zweites möchten wir uns bei Sean O'Hagen für seine freundliche Hilfe bei der Erstellung der Bibliographie und des Kapitels zum Thema Altern bedanken. Alison Cole danken wir für ihre Unterstützung beim Midlife-Crisis-Irrtum, Otto Wahl für seine Mitwirkung beim Schizophrenie-Irrtum, Fern Pritikin Lynn, Ayelet Meron Ruscio und Susan Himes gebührt unser Dank für ihre hilfreichen Ratschläge bezüglich diverser Irrtümer. Als Drittes möchten wir Constance Adler, Hannah Rolls und Annette Abel von Wiley-Blackwell für ihre redaktionelle Hilfe und das Redigieren der Texte danken.

Als Viertes danken wir den folgenden Korrekturlesern von Entwürfen des Buches und verschiedensten Kapiteln, deren Kommentare, Ratschläge und konstruktive Kritik außerordentlich hilfreich für uns waren, um unsere ersten Konzepte zu verbessern. Folgenden Personen sind wir zu ganz besonderem Dank verpflichtet: David R. Barkmeier, Northeastern University; Barney Beins, Ithaca College; John Bickford, University of Massachusetts-Amhert; Stephen F. Davis, Morningside College; Sergio Della Sala, University of Edinburgh; Dana Dunn, Moravian College; Brandon Gaudiano, Brown University; Eric Landrum, Boise State University; Dap Louw, University of the Free State; Loreto Prieto, Iowa State University; Jeff Ricker, Scottsdale Community College; und zahlreichen Dozenten, die an unserer ersten Umfrage teilgenommen haben.

Wir sind stolz darauf, dieses Buch im Andenken unserem geschätzten Freund, Kollegen und Mitautor Barry Beyerstein zu widmen. Obwohl sein Beitrag zu diesem Buch durch seinen verfrühten Tod im Jahr 2007 im Alter von 60 Jahren nicht groß war, trägt das Manuskript die Spuren seines scharfen Verstands und seiner Fähigkeit, komplexe Ideen einem großen Publikum näher zu bringen. Wir wissen, dass Barry besonders stolz auf dieses Buch sein würde, weil es die von ihm als besonders wichtig wahrgenommene Aufgabe verkörpert, die Öffentlichkeit über das Versprechen der wissenschaftlichen Psychologie aufzuklären: nämlich über unser Wissen darüber, was es bedeutet, Mensch zu sein, und über die Fallgruben von Pseudowissenschaften. Wir erinnern uns liebevoll an Barry Beyersteins Leidenschaft für das Leben und sein Mitgefühl anderen gegenüber und widmen ihm dieses Buch im Gedenken an sein dauerhaftes Vermächtnis für die Verbreitung der wissenschaftlichen Psychologie.

Als Autoren wünschen wir uns sehr, dass Ihnen das Lesen dieses Buches genauso viel Freude bereiten wird wie uns das Schreiben ein Vergnügen war. Wir freuen uns über Rückmeldungen zu dem Buch und, nicht zu vergessen, Vorschläge zu weiteren Irrtümern für zukünftige Auflagen.

Möge das Aufdecken von Irrtümern beginnen!

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