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2.2. In der rabbinischen Literatur (2.–7. Jahrhundert CE)

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Chassidim in der rabbinischen LiteraturWie in der Hebräischen Bibel, so begegnet auch im Korpus der rabbinischen Texte der generische Gebrauch des Begriffs Chassid als eines Menschen, der die üblichen Standards bei der Erfüllung der Gebote deutlich übertrifft. Verschiedenen Einzelpersonen wie Chaniná ben Dosá, Samuel dem Kleinen (tSota XIII,3 [4]) oder Mar Zutra (bNed 7b) wird jener Ehrentitel zuerkannt.

Daneben ist jedoch von einer Gruppierung die Rede, die als „frühere Chassidim“ (Chassidim Rischonim/חסידים ראשונים) bezeichnet wird. Verschiedentlich berichten rabbinische Quellen von den besonderen Gewohnheiten dieser Frommen. Vor jedem Gebet sollen sie eine Stunde lang ihre Gedanken auf den Ewigen ausgerichtet haben. Selbst unter Lebensgefahr seien sie nicht bereit gewesen, ein einmal begonnenes Gebet abzubrechen (mBer V,1 mit bBer 32b; tBer III,20). Besonderen Wert hätten sie auf eine unbedingte Würdigung des Schabbat (bSchab 121b und 150b) und auf persönliche |19|Reinheit und Buße (bKer VI,3 mit tKer IV,4; tNed I,1 mit bNed 10a) gelegt. Auch in der Ausübung bestimmter wirtschaftlicher Aktivitäten (tPe’a III,8 [13]; bBQ 30a; bMen 40b) hätten sie überragende Sorgfalt walten lassen.

Aus all diesen Angaben wird jedoch nicht klar, ob es sich bei jenen Frommen um verschiedene Einzelpersonen, eine informell strukturierte Gruppierung oder gar (was jedoch eher unwahrscheinlich ist) um eine regelrechte Strömung gehandelt haben könnte.

Eine weitere Facette der Verwendung des Begriffes zeigt sich in der Kombination der Chassidim mit den sogenannten ‚Männern der Tat‘ (אנשי מעשה/Ansché Ma’assé). So bietet die Mischna zum Abschluss des Traktats Sota (mSota IX, 15) einen ebenso kurzen wie merkwürdigen ‚historischen‘ Abriss von Tätigkeiten, Personen oder Ereignissen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhörten oder verschwanden. In diesem Kontext findet sich die folgende Aussage:

Von dem [Zeitpunkt] an, da Rabbi Chaniná ben Dośá gestorben war, verschwanden die ‚Männer der Tat‘ [Ansché Ma’assé]. Von dem [Zeitpunkt] an, als Rabbi Josse Qatnutá gestorben war, verschwanden die Chassidim. Warum wurde sein Name Qatnutá genannt? Weil er der Kleinste [qatnuta] der Chassidim war. (mSota IX,15; vgl. jSota IX,15.24c)

Noch an einer weiteren Stelle der Mischna werden die ‚Männer der Tat‘ mit den Chassidim verknüpft: Beide Gruppen sollen zu Zeiten des Zweiten Tempels den berühmten Fackeltanz an Sukkot, zum Fest der „Freude des Wasserschöpfens“ angeführt haben (mSukka V,4 mit tSukka IV,2). Unter den Gelehrten herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich bei den ‚Männern der Tat‘ um charismatische Retter und Heiler handelt, wie es ja auch aus den mit Chaniná verknüpften Traditionen (z.B. mBer V,5; bJev 121b oder bTa’an 24b–25a) deutlich wird. Wie allerdings die Chassidim im Kontext der ‚Männer der Tat‘ zu deuten sind, erscheint weit weniger klar.

In der Forschung wird von einigen Gelehrten die Auffassung vertreten, dass zwischen den Charismatikern und den Chassidim (‚frommen Wohltätern‘) deutliche Unterschiede auszumachen sind. Andere hingegen sind der Meinung, dass es sich bei den verwendeten Begriffen nahezu um Synonyme handelt. Manche wollen sogar eine spätantike chassidische Bewegung rekonstruieren, die sich durch galiläische Herkunft, Armut, die Überordnung des Tuns über das Lernen sowie die Berücksichtigung von Frauen ausgezeichnet hätte (vgl. die Diskussion dazu bei Becker, S. 368–373). Letztere Annahme befrachtet die wenigen Quellen vermutlich über Gebühr.

|20|Zuweilen werden auch (tTa’an II,13 [11]; bTa’an 23b) enge Beziehungen zwischen Regenmachern und den Chassidim hergestellt. So bleibt zu konstatieren, dass die rabbinischen Meister den Begriff Chassidim in verschiedenen Zusammenhängen verwendet haben: Neben der generischen Bezeichnung für herausragend Fromme, wie sie aus der Bibel herüberreicht, kann er für die klarer umrissene Gruppe der ‚Chassidim Rischonim‘ (חסידים ראשונים) Anwendung finden oder – in selteneren Fällen – auf charismatische Einzelpersonen appliziert werden.

Zaddik in der rabbinischen LiteraturDer Gebrauch des Begriffs Zaddik durch die rabbinische Literatur knüpft ebenfalls an biblische Gewohnheiten an. Allerdings verschieben sich die Maßstäbe dessen, was als adäquater Umgang mit der Tora und den in ihr enthaltenen Geboten gefasst werden kann, ziemlich deutlich nach oben. Menschen, die sich (wie so mancher Psalmenbeter) rühmen könnten, tatsächlich vollkommen gerecht zu sein, gibt es nach Auffassung der Rabbinen eigentlich gar nicht: Selbst große Gelehrte hielten sich für eher mittelmäßig (bBer 61b). So nimmt es nicht wunder, dass Zaddikim mitunter in den höchsten Tönen gelobt werden. Ihre Verdienste sind höher einzuschätzen als diejenigen der Dienstengel (bSan 93a); nur ihretwegen hat die Welt Bestand (bJoma 38b). Auf Grundlage dieser Wertschätzung trifft der Babylonische Talmud denn auch Aussagen wie die folgende, die für die Konzepte des späteren osteuropäischen Chassidismus von großer Bedeutung sind:

Sagte R. Schmu’el bar Nachmani, sagte R. Jonatan: Was ist es, das geschrieben steht: ‚Spruch Davids, des Sohnes Jischais, Spruch des Starken, der hoch erhoben ward‘ [2 Sam 23,1]. Spruch Davids, des Sohnes Jischais: denn er erhebt das Joch der Bußumkehr. ‚Es sagte der Gott Israels, zu mir redete der Felsen Israels: Der über den Menschen Herrschende ist gerecht [oder: Ein Herrscher über Menschen ist ein Zaddik]; herrschend [in] der Gottesfurcht.‘ [2 Sam 23,3] Was ist es, das gesagt ist: Sagte der Gott Israels, zu mir sprach der Fels Israels’? ICH herrsche über den Menschen – aber wer herrscht über MICH? Der Zaddik! Denn ICH dekretiere ein Dekret und er hebt diese Worte [wörtlich: Namen] auf. (bMo’ed Qatan 16b)

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